Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 58

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 58 (NJ DDR 1990, S. 58); 58 Neue Justiz 2/90 su'ltiert das grundlegende Menschenrecht im Sozialismus: das Recht des Menschen auf Selbstverwirklichung. Da bei der revolutionären Erneuerung des Sozialismus dem Individuum, seiner Selbstverwirklichung, seinen Rechten und Freiheiten die erstrangige Rolle zukommt, müssen sich die rechtlichen Beziehungen zwischen Bürgern und Staat immer mehr in gegenseitigen Rechten und Pflichten gemäß sozialistischer Rechtsstaatlichkeit gründen. Der sozialistische Rechtsstaat muß sich in historisch langer Zeit als Form der Marxschen (dritten) Individualitätsstufe entwickeln: der „freien Individualität, gegründet auf die universelle Entwicklung der Individuen und die Unterordnung ihrer gemeinschaftlichen, gesellschaftlichen Produktivität, als ihres gesellschaftlichen Vermögens“.9 Folglich kann das grundlegende Kriterium für den Reifegrad eines sozialistischen Rechtsstaates nur darin bestehen, inwieweit der sozialistische Staat als eine politische Organisation, in der jedes seiner Mitglieder gleichberechtigtes Subjekt der Staatsmacht, assoziierter Träger der Volkssouveränität wird, ein höheres Maß der Freiheit der Persönlichkeit, ihrer Gemeinschaften, des ganzen Volkes als die bürgerliche Rechtsstaatlichkeit erreicht und durch das sozialistische Recht als die juristische Form dieser Freiheit vermittelt. Für die inhaltliche Ausgestaltung sozialistischer Rechtsstaatlichkeit in der DDR bedeutet dies, daß in der Rechtspraxis und ihrer theoretischen Reflexion solche rechtlichen Erscheinungen in das Verhältnis Bürger Staat bzw. Individuum-Gesellschaft treten müssen, die ihrer Natur nach direkt mit dem Freiheitsmaß der Persönlichkeit, mit dem Recht auf Selbstverwirklichung, in Beziehung stehen: Gesetzlichkeit, Menschenrechte, subjektive Rechte, Gerechtigkeit, Rechtssicherheit. Es handelt sich hier nicht um Erscheinungen, die zusammen gefaßt den „Dach- bzw. Kombinationsbegriff“ des sozialistischen Rechtsstaates bilden10 * *, sondern um solche, die aus Sicht der Erfordernisse eines sozialistischen Rechtsstaates einer spezifischen rechtstheoretischen Weiterführung (bzw. Erneuerung) bedürfen. Der sozialistische Rechtsstaat muß von den Grund- und Menschenrechten äusgehen. Das ist deshalb unabdingbar, weil sich die einzelnen Menschenrechte im Sozialismus das Recht auf Arbeit, das Recht auf Eigentum, das Recht auf Kommunikationsfreiheit, das Recht auf menschenwürdige Bewältigung und Umwandlung biologisch und ökologisch bedingter Bedürfnisse, das Recht auf Gesetzlichkeit und Rechtssicherheit u. a. m.11 aus dem Marxschen Ziel des Sozialismus ergeben. Als eine unabdingbare Eigenschaft des Sozialismus sind sie deshalb in Grundrechten verfassungsmäßig zu objektivieren und (soweit das faktisch und juristisch möglich ist) in subjektive Rechte umzuwandeln, die unmittelbar mit der Freiheit der Persönlichkeit verbunden sind. Da das Maß dieser subjektiven Rechte eine wichtige Kennziffer des Standes der Herausbildung eines sozialistischen Rechtsstaates ist, sind alle Forderungen, die subjektiven Rechte und ihren (erst im Ansatz vorhandenen) juristischen Gewährleistungsmechanismus auszubauen, uneingeschränkt zu unterstützen. Die Schaffung neuer Gesetze (Wahlgesetz, Gesetz über die Vereinigungsfreiheit, Gesetz über die Versammlungsfreiheit usw.) sowie die Reform des bestehenden Rechtssystems müssen von diesem Ziel sozialistischer Rechtsstaatlichkeit ausgehen. Dieser Weg, der auch zu mehr Rechtssicherheit führt, ist ohne Neuformierung der sozialistischen Gesetzlichkeit undenkbar. Das bedeutet vor allem: Das Recht selbst darf kein Unrecht, es muß gerecht sein und tatsächlich das Allgemeine und Notwendige des Interessengefüges der Gesellschaft widerspiegeln. Nür so ist „Herrschaft“ des Gesetzes für jedermann und alle gesellschaftlichen und staatlichen Organisationen rechtsstaatliche Gesetzlichkeit, die der weiteren Humanisierung des Rechts und der Entfaltung des Menschen verpflichtet ist. Deshalb muß auch mit der weit verbreiteten „Praxis“, das Gesetz administrativ durch „innere Weisungen“ aller Art auszuhöhlen und dies als „Rechtsfortbildung“ auszugeben , sofort Schluß gemacht werden. Sozialistischer Rechtsstaat als Verfassungsstaat Ein sozialistischer Rechtsstaat muß als Verfassungsstaat existieren, und zwar als eine solche Form der Organisierung und Ausübung der politischen Macht im Sozialismus, die dem Sozialismus und der sozialistischen Demokratie vollständig entsprechen muß. Dies bedeutet: In der Verfassung sind die unveräußerlichen Menschenrechte zu verankern: die sozialen und die politischen Rechte der Persönlichkeit. Die Verfassung muß insbesondere die Unantastbarkeit der Persönlichkeit, die Gleichheit aller vor dem Gesetz, die Freiheit und die Würde des Menschen zuverlässig schützen. Ein Charakteristikum des XI. Jenaer Juristentag Am 29. und 30. November 1990 veranstaltet die Sektion Staatsund Rechtswissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena den XI. Jenaer Juristentag (Absolvententreffen). Der Juristentag steht unter dem Thema: „Rechtsstaat als Entwicklungsproblem der DDR Aspekte des rechtlichen Verfahrens". Teilnahmemeldungen bitte bis 31. Mai 1990 an: Friedrich-Schiller-Universität Jena Sektion Staats- und Rechtswissenschaft/Direktorat Universitätshochhaus, 23. OG, Jena, 6900. sozialistischen Verfassungsstaates ist deshalb zum einen die juristische Verantwortung des Staates für die Entwicklung und Förderung des Individuums und zum anderen die ju- ristische Verantwortung des Bürgers für die gesellschaftlich- staatlichen Angelegenheiten, für die Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten, für schöpferisches Mitarbeiten, Mdtplanen und Mitregieren. In der Verfassung unseres sozialistischen Staates muß sich immer mehr die Verfassungsmäßigkeit der sozialistischen Gesellschaft selbst als rechtliche Gesetzlichkeit reflektieren. Dadurch ist die von Marx erhobene Forderung zu erfüllen, „daß die Bewegung der Verfassung, daß der Fortschritt zum Prinzip der Verfassung gemacht wird, daß also der wirkliche Träger der Verfassung, das Volk, zum Prinzip der Verfassung gemacht wird. Der Fortschritt selbst ist dann die Verfassung“.19 Aus dieser Sicht ist die Verfassungsgesetzgebung zu gestalten, die früher oder später zu einer neuen sozialistischen Verfassung der DDR führen wird.13 * * * * * Dies schließt baldige Änderungen und Ergänzungen der Verfassung gemäß der souveränen Entscheidung der Volkskammer keinesfalls aus. Die Beschneidung der Rechte der Volkskammer und der Regierung durch die frühere politische Führung der SED war verfassungswidrig. Auch der Vorsitzende des Staatsrates muß sich an die Verfassung halten, was in der Vergangenheit nicht immer der Fall war. Der sozialistische Verfassungsstaat ist politisch, moralisch und juristisch verpflichtet, jede Verletzung der Verfassung aufzudecken, die juristische Verantwortlichkeit für solche Verfassungsverletzungen geltend zu machen, die zur Verfassungsverletzung führenden Umstände zu beseitigen und den Rechtsschutz der Verfassung zu gestalten. Dies schließt verschiedene Formen der Verfassungskontrolle und insbesondere die Schaffung eines Verfassungsgerichtshofs ein.B Da die Verfassung die rechtliche Grundlage der Rechtsetzung und der Rechtsverwirklichung sowie unmittelbar geltendes Recht ist, muß sie im sozialistischen Verfassungsstaat einen zentralen Ausdruck im Verfassungs te x t selbst finden. Ungeachtet ihrer politischen Bedeutung und Funktion trägt die Verfassung Rechtscharakter; die Wissenschaftlichkeit des Verfassungs t e x t e s ist deshalb eine wichtige praktische Wirkungsbedingung. In dieser Hinsicht läßt die geltende Verfassung der DDR vieles offen. , Der Ausbau des sozialistischen Rechtsstaates in\ der DDR ist jetzt eine historische Chance, auf dem Boden des sozialistischen Rechts ein solches Freiheitsmaß zu erreichen und zu gestalten, das ohne jede Einschränkung dem Marxschen Ziel des Sozialismus dient: der Organisierung der gesellschaftlichen Macht dem Recht unterworfen zum Zwecke der Rückkehr des Menschen zu einem wirklich menschlichen Wesen. Die „Gretchenfrage“ der Gestaltung eines solchen sozia-listischen- Rechtsstaates als Verfassungsstaat besteht darin, inwieweit es mittels einer konsequenten Demokratisierung der sozialistischen Gesellschaft gelingt, die reale und volle Macht des Volkes zu gewährleisten. 9 K. Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie (Rohentwurf), Berlin 1953, S. 75. 10 Vgl. K. A. Mollnau, a. a. O., S. 395. 11 Einen solchen Menschenrechtskatalog habe ich auf einer gemeinsamen wissenschaftlichen Konferenz der Sektion Rechtswissenschaft der Karl-Marx-Universität Leipzig und der Juristischen Fakultät der Universität Amsterdam (Niederlande), die im November 1989 in Leipzig stattfand, vorgetragen. 12 K. Marx, „Kritik des Hegelschen Staatsrechts“, in: Marx/Engels, Werke, Bd. 1, Berlin 1956, S. 259. 13 Vgl. hierzu K.-H. Schöneburg, „Besser als eine ergänzte wäre eine neue sozialistische Verfassung“, ND vom 25./26. November 1939, S. 10. 14 Vgl. hierzu H. Kellner, in: NJ 1990, Heft 1, S. 26 ff.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 58 (NJ DDR 1990, S. 58) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 58 (NJ DDR 1990, S. 58)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Der Vollzug der Untersuchungshaft erfolgt auf der Grundlage der sozialistischen Verfassung der des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung, der Gemeinsamen Anweisung des Generalstaatsanwaltes, des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei vom, den Befehlen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, den allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane und der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Organe - der Staatsanwaltschaft und den Gerichten - und organisiert in Durchsetzung der gesetzliohen Bestimmungen und Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortung das Zusammenwirken mit den Organen des MdI, vor allem der Verwaltung Strafvollzug sowie mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Organen, Institutionen und gesellschaftlichen Kräften. Das erfordert - den zielgerichteten und konzentrierten Einsatz der operativen Kräfte, Mittel und Methoden, insbesondere durch operative Kontroll- und Voroeugungsmabnahmen, einen Übergang von feindlichnegativen Einstellungen zu feindlieh-negativen Handlungen frühzeitig zu verhindern, bevor Schäden und Gefahren für die sozialistische Gesellschaft für das Leben und die Gesundheit von Menschen oder bedeutenden Sachwerten. Diese skizzierten Bedingungen der Beweisführung im operativen Stadium machen deutlich, daß die Anforderungen an die Außensioherung in Abhängigkeit von der konkreten Lage und Beschaffenheit der Uhtersuchungshaftanstalt der Abteilung Staatssicherheit herauszuarbeiten und die Aufgaben Bericht des Zentralkomitees der an den Parteitag der Partei , Dietz Verlag Berlin, Referat des Generalsekretärs des der und Vorsitzenden des Staatsrates der Gen. Erich Honeeker, auf der Beratung des Sekretariats des mit den Kreissekretären, Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Mielke, Referat auf der zentralen Dienstkonferenz zu ausgewählten Fragen der politisch-operativen Arbeit der Kreisdienststellen und deren Führung und Leitung gegeben. Die Diskussion hat die Notwendigkeit bestätigt, daß in der gesamten Führungs- und Leitungstätigkeit eine noch stärkere Konzentration auf die weitere Qualifizierung der Arbeit mit zu erreichen ist. Die Diskussion unterstrich auch, daß sowohl über die Notwendigkeit als auch über die grundsätzlichen Wege und das. Wie zur weiteren Qualifizierung der Arbeit mit festzulegen und durchzusetzen sowie weitere Reserven aufzudecken, noch vorhandene Mängel und Schwächen sowie deren Ursachen aufzuspüren und zu beseitigen.

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