Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 57

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 57 (NJ DDR 1990, S. 57); Neue Justiz 2/90 57 Der sozialistische Rechtsstaat in der revolutionären Erneuerung des Sozialismus Prof. Dr. INGO WAGNER, Sektion Rechtswissenschaft der Karl-Marx-Universität Leipzig Der Gedanke des Rechtsstaates, mit dem sich das aufstrebende Bürgertum gegen feudale Willkür wandtet und als dessen Kern die Bindung des staatlichen Handelns allein an das Gesetz betrachtet wird, erfährt als sozialistische Rechtsstaatlichkeit auch in unserem Land im Spannungsfeld von gesellschaftlicher Wirklichkeit und historischer Aufgabe seine dialektische Auferstehung.* VIII. 1 2 3 4 Dazu haben sich bereits vor dem Beginn der revolutionären Erneuerung des Sozialismus in der DDR Rechtswissenschaftler geäußert. In kritischer Auseinandersetzung mit Karl A. Mollnaus Beitrag „Sozialistischer Rechtsstaat (Versuch einer Charakterisierung)“3 möchte ich mich an dieser Diskussion beteiligen. Zu Mollnaus Annäherung an die sozialistische Rechtsstaatlichkeit Mollnau hält es für verfrüht, eine Definition des sozialistischen Rechtsstaates zu geben, weil die empirische Basis dafür fehle. Eine solche Definition könne nicht abstrakt gefunden werden, vielmehr müsse ihr „eine Analyse real existierender Staats- und Rechtsordnungen und ihrer Praxis vorausgehen“/* In bezug auf die Entwicklung des Staates und Rechts in der DDR in Richtung auf den sozialistischen Rechtsstaat meint Mollnau, diese sei „ als ein Ergebnis zu begreif en und zu analysieren, das aus der inneren Logik der Gesellschafts- und Rechtspolitik der SED hervorgeht, .besonders seit dem VIII. Parteitag“.5 Ohne zu negieren, was in den vergangenen 40 Jahren Ar-beiter-und-Bauern-Macht auf deutschem Boden an Positivem erreicht wurde, auch an Elementen sozialistischer Rechtsstaatlichkeit, muß man davon ausgehen, daß sich das politische System des Sozialismus in der DDR zunehmend mit Beginn der achtziger Jahre immer mehr zu deformieren begann und sich ein bürokratischer Zentralismus breitmachte. Der faktische Einfluß der Werktätigen auf die inhaltliche Gestaltung dieses Systems wurde immer geringer. Es „herrschte“ der Apparat obwohl in der Verfassung der DDR von 1968/ 1974 genau das Gegenteil zu lesen ist. Davon war natürlich auch die Rechtsordnung betroffen. Bei dem jetzt erforderlichen Ausbau des sozialistischen Rechtsstaates „geht es nicht um eine Umetikettierung des bisherigen Zustandes, sondern um eine grundsätzliche Aufwertung des Rechts im Leben der Gesellschaft“.6 Dazu aber sind nicht nur einzelne neue Gesetze notwendig, sondern eine tiefgreifende Reform des gesamten Rechts, aller Rechtszweige vom Verfassungsrecht bis zum Strafrecht. Es dürfte wohl nicht zu bezweifeln sein, daß diese Reform sich nicht „aus der inneren Logik der Gesellschafts- und Rechtspolitik der SED, besonders seit dem VIII. Parteitag“, ergeben kann. Immerhin könnte die von Mollnau geforderte Analyse „real existierender sozialistischer Staats- und Rechtsordnungen und ihrer Praxis“ zu der Erkenntnis beitragen, daß das Wort „sozialistische“ vor dem Begriff „Rechtsstaat“ keine Einschränkung bedeuten darf, sondern künftig die qualitative Überlegenheit über die bürgerliche Rechtsstaatlichkeit zum Ausdrude bringen wird. Bedenklich ist m. E., daß Mollnau den Begriff „sozialistischer Rechtsstaat“ originär an ein „bestimmtes Niveau der Entwicklung, des Wirkens und.der tatsächlichen Wirksamkeit der rechtlichen Regelung und des rechtlichen Schutzes der Beziehungen zwischen Bürgern und Staat, Individuum und Gesellschaft“ bindet.7 Daraus und aus den folgenden Bemerkungen Mollnaus ergibt sich, daß sein Ausgangspunkt für die inhaltliche Bestimmung des sozialistischen Rechtsstaates die „tatsächliche Wirksamkeit der rechtlichen Regelung“ ist. Alles andere ist diesem Ausgangspunkt unter- bzw. nachgeordnet: die staatliche Tätigkeit im Bereich der Beziehungen zwischen Staat und Bürgern, die Problematik- der subjektiven Rechte. Logischerweise stellt Mollnau dann die Frage nach den Kriterien, „nach denen das Niveau der Entwicklung, des Wirkens und der Wirksamkeit der Regelungen im Bereich der Sozialbeziehungen zu bestimmen und zu gestalten ist“.8 Als solche nennt er juristische Sachverhalte, die in anderen Zusammenhängen innerhalb der Wirkungstheorie des sozialistischen Rechts bereits abgehandelt sind in Kurzform: rechtzeitige Rechtsetzung, Gleichheit aller vor dem. Gesetz, reale Durch-setzbairkeit des Rechts, Korrektur falscher Entscheidungen, sozialistische Gerechtigkeit. Unbestreitbar gibt es korrelative Zusammenhänge zwischen diesen juristischen Phänomenen und der Gestaltung eines sozialistischen Rechtsstaates. Sicherlich können sie auch als Charakteristika sozialistischer Rechtsstaatlichkeit qualifiziert werden und insofern die tatsächliche Wirksamkeit der rechtlichen Regelung entfalten helfen. Aber ich halte es für theoretisch falsch, den Begriff „sozialistischer Rechtsstaat“ und damit seinen Wesensinhalt an die von Mollnau angeführten Faktoren zu binden, die die Wirksamkeit des sozialistischen Rechts beeinflussen. Denn diese Wirksamkeit ist nicht Ursache, sondern Folge eines qualitativen Zustandes des sozialistischen Rechts als Komponente eines tatsächlichen Sozialismus; das sozialistische Recht wirkte bereits so oder so, .als die sozialistische Rechtsstaatsidee noch gar nicht auf der geschichtlichen Tagesordnung stand. Neue Qualität des Sozialismus und Rechtsstaatskonzeption Meine These auch in dialektischer Negation der Idee und der Erfahrungen eines Rechtsstaates als Erscheinung der Kultur und der Zivilisation auf dem Gebiet des Rechts ist: Eine sozialistische Rechtsstaatskonzeption ist originär als eine wesentliche Komponente einer neuen Qualität des Sozialismus zu begreifen. Die bisherige Sozialismuskonzeption, die sich im Prozeß des sozialistischen Aufbaus herausgebildet hatte und in der DDR im nationalen Kolorit dominierte, ist nicht nur politisch, sondern auch theoretisch zusammengebrochen. Die Konturen einer neuen Sozialismuskonzeption, die an errungenen sozialistischen Grundwerten keinesfalls vorbeigeht, zeichnen sich ab: Humanismus, Gerechtigkeit, soziale Gleichheit, Freiheit als Verantwortung. Ein deutscher Sozialismus und damit auch ein sozialistischer deutscher Rechtsstaat kann nicht vom nationalen Kolorit, von den Erungenschaften der deutschen Kultur abstrahieren. Nun können wir natürlich nicht warten, bis eine neue deutsche Sozialismuskonzeption, die auch im künftigen europäischen Haus wettbewerbsfähig und menschheitsfortschrittlich ist, „anwendungsbereit“ für die Gestaltung des Rechtsstaates auf dem Tisch liegt. Obwohl wir noch nicht genau wissen können, welche spezifischen Züge auch im nationalen Kolorit die neue Qualität des Sozialismus aufweisen, wird, kristallisiert sich bereits ein Kulminationspunkt besonderer Art heraus, der unmittelbar als inhaltlicher „Anknüpfungspunkt“ für die Ausgestaltung des sozialistischen Rechtsstaates fungiert: Das Kriterium des gesellschaftlichen Fortschritts und dessen höchstes Ziel im Sozialismus ist der Mensch nicht ein isoliertes Individuum, sondern der lebendige Mensch mit seinen realen Bindungen zur Gesellschaft, zu anderen Menschen, zum materiellen und zum geistigen Bereich. Ein solcher Sozialismus muß deshalb auf das Marxsche Menschenbild zurückkehren und es zugleich durch die Errungenschaften der menschlichen Kultur und Zivilisation bis in unsere Tage bereichern. Dieser demokratisch-humanistische Sozialismus hat auf deutschem Boden seine Chance. Sozialistische Rechtsstaatlichkeit wird wesentlich von diesem Marxschen Ziel des Sozialismus gespeist. Die neue Qualität des Sozialismus muß die Rechte des Menschen in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Seins stellen. Hieraus re- 1 Zur Entwicklung der bürgerlichen Rechtsstaatsidee vgl. R. Meister, Das Rechtsstaatsproblem in der westdeutschen Gegenwart, Berlin 1966, S. 9 ff. 2 Dazu Näheres bei I. Wagner, „Der sozialistische Rechtsstaat im Spannungsfeld von gesellschaftlicher Wirklichkeit und historischer Aufgabe“, Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Uni-versität Leipzig, Gesellschaftswissenschaftliche Reihe, 1989, Heft 3, S. 322 ff. 3 NJ 1989, Heft 10, S. 393 ff. 4 K. A. Mollnau, a. a. O., S. 394. 5 Ebenda. 6 H. Modrow in seiner Regierungserklärung vor der Volkskammer, ND vom 18./10. November 1989, S. 4. 7 K. A. Mollnau, a. a. O., S. 395. 8 Ebenda.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 57 (NJ DDR 1990, S. 57) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 57 (NJ DDR 1990, S. 57)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Durch die Leiter der zuständigen Diensteinheiten der Linie ist mit dem Leiter der zuständigen Abteilung zu vereinbaren, wann der Besucherverkehr ausschließlich durch Angehörige der Abteilung zu überwachen ist. Die Organisierung und Durchführung einer planmäßigen, zielgerichteten und perspektivisch orientierten Suche und Auswahl qualifizierter Kandidaten Studienmaterial Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit - Grundfragen der weiteren Erhöhung der Effektivität der und Arbeit bei der Aufklärung und Bearbeitung von Vorkommnissen im sozialistischen Ausland, an denen jugendliche Bürger der beteiligt ind Anforderungen an die Gestaltung einer wirk- samen Öffentlichkeitsarbeit der Linio Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung von Entweichungen geschaffen. Das Wesen der politisch-operativen Hauptaufgabe der Linie. Die politisch-operative Hauptaufgabe der Linie besteht darin, unter konsequenter Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit einen den Erfordernissen des jeweiligen Strafverfahrens gerecht werdenden politisch-operativen Untersubungshaftvollzug durohzusetzen, insbesondere durch die sichere Verwahrung feindlich-negativer Kräfte und anderer einer Straftat dringend verdächtiger Personen einen wesentlichen Beitrag zur Losung der Aufgaben des Strafverfahrens zu leisten und auf der Grundlage der dienstlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der politisch-operativen Lagebedingungen ständig eine hohe Sicherheit und Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten und Dienstobjekten zu gewährleisten. Die Untersuchungshaftanstalt ist eine Dienststelle der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit. Sie wird durch den Leiter der Abteilung der zugleich Leiter der Untersuchungshaftanstalt ist, nach dem Prinzip der Einzelleitung geführt. Die Untersuchungshaftanstalt ist Vollzugsorgan., Die Abteilung der verwirklicht ihre Aufgaben auf der Grundlage des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Volkspolizei, der Verordnung zum Schutz der Staatsgrenze, der Grenzordnung, anderer gesetzlicher Bestimmungen, des Befehls des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei, der Instruktionen und Festlegungen des Leiters der Verwaltung Strafvollzug im MdI, des Befehls. des Ministers für Staatssicherheit sowie der dienstlichen Bestimmungen und Weisungen Staatssicherheit sind planmäßig Funktionserprobunqen der Anlagen, Einrichtungen und Ausrüstungen und das entsprechende Training der Mitarbeiter für erforderliche Varianten durchzuführen.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X