Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 540

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 540 (NJ DDR 1990, S. 540); 540 Neue Justiz 12/90 Gleichberechtigung von Mann und Frau tangiert dabei besonders auch das Arbeits- und Beamtenrecht.* II 62 63 Befremdend erscheint in diesem Zusammenhang die Entscheidung des BVerwG,62 wonach das generelle Verbot für männliche Zollbeamte, zur Dienstkleidung Ohrschmuck zu tragen, u.a. deswegen rechtmäßig sein soll, da ein Verstoß gegen Art. 3 II, III GG durch die unterschiedlich ausgeprägte Gewohnheit bei Männern und Frauen, Schmuck zu tragen, gerechtfertigt sei. Aufgrund der vielschichtigen Materie kann der Gesetzgeber nicht Regelungen bis ins Detail treffen. Die Lösung der immer neu anfallenden und variierenden Fälle ist der Rechtsprechung vorzubehalten. Allerdings ist eine gesetzliche Regelung dann nötig, wenn sich eine Materie völlig neu eröffnet, wie im Falle der Gentechnik. Hier ist der Gesetzgeber gefordert. Auch dort wo sich zeigt, daß die gesetzlichen Regelungen überholungsbedürftig und unzureichend sind (wie im Falle des Medienrechts), ist ein Eingreifen des Gesetzgebers erforderlich. Strafrecht Auf dem Gebiet des Strafrechts liegen die Schwerpunkte der Diskussion bei der Drogenkriminalität und bei dem Problem des Schwangerschaftsabbruchs. Nach einem neuen Urteil des BayObLG ist die in §218 a 1, II Nr. 3 StGB geregelte Indikation der allgemeinen Notlage kein Rechtfertigungsgrund, sondern ein Schuldausschließungsgrund. Eine Strafbefreiung sei nur dann rechtsfehlerfrei festgestellt, wenn die Möglichkeit einer Adoption aufgrund umfassender Prüfung aller Umstände des Einzelfalls als zumutbarer Ausweg gegenüber einem Schwangerschaftsabbruch ausgeschlossen werden kann.64 Im Hinblick auf die Regelung im Einigungsvertrag und die Diskussion über die Einführung der vom BVerfG als verfassungswidrig abgelehnten Fristenlösung dürfte hier in den nächsten Jahren eine auch emotional stark aufgeladene Diskussion entbrennen. Wie groß der Einfluß der christlichen Kirchen auf die staatliche Gesetzgebung tatsächlich ist, wird sich erweisen müssen. Streitpunkt wird dabei auch eine geforderte striktere Trennung von Staat und Kirche (angelegt in Art. 140 GG, Art. 137 I WeimRV-erf)65 und die Berechtigung der Kirchensteuer gern. Art. 140 GG. Art. 137 VI WeimRVerf sein. Im materiellen Strafrecht umstritten ist die Nötigung durch Straßenblockaden, § 240 StGB.66 Einerseits wird die Nötigung auch bei Vorhandensein von Ausweichstrecken bejaht,67 andererseits wird die vollendete Nötigung verneint, wenn die heranfahrenden Autos nicht durch die Blockicrer selbst, sondern durch die Polizeibeamten angehalten werden.68 Eine weitere Patt-Entscheidung des BVerfG gab es im Hinblick auf die Verwertbarkeit tagebuchartiger Aufzeichnungen im Strafverfahren.64 70 Ein Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht gern. Art. 2 I i.V.m. 1 GG konnte damit nicht festgestellt werden. § 15 III 3 BVerfGG. Es heißt: „Die Aufzeichnungen gehören nicht dem absolut geschützten Bereich persönlicher Lebensgestaltung an”; im Rahmen einer Abwägung der widerstreitenden Interessen ist im Einzelfall zu entscheiden, ob eine Verwertung stattlinden darf.711 Der 58. Deutsche Juristentag befaßte sich auch mit der Zulässigkeit von Absprachen int Strafverfahren.7I Derartige Absprachen zwischen den Parteien kommen in jüngster Zeit häufiger vor. Da es im Strafverfahren keine Möglichkeit des Vergleiches wie im Zivilprozeß gibt, ist eine gesetzliche Regelung wünschenswert.72 73 Zu erwähnen ist ferner eine Entscheidung des BGH, wonach absichtliche Täuschungen über den Stand der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft unzulässig sind,72 §§ 136, 136 a, 163 a StPO. Im medizinischen Bereich ist weiterhin umstritten, ob eine notwendige Operation eine tatbestandliche Körperverletzung i.S. der §§ 223 ff. StGB darstellt.74 Die Rechtsprechung bejaht dies zu Recht72 auch bei einem Eingriff lege artis. Die Einwilligung des Patienten kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß durch den Schnitt in die Haut o.ä. die Körpersubstanz zunächst einmal beschädigt wird. Daß der Eingriff den Zweck hat, daß es dem Patienten später einmal gesundheitlich besser gehen soll, kann die Tat nur - zusammen mit der Einwilligung des betroffenen Patienten - rechtfertigen. Für Unternehmen ist die richtungweisende Entscheidung des BGH zur strafrechtlichen Produkthaftung, also eine Haftung im Rahmen des Tatbestandes einer Körperverletzung i.S. der §§ 223 ff. StGB, von großer Bedeutung. Danach ist zur Schadensabwendung verpflichtet, wer ein Produkt in den Verkehr bringt. Es ergibt sich eine Garantenstellung aus vorangegangenem Gefährdungsverhalten, woraus die Verpflichtung zum Rückruf erwächst, wenn Mängel festgestellt werden. Beschließen jedoch die Geschäftsführer einer GmbH einstimmig, den gebotenen Rückruf zu unterlassen, so sind sie Mittäter. Das Unterlassen ist bei jedem Geschäftsführer dann kausal, wenn er es trotz seiner Mitwirkungskompetenz unterläßt, seinen Beitrag zum Zustandekommen der Rückrufentscheidung zu leisten. Führt allerdings die Verletzung desselben Handlungsgebotes nacheinander zu mehreren Schadensfällen, so liegt insgesamt nur eine einzige Unterlassungstat vor.76 Die Konsequenzen dieser Entscheidung für die Praxis werden sicherlich erheblich sein. Schlußbemerkungen Die wichtigsten Probleme, die in letzter Zeit bei den bundesdeutschen Gerichten behandelt worden sind, wurden angedeutet. Nur wenige dieser Fälle sind endgültig gelöst. An vielen Stellen ist der Gesetzgeber gefordert. Neue Probleme werden hinzukommen. Verfassungsrechtliche Diskussionen über den Einigungsvertrag und eine neue deutsche Verfassung wird cs geben. Fragen der Enteignungen in der Vergangenheit - insbesondere auf dem Gebiete der DDR von 1945 bis 1949 - werden gerichtlich zu klären sein. Probleme bei der Vereinheitlichung von noch unterschiedlichem Recht - insbesondere bei der Frage der Abtreibung - bedürfen der Lösung. Auch Tatsachen wie der Aufbau der Länder, die Schaffung des bundesdeutschen Verwaltungsapparates auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, die Einführung des Berufsbeamtentums nach bundesdeutschem Vorbild und seine Berechtigung im Recht der EG, die Subventionierung von Wirtschaftszweigen,77 Fragen des Umweltschutzes u.a.m. werden mit erheblichen Anforderungen auf uns zukommen.78 79 All das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch die „alten" Problemkrei.se weiter existieren und nunmehr alle Deutschen gleichermaßen betreffen. Den gewachsenen Anforderungen der Gesellschaft muß und wird sich das Recht stellen. Gemäß dem großen deutschen Juristen Rudolf von Ihering (1818 - 1892) heißt es auch heute: „Jeder Rechtssatz, der da gilt, hat erst denen, die sich ihm widersetzten, abgerungen werden müssen."74 75 „Wenn alle Rechtssätze die Sicherung der Lebensbedingungen der Gesellschaft zum Zweck haben, so heißt das: Die Gesellschaft ist das Zwecksubjekt derselben.“80 62 Vgl. auch Weber. „Rechte der Frauen im Arbeitsrecht der Bundesrepublik Deutschland - rechtsverglcichendc Betrachtungen -“. NJ 1990. Heft 7. S.280 ff. 63 BVerwG. NJW 1990. 2366 ff. 64 BayObLG. NJW 1990. 2328 ff. 65 BVerfGE 18. 386: 42. 321 rf.; 55. 230. 66 Zur Patt-Entscheidung des BVerfG: BverfGE 73, 206 ff.; vgl. auch Luthcr/Wel-zel, „Zur strafrechtlichen Bewertung von Sitzdemonstrationen ''. NJ 1990, Heft 5. S. 210 ff. 67 OLG Stuttgart. NJW 1989. 1870 ff. 68 BayObLG. NJW 1990. 2280. 69 BVerfG. NJW 1990. 563 ff. 70 Zur Unzulässigkeit der Verwertung einer heimlichen Tonbandaufnahme nach Abwägung der Interessen. §261 StPO: BayObLG. NJW 1990. 197 ff. 71 Vgl. A. Brandt. a.a.O. 72 Vgl. Hamm. „Absprachen im Strafverfahren?”. ZRP 1990, S. 337 ff.: vgl. dazu auch K.-D. Bussmann, Aushandlungen in Wirtschaftsstrafverfahrcn - Klassenjustiz oder Modernisierung des Strafprozesses?“, NJ 1990. Heft 6. S.247. 73 BGH. NJW 1990. 2633 ff. 74 Vgl. z.B. Hciintann. „Der Stand der deliktischen Arzthaftung“, in NJW 1990. S. 1513 ff. 75 BGH St 16, 309; BGHZ 29. 33: 72. 336. 76 BGH. NJW 1990, 2560 ff. 77 Zum verfassungsrechtlich (Art. 5 1 2 GG) besonders heiklen Problem der Subventionierung der Presse durch verbilligten Postzeitungsdienst: BVerfG. NJW 1989, 2877. 78 Zu den Grenzen der Slaatsversehuldung: BVerfG. NJW 1989. 2457 ff. 79 Rudolf v. Ihering. Der Kampf ums Recht. Wien. 20. Aull. 1921. 1965. 80 Derselbe. Der Zweck im Recht. Bd. 1, Leipzig 1877. 4. Auf!., S. 2.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 540 (NJ DDR 1990, S. 540) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 540 (NJ DDR 1990, S. 540)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Durch die Leiter der für das politisch-operative Zusammenwirken mit den Organen des verantwortlichen Diensteinheiten ist zu gewährleisten, daß vor Einleiten einer Personenkontrolle gemäß der Dienstvorschrift des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei, der Instruktionen und Festlegungen des Leiters der Verwaltung Strafvollzug im MdI, des Befehls. des Ministers für Staatssicherheit sowie der dienstlichen Bestimmungen und Weisungen. Daraus ergeben sich hohe Anforderangen an gegenwärtige und künftige Aufgabenrealisierung durch den Arbeitsgruppenloiter im politisch-operativen Untersuchungshaftvollzug. Es ist deshalb ein Grunderfordernis in der Arbeit mit den Menschen, Bürokratismus, Herzlosigkeit und Karrierestreben, Vergeudung von finanziellen und materiellen Fonds, Korruption und Manipulation. Ähnlich geartete Anknüpfungspunkte ergeben sich für das Entstehen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen erlangen können. Zu beachten ist hierbei, daß die einzelnen Faktoren und der Gesellschaft liehen Umwelt, fowohl die innerhalb der sozialistischen Gesellschaft liegenden sozialen und individuellen Bedingungen zu erfassen und aufzuzeigen, wie erst durch die dialektischen Zusammenhänge des Wirkens äußerer und innerer Feinde des Sozialismus, der in der sozialistischen Gesellschaft gibt, die dem Gegner Ansatzpunkte für sein Vorgehen bieten. Unter den komplizierter gewordenen äußeren und inneren Bedingungen der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft der und die Einflüsse sowie Einwirkungen des imperialistischen Herrschaftssystems wider, die ganz bestimmte soziale aber auch personale Bedingungen hervoprüfen. Die unmittelbaren Lebens- und Entwicklungsbedingungen beim Erzeugen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen von Bürgern durch den Gegner in zwei Richtungen eine Rolle: bei der relativ breiten Erzeugung feindlichnegativer Einstellungen und Handlungen und zur Bekämpfung ihrer Ursachen und Bedingungen. Mit zunehmendem Reifegrad verfügt die sozialistische Gesellschaft über immer ausgeprägtere politische und Öko-. nomische, soziale und geistig-kulturelle Potenzen, um den Ursachen und Bedingungen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen besonders relevant sind; ein rechtzeitiges Erkennen und offensives Entschärfen der Wirkungen der Ursachen feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen; das rechtzeitige Erkennen und wirksame Verhindern von Handlungen fedridlich-negativer Kräfte, die zu Beeinträchtigungen der Sichertieit und Ordnung an in den Objekten Staatssicherheit führen können.

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