Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 47

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 47 (NJ DDR 1990, S. 47); Neue Justiz 1/90 47 entsprechen oder aber der Wahrheitsgehalt dieser Darlegungen in Zweifel zu ziehen ist. 2. Voraussetzungen für die Durchführung und Auswertung .des Untersuchungsexperinients. 3. Aus einem Untersuchungsexperiment resultierende Angaben zur Zeitdauer eines bestimmten Vorgangs, die nur relativ sind und die Möglichkeit beinhalten, daß der betreffende Zeitraum' beim tatsächlichen Vorgang auch kürzer oder länger gewesen kein könnte, ohne ihn konkret zu begrenzen oder begrenzen zu können, sind für die Führung des Nachweises, daß das Geständnis des Angeklagten der Wahrheit entspricht, nicht verwertbar. Sie lassen vielmehr Zweifel am Wahrheitsgehalt des Geständnisses offen. OG, Urteil vom 15. August 1989 - 2 OSK 13 89. Das Kreisgericht verurteilte den Angeklagten wegen Brandstiftung- in Tatmehrheit mit öffentlicher Herabwürdigung und Beleidigung (Verbrechen gemäß § 185 Abs. 1 StGB, Vergehen gemäß §§ 220 Abs. 3, 137, 139 Abs. 3 StGB) zu einer Freiheitsstrafe sowie zur Zahlung von Schadenersatz. Diese Entscheidung beruht auf folgenden wesentlichen Sachverhaltsfeststellungen: Der 52jährige Angeklagte ist von Beruf Zimmermann sowie Betonfacharbeiter und Drahtzieher. Seit dem l.Juli 1987 arbeitete er in der Bauabteilung der Pädagogischen Hochschule P. Ihm. übertragene Arbeiten erfüllte er in guter Qualität und Quantität. Vereinzelt traten durch Alkoholgenuß während der Arbeitszeit Arbeits-Pflichtverletzungen auf, die er jedoch nach Aussprachen abstellte. Das Verhältnis des Angeklagten zu seinen Arbeitskollegen war auf Grund seiner teilweise unbeherrschten Art zeitweise gespannt. Am 29. April 1988 nahm der Angeklagte an der Maifeier seines Kollektivs teil. Aus persönlicher Verärgerung und unter erheblichem Alkoholeinfluß stehend beleidigte er während dieser Feier den Zeugen W. Daraufhin'wurde er' von seinen Kollegen gewaltsam aus dem Raum gebracht. Nachdem der Angeklagte eine'Diskothek besucht hatte, begab er sich gegen 22 Uhr zum Gebäude der Tischlerei der Pädagogischen Hochschule, um dort noch einige Flaschen Bier zu trinken. Aus Verärgerung über seine Kollegen und über seiner Meinung nach ungerechte Prämienzahlungen' entschloß er sich, das Spänelager der Tischlerei in Brand zu setzen. Er zog nochmals kräftig an einer zur Hälfte auf gerauchten Zigarette, um die Luftzufuhr und Glutbildung zu erhöhen, und wärf sie anschließend auf das Spänelager, weiches sich im Anbau des Gebäudes der Tischlerei befand. In den Hobelund Sägespänen entwickelte sich ein Schwelbrand, der kurze Zeit später zur offenen Flammenbildung führte. Das Feuer breitete sich durch das über den Spänen befindliche Fenster auf das Innere der Tischlerei und den Dachkasten aus. Die Zwischendecke des Gebäudes fing Feuer und der Dachstuhl -brannte teilweise ab. Ein angrenzender Schuppen wurde zum Teil zerstört, und ein Anbau, der'zwei Familien zur Lagerung von Gegenständen diente, brannte vollständig ab. Im Obergeschoß- des Gebäudes befindet sich die Wohnung der Familie R., .in der sich zum Zeitpunkt des Brandes fünf Bürger auf hielten. Infolge der Brandausbreitung auf den Dachstuhl der Tischlerei und der entstandenen Rauchgasent-wieklung waren Leben und Gesundheit dieser Bürger unmittelbar gefährdet. Die Zeugin R. mußte sich auf Grund der Raucheinwirkung in medizinische Behandlung begeben. Durch den Einsatz der Feuerwehr wurde ein Übergreifen der Flammen auf weitere Gebäude verhindert. Infolge des Brandes entstand ein Gebäudeschaden in Höhe von 18 526 M. Darüber hinaus wurde sozialistisches Eigentum in Form von Produktionsmitteln in Höhe von 978,12 M vernichtet. Der Schaden am persönlichen Eigentum betrug 7 527,03 M. Der ■ Angeklagte hatte fm Ermittlungsverfahren mehrfach ein Geständnis abgelegt. Dieses Geständnis widerrief er jedoch, soweit es die Brandstiftung betraf, und hielt diesen Widerruf auch in der gerichtlichen Hauptverhandlung aufrecht. Gegen die Entscheidung des' Kreisgerichts richtet sich der zugunsten des Angeklagten gestellte Kassationsantrag des Präsidenten des Obersten Gerichts, soweit Verurteilung wegen Brandstiftung erfolgte. Der Kassationsantrag hatte Erfolg. Aus der Begründung: Die Entscheidung des Kreisgerichts verletzt, soweit, Verurteilung des Angeklagten wegen Brandstiftung erfolgte, das Gesetz (§ 222 StPO) infolge nicht ausreichender Sachaufklärung und darauf beruhender fehlerhafter Beweiswürdigung. ' Die Pflicht des Gerichts zur allseitigen uhd unvoreingenommenen Feststellung der Wahrheit beinhaltet auch.' das von einem Angeklagten abgelegte Geständnis auf seinen Wahrheitsgehalt zu prüfen. Dabei ist insbesondere zu klären, ob der Inhalt des Geständnisses durch Zeugenaussagen, materielle Beweismittel oder Sachverständigengutachten bestätigt oder widerlegt wird oder ob sich aus diesen Beweismitteln Zweifel am Wahrheitsgehalt des Geständnisses ergeben. Aussagen des Angeklagten, insbesondere Schilderungen spezieller Umstände und Vorgänge des zu klärenden Geschehensablaufs, können auch durch solche Methoden der Beweisführung wie Untersuchungsexperimente, Rekonstruktionen u. ä. überprüft werden (vgl. Beweisrichtlinie des Plenums des Obersten Gerichts vom 15. Juni 1988 [GBl. I Nr. 15 S. 171; NJ 1988, Heft 8, S. 315]). Die Durchführung eines Untersuchungs-experiments ist u. a. dann als eine wesentliche Methode der -Beweisführung erforderlich, wenn damit solche Feststellungen getroffen werden können, die für sich oder im Zusammenhang mit Informationen aus anderen Beweismitteln wesentliche Rückschlüsse darauf zulassen, ob die in einem Geständnis des Angeklagten enthaltenen Darlegungen zu bestimmten Umständen oder Vorgängen der Tat bzw. solchen, die im Zusammenhang damit stehen, der Wahrheit entsprechen oder aber der Wahrheitsgehalt dieser Darlegungen in Zweifel zu ziehen ist. Das setzt allerdings voraus, daß das Experiment unter exakter Beachtung des vom Angeklagten beschriebenen Tatablaufs, der Tatsituatiön, der Tatumstände und der im Tatzeitraum Vorhänden gewesenen Bedingungen durchgeführt wird, weil die Ergebnisse des Experiments nur dann bezogen auf die Aüssagen des Angeklagten weitgehend real und somit beweiskräftig sein können. Das setzt weiter voraus, daß die Ergebnisse des Experiments eine solche klare und eindeutige Aussage beinhalten, die die erforderlichen Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt der betreffenden Angaben des Angeklagten für sich oder im Zusammenhang mit Informationen aus anderen Beweismitteln mit der dazu notwendigen Sicherheit zuläßt. Ist eine solche Aussage nicht möglich, dann darf dies bei der Beweiswürdigung nicht zuungunsten des Angeklagten gewertet werden. Diese Grundsätze beachtete das Kreisgericht bei der Entscheidung über den Anklagevorwurf der Brandstiftung nicht in gebührender Weise. Die Ergebnisse - eines Experiments zur Brandentstehung wurden in die Beweiswürdigung einbezogen, obwohl dieses Experiment nicht entsprechend den vorstehend dargelegten Anforderungen an eine solche Methode der Beweisführung durchgeführt worden ist. So wurden dabei Hobel- und Sägespäne verwandt, die in einem Zeitraum von 23 Stunden in einer Trockenkammer bei 80 °C. getrocknet wurden, obwohl sich am Tattage nach den Aussagen des Angeklagten und von Zeugen im Brandobjekt solche- Späne befanden, die an Ort und Stelle, d. h. in einem nach einer Seite offenen Anbau (Verschlag) über mehrere Tage gelagert waren. Feststellungen, die nur mit Hilfe eihes Sachverständigen möglich gewesen wären, ob und inwieweit in beiden Fällen bei den Spänen die gleiche Zündfähigkeit und das gleiche Brandverhalten ge. geben waren, wurden nicht getroffen. Außerdem wurde die brennende Zigarettenkippe bei dem Experiment; das zur Inbrandsetzung der Späne führte, entgegen den Darlegungen im Geständnis des Angeklagten nicht auf die Späne „geschnippt“, sondern gelegt. Schon -angesichts der nicht vorhandenen Übereinstimmung zwischen der Art und Weise der Durchführung des Experiments-bzw. der dabei verwendeten Materialien mit den vom Angeklagten geschilderten Umständen durften die Ergebnisse . des Experiments bei der Beweiswürdigung nicht berücksichtigt werden. Darüber hinaus entsprächen die Ergebnisse des Experiments selbst dann, wenn vorausgesetzt würde, daß eine Inbrandsetzung der Spane unter den vom Angeklagten geschilderten Umständen und den vorhanden gewesenen Bedingungen möglich war,. deshalb nicht den an sie zu stellenden Anforderungen, weil sie keine exakte Aüssage hinsichtlich des Zeitraums zwischen dem „Wegschnippen“ der brennenden Zigarettenkippe und dem Brandausbruch treffen. Aus einem Untersuchungsexperiment resultierende Angaben zur Zeitdauer eines bestimmten Vorgangs, die wie in diesem Falle nur relativ sind und die Möglichkeit beinhalten, daß der betreffende Zeitraum beim tatsächlichen Vorgang auch kürzer pder länger gewesen sein könnte, ohne ihn konkret zu begrenzen oder begrenzen zu können, sind für die Führung des. Nachweises, daß das Geständnis des Angeklagten der Wahrheit entspricht, nicht verwertbar. Sie lassen vielmehr Zweifel am Wahrheitsgehalt des Geständnisses offen. Das Kreisgericht hätte die Durchführung eines den dar-;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 47 (NJ DDR 1990, S. 47) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 47 (NJ DDR 1990, S. 47)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Die sich aus den Parteibeschlüssen sowie den Befehlen und Weisungen des Ministors für Staatssicherheit ergebenden grundlegenden Aufgaben für die Linie Untersuchung zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher und gosellschafts-schädlicher Handlungen Jugendlicher. Zu den rechtspolitischsn Erfordernissen der Anwendung des sozialistischen Rechts im System der Maßnahmen zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung politischer Untergrundtätigkeit Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit - Anweisung zur Sicherung der Transporte Inhaftierter durch Angehörige der Abteilung - Transportsicherungsanweisung - Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit - Bc? Sie haben den Staatsanwalt sofort zu unterrichten, wenn die Voraussetzungen für Untersuchungshaft weggefallen sind. Der Staatsanwalt hat seinerseits wiederum iiT! Rahmer; seiner Aufsicht stets zu prüfen und zu entscheiden, ob der Verdächtige durch den Untersuchungsführer mit dieser Maßnahme konfrontiert werden soll oder ob derartige Maßnahmen konspirativ durchgeführt werden müssen. Im Falle der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens alle Beweisgegenstände und Aufzeichnungen, die vom Täter zur Straftat benutzt oder durch die Straftat hervorgebracht worden sind, im Rahmen der allseitigen und unvoreingenommenen Feststellung der Wahrheit zu ermöglichen. Bas Ziel der Beweisanträge Beschuldigter wird in der Regel sein, entlastende Fakten festzustellen. Da wir jedoch die Art und Weise ihrer Begehung, ihre Ursachen und Bedingungen, den entstandenen Schaden, die Beweggründe des Beschuldigten, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären haben., tragen auch auf Entlastung gerichtete Beweisanträge bei, die uns übertragenen Aufgaben bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren gegen sogenannte gesetzlich fixierte und bewährte Prinzipien der Untersuchungsarbeit gröblichst mißachtet wurden. Das betrifft insbesondere solche Prinzipien wie die gesetzliche, unvoreingenommene Beweisführung, die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und wirksamen Bekämpfung der Feindtätigkeit und zur Gewährleistung des zuverlässigen Schutzes der staatlichen Sicher heit unter allen operativen Lagebedingungen.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X