Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 460

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 460 (NJ DDR 1990, S. 460); 460 Neue Justiz 10/90 Briefe an die Redaktion Aus Sorge um die Zukunft angesichts der derzeit schwierigen Situation, in der sich Justiz und Rechtsprechung im Gebiet der bisherigen DDR befinden, hat sich der Richterrat des Kreisgerichts Cottbus-Stadt im September 1990 in persönlichen Schreiben an den Bundesjustizminister sowie an den amtierenden Justizminister der DDR, Herrn Walther, gewandt. Diesen Schreiben wurde ein offener Brief beigefügt, der den Standpunkt des Richterrates zu grundsätzlichen Problemen zum Ausdruck bringt. Eine redaktionell leicht gekürzte Fassung dieses Briefes drucken wir im folgenden ab. Droht der Rechtsprechung der Kollaps? Ohne weitere Begründung scheint es einleuchtend, daß im Falle des Stillstandes der Rechtsprechung das gesellschaftliche Zusammenspiel und die Kollision von verschiedenartigsten Einzelinteressen auf Dauer im Chaos enden. Es ist Aufgabe des Staates, in Gestalt seiner rechtmäßigen Körperschaften (Parlament, Regierung) zu sichern, daß die dritte Staatsgewalt, Jurisdiktion, ihre Aufgabe objektiv erfüllen kann. Das vermag die Justiz nicht aus sich selbst heraus. Kernpunkt der Sicherstellung der Rechtsprechung ist die Gewährleistung der Arbeitsfähigkeit der Gerichte und die Schaffung der Voraussetzungen für die Unabhängigkeit der Richter in fachlicher, persönlicher und finanzieller Hinsicht. War die Unabhängigkeit der Richter in der sozialistischen DDR nur bedingt gegeben, so ist heute zu konstatieren, daß die Richter in der Noch-DDR abhängiger denn je sind. Sie sind abhängig von der Entscheidung der herrschenden politischen Kräfte dieses Landes in persönlicher Hinsicht, in finanzieller Hinsicht und in fachlicher Hinsicht Wie unabhängig ist ein Richter, der unter Existenzangst richten muß? Er ist jeden Anfeindungen, Beeinflussungsversuchen, Denunziationen unmittelbar ausgeliefert. Jedes gesprochene Urteil kann dazu führen, Kräfte auf den Plan zu rufen, die seine Ablösung bewirken können. Wie unabhängig ist ein Richter mit einem Gehalt von rund 1200,-DM Netto? Sicher reicht das erst einmal zum Leben, es reicht aber nicht, um ein finanziell sorgenfreies Leben zu führen Wie unabhängig ist ein Richter, der objektiv gesehen, das geltende Recht nicht beherrschen kann? Zur Zeit ist ein absolut unübersichtlicher Zustand im geltenden Recht eingetreten. Gesetze, die unter bundesrepublikanischen Verhältnissen über Jahre hinweg wachsen und reifen, werden erlassen, aufgehoben, geändert und übernommen. Ab 3.10.1990 gilt überwiegend das Recht der Bundesrepublik. Wenn man bedenkt, daß das Bürgerliche Gesetzbuch 4 Jahre vor seinem Inkrafttreten verabschiedet wurde und jeder Justizjurist Zeit genug hatte, sich allein mit diesem einen Gesetz vertraut zu machen, kann man erahnen, was für eine Unmöglichkeit von jedem Rechtsanwender, auch einem Richter, gefordert wird, wenn er innerhalb eines Monats ein über Jahrzehnte gewachsenes Rechtssystem beherrschen soll. Unabhängigkeit erwächst nicht zuletzt auch aus soliden Gesetzeskenntnissen Die Regierung der DDR ist ursprünglich angetreten, um rechtsstaatliche Verhältnisse im Lande zu schaffen. Die Gerichte wurden in der letzten Zeit zunehmend arbeitsunfähiger, was nachfolgende Beispiele verdeutlichen sollen: Die Schöffen sind zu einem Großteil nicht mehr bereit, an der Rechtsprechung mitzuwirken. Geschäftsverteilungspläne fehlen. Den Kammern für Handelssachen fehlen Vollkaufleute als ehrenamtliche Richter. Die paritätische Besetzung der Spruchkörper im Arbeitsrecht mit Arbeitnehmern und -gebem ist nicht gewährleistet. Es fehlen Berufsrichter für die Besetzung der Kammer für Verwaltungsrecht, die mit 3 Berufsrichtem und 2 Schöffen entscheiden muß. Die Planstellen der technischen Mitarbeiter werden zusammengestrichen, so daß die Arbeitsfähigkeit, fußend auf der Gerichtsorganisation, abnimmt. Es sind keine Mittel für Gesetzestexte und Literatur vorhanden. Das Kreisgericht Cottbus-Stadt kann keine Miete für seine Außenstelle mehr zahlen und muß diese räumen. Die inventarmäßige Ausstattung der Gerichte und die Räumlichkeiten sind unwürdig und stellen z.B. in sehr kleinen Räumen den Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlungen in Frage. Und all das passiert, obwohl z.B. die Kammer für Handelssachen enorme Gelder allein aus den Gerichtsgebühren dem Fiskus zufließen läßt. Die Regierung der DDR hat entgegen der Regierungserklärung nach dem 18. März 1990 den Grundsatz der Gewaltenteilung praktisch mißachtet. Vielleicht wollten sich Regierung und Parlament von unabhängigen Gerichten nicht kontrollieren lassen? Wie kann es z.B. in einem Rechtsstaat passieren, daß das Gesetz von demjenigen verkündet wird, der mit diesem Gesetz erst zum Staatsoberhaupt wird. Die Verkündungskompetenz eines Gesetzes liegt beim Staatsoberhaupt. Der letzte Akt der Rechtsetzung ist die Verkündung. Zum Zeitpunkt, als Frau Bergmann-Pohl das Gesetz verkündete, das sie zum Staatsoberhaupt machte, war sie es noch nicht, d.h. sie hatte Zu diesem Zeitpunkt noch keine Verkündungskompetenz. Daraus folgt, daß erhebliche Zweifel daran bestehen, daß Frau Bergmann-Pohl jemals rechts wirksam Staatsoberhaupt geworden sein kann Eine rechtsstaatliche verfassungsmäßige Kontrollmöglichkeit durch unabhängige Gerichte hätte diese und derlei andere juristische Mißgriffe korrigiert. So aber scheint weiter der Grundsatz aus der Zeit der sozialistischen DDR zu gelten, daß politischer Pragmatismus vor Rechtsstaatlichkeit geht. Die Gerichte waren nach der Wende gut genug, das Chaos zu verhindern. Nun scheinen sie ihre Schuldigkeit getan zu haben. Das Berliner Beispiel zeigt offensichtlich, wie man undifferenziert Richter in die Pilze schickt. Ist das mit dem Grundsatz des gesetzlichen Richters vereinbar? Selbst die Richter, die als Richter der Länder weiter tätig sein werden, werden dies nach den Festschreibungen des 2. Staatsvertrages zu den alten Konditionen sein. Während es z.B. im jetzigen Bundesgebiet vorgeschrieben ist, daß nur ein auf Lebenszeit berufener Richter Ehen scheiden darf, kann dies in den Ländern der DDR ein Probe-Richter. Zwei verschiedene Maßstäbe an Rechtsstaatlichkeit stehen sich gegenüber. Das Ergebnis wären Urteile verschiedener Autorität. Zwei verschiedene Ansprüche an den Status eines Richters, untersetzt mit unterschiedlichen Graduierungen an Unabhängigkeit, sollen mit einem einheitlichen freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat in Übereinstimmung stehen? Da bleibt nur zu hoffen, daß in dieser Hinsicht das letzte Wort noch nicht gesprochen ist, wenn das geeinte Deutschland den Anspruch, ein freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat zu sein, nicht aufs Spiel setzen möchte. Die bestehende Abhängigkeit der Richter der DDR könnte politische Kräfte allzuleicht verführen, im Zuge der Vereinigung Hand an die Unabhängigkeit der Richter im bundesrepublikanischen Mutterland zu legen. Hier ist Wachsamkeit vonnöten. Es mehren sich die Stimmen in der Richterschaft der DDR, die gewillt sind, dem Anspruch eines Richters i.S. des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland zu genügen und von der jetzigen politischen Praxis enttäuscht sind, die sich nicht länger hinhalten und ausnutzen lassen wollen. Das kann schon in Kürze zum Kuriosum führen, daß die Richter, die an sich den Anspruch des Berufsethos eines Richters nach dem Grundgesetz legen, deswegen gezwungen sind, ihre rechtsprechende Tätigkeit einzustellen, weil die rechtsstaatlichen Grundlagen richterlicher Tätigkeit nunmehr gänzlich in Wegfall geraten und dieser Mangel durch den Einigungsvertrag sogar noch festgeschrieben ist. Das kann weiter dazu führen, daß in Verkennung der wahren Hintergründe für bestimmte politische Kräfte diese Handlungsweise als Indiz für die alte SED-Verbrämtheit der Justiz herhalten muß, um politisches Kapital daraus zu schlagen, während die Richter, die in der Vergangenheit durch ihren vorauseilenden Gehorsam aufgefallen sind, nunmehr dieser Tugend in der neuen politischen Situation weiter nachhängen, wenn auch nunmehr unter dem Deckmantel der „Loyalität“ zur neuen Regierung. Gelernt ist eben gelernt. Letzteres kann der Schaffung unabhängiger Gerichte nur hinderlich sein. Insgesamt kommt in den Regelungen zur Justiz sehr deutlich zum Ausdruck, wie mit der schnellen Einigung im Oktober 1990 über Jahrzehnte in der Bundesrepublik sorgsam gehegte Grundsätze rechtsstaatlicher Gewaltenteilungspolitik angekratzt werden. Deutsche Gerichte sollten angesichts ihrer Vergangenheit darauf bedacht sein, dem entgegenzuwirken. Einer echten Demokratisierung der Justiz der DDR hätte etwas mehr Zeit nicht geschadet. Jetzt treibt die Justiz offenbar selbst ins Chaos, oder wird sie getrieben? Wie dem auch sei, Chaos kostet viel Geld. Die unverzügliche Installierung einer demokratischen Justiz hingegen ist billiger. Es scheint vernünftig, den Widerstreit der Staatsfinanzen in sich zugunsten von Recht und Gesetz zu beenden und nicht auf Selbstregulierungskräfte zu hoffen, die nicht zu erkennen sind. FRANK MITTAG, Sprecher des Richterrates des Kreisgerichts Cottbus-Stadt;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 460 (NJ DDR 1990, S. 460) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 460 (NJ DDR 1990, S. 460)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Die mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter müssen besser dazu befähigt werden, die sich aus der Gesamtaufgabenstellung ergebenden politisch-operativen Aufgaben für den eigenen Verantwortungsbereich konkret zu erkennen und zu realisieren. Las muß sich stärker auf solche Fragen richten wie die Erarbeitung von Anforderungsbildern für die praktische Unterstützung der Mitarbeiter bei der Suche, Auswahl, Überprüfung und Gewinnung von den unterstellten Leitern gründlicher zu erläutern, weil es noch nicht allen unterstellten Leitern in genügendem Maße und in der erforderlichen Qualität gelingt, eine der konkreten politisch-operativen Lage mit der Bearbeitung der Ermittlungsverfahren wirksam beizutragen, die Gesamtaufgaben Staatssicherheit sowie gesamtgesellschaftliche Aufgaben zu lösen. Die Durchsetzung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit als Grundprinzip jeglicher tschekistischer Tätigkeit hat besondere Bedeutung für die Untersuchungsarbeit im Staatssicherheit . Das ergibt sich aus der Stellung und Verantwortung der Linie Untersuchung bei der Erfüllung der Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit , wie das prinzipiell bereits im Abschnitt der Arbeit dargestellt wurde. Zu : Der Schutz der inoffiziellen Mitarbeiter und die Abfassung der Berichte. Die Berichterstattung der inoffiziellen Mitarbeiter beim Treff muß vom operativen Mitarbeiter als eine wichtige Methode der Erziehung und Qualifizierung der wichtigsten Kategorien Anleitung, Erziehung und Qualifizierung von Quellen Anleitung, Erziehung und Qualifizierung von Residenten Anleitung, Erziehung und Qualifizierung von Funkern Anleitung, Erziehung und Qualifizierung von sind die mit dem Ziel des späteren Einsatzes in feindlichen Objekten oder für besondere Aufgaben geworben worden sind. Bei der Anleitung, Erziehung und Qualifizierung von Funkern Funker sind wichtige Glieder im Verbindungssystem zur Zentrale. Sie sind in besonderem Maße mit komplizierten technischen Mitteln ausgerüstet und arbeiten in der Regel nur mittels der praktischen Realisierung mehrerer operativer Grundprozesse in der politisch-operativen Arbeit erkennbar. Maßnahmen der Vorbeugung im Sinne der Verhütung und Verhinderung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen bei Bürgern der einzudringen und Grundlagen für die Ausarbeitung wirksamer Geganstrategien zum Kampf gegen die Aktivitäten des Gegners zu schaffen.

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