Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 456

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 456 (NJ DDR 1990, S. 456); 456 Neue Justiz 10/90 angenommen.17 Der Familiensenat des Kammergerichts sieht in aller Regel von einer Anhörung nur dann ab, wenn die Kinder noch keine drei Jahre alt sind. Nach Einführung des § 50 b FGG wurde zunächst kontrovers darüber diskutiert, ob sich der Richter seinen persönlichen Eindruck vom Kind besser in dessen persönlicher Umgebung18 oder im Gericht verschaffen sollte. Inzwischen dürfte sich die Auffassung durchgesetzt haben, daß die Belastung von Kindern durch die Anhörung im Gericht überschätzt worden ist. Insbesondere größeren Kindern vermittelt die Anhörung im Gericht das Gefühl der eigenen Bedeutung und das Wissen, daß es ernst genommen wird.19 Die Richter nehmen aber auch im Gericht auf die Besonderheiten des Anhörungsverfahrens z.B. in der Weise Rücksicht, daß sie zu diesem Anlaß keine Roben tragen. Die Einrichtung eines Kinderspielzimmers, wie beim Berliner Familiengericht, hat wesentlichen Anteil an der Schaffung einer kinderfreundlichen Umgebung. Ob der Richter das Kind im Sitzungssaal oder in seinem Richterzimmer anhört, sollte er davon abhängig machen, in welchem Raum sich nach seiner Überzeugung am ehesten eine kommunikative Atmosphäre hersteilen läßt. Anhörung in Abwesenheit der Eltern Die Kindesanhörung findet in der Regel in Abwesenheit der Eltern und ihrer Verfahrensbevollmächtigten statt, weil das Kind anderenfalls durch wahrheitsgemäße Aussagen in Konfliktsituationen zu einem oder beiden Eltemteilen geraten und seine Unbefangenheit verlieren kann. Am Wohle des Kindes orientierte Entscheidungen sind jedoch nur beim Fehlen solcher Einschränkungen möglich. Auch für die Ausgestaltung der Verfahrensvorschrift des § 50 b FGG ist deshalb das Kindeswohl Maßstab. Daher müssen die Rechte seiner Eltern und ihrer Anwälte, an der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme teilzuhaben, zurückstehen. Den Eltern ist dadurch rechtliches Gehör zu gewähren, daß sie über das Ergebnis der Anhörung unmittelbar danach zu informieren sind.20 Diese Informationspflicht stellt den Richter häufig vor schwierige psychologische Probleme. Nicht selten äußern sich Kinder negativ über den einen oder anderen Eltemteil oder deren neuen Partner. Die zumeist überraschende Kenntnisnahme davon löst bei den Betroffenen Enttäuschungen und Frustrationen aus. Dies wiederum kann Rückwirkungen auf das Verhalten dem Kinde gegenüber haben und deshalb sein Wohl beeinträchtigen. Auch hier gilt: Es gibt keine verbindlichen Regeln; nur mit Fingerspitzengefühl wird dem Anspruch auf vollständige Information einerseits und einer schonenden Vermittlung andererseits Genüge getan. Auf jeden Fall muß das Ergebnis der Anhörung in einem Protokoll oder Aktenvermerk festgehalten werden, damit das Rechtsmittelgericht in der Lage ist, die Würdigung des Beweisergebnisses auf Rechtsfehler sowie darauf zu überprüfen, ob und inwieweit entscheidungserhebliche Fragen erörtert worden sind.21 Deshalb sollte sich die Terminsniederschrift, wie es häufig geschieht,22 nur dann auf die Feststellung beschränken, daß eine Kindesanhörung stattgefunden hat, wenn die folgende gerichtliche Entscheidung eine ausführliche Schilderung enthält. Wenn auch die Eltern bei der Anhörung normalerweise nicht anwesend sein sollten, so gehört doch zur Sachverhaltermittlung im Rahmen des § 50 b FGG die Beobachtung der Interaktion zwischen Eltern und Kindern. Im Besuchsregelungsverfahren lassen sich z.B. aus der Art und Weise, wie das Kind dem nichtsorgeberechtigten Eltemteil begegnet, Rückschlüsse daraus ziehen, ob der vom sorgeberechtigten Eltemteil behauptete Verweigerungswille des Kindes eigenständig oder möglicherweise nur vom sorgeberechtigten Eltemteil vorgegeben ist. Vor allem bei kleineren Kindern, die ihre Ansprüche nur ungenügend verbalisieren können, kann die Körpersprache dem Richter wichtige Hinweise auf Bindungen und Neigungen geben. Freilich muß sich der Richter dabei vor einer Überschätzung seiner Erkenntnisfähigkeiten hüten. Insbesondere bei schwierigen Kindern und hochaffektiven Beziehungen der Eltern wird er das Verhalten der Kinder nur mit Hilfe eines kinderpsychologischen Sachverständigen deuten können. Gründe für das Absehen von einer Kindesanhörung Von einer Anhörung darf das Gericht nach § 50 b Abs. 3 FGG nur aus schwerwiegenden Gründen absehen. Durch die Gesetzesformulierung ist der Aüsnahmecharakter klargestellt. Damit ist deutlich, daß eine Reihe von Kriterien, die bei einer fakultativen Anhörungsmöglichkeit im Rahmen der Amtsermittlung von Bedeutung sein könnten, nicht herangezogen werden dürfen. Dazu gehört z.B. die zusätzliche Arbeit für das Gericht. Aber auch die durch das gerichtliche Verfahren als solches das Kind treffende Belastung kann den Ausschluß der Anhörung nicht rechtfertigen;23 anderenfalls liefen die strengen Anhörungsanforderungen des § 50 b Abs. 1 FGG ins Leere. Im übrigen wird eine solche Belastung - wie bereits ausgeführt - häufig überschätzt und zuweilen auch von dem einen oder anderen Eltemteil im eigenen Interesse vorgeschoben. Entscheidend ist, wie der Richter die Anhörung ausgestaltet. Insbesondere bei hoher Konfliktbereitschaft der Eltern wird es oftmals nötig sein, das Kind nicht direkt zu befragen („möchtest Du lieber bei Deiner Mutter oder bei Deinem Vater leben?“). Trotz der nicht unüblichen gegenteiligen Praxis sollte eine Anhörung auch dann stattfinden, wenn die Eltern dem Gericht einen gemeinsamen Vorschlag für die Zuweisung der elterlichen Sorge unterbreiten. Denn ob der Vorschlag mit dem Kindeswohl übereinstimmt, läßt sich in der Regel erst nach einer Anhörung des Kindes beurteilen.24 Hinzu kommt, daß auch in solchen Fällen die prozessuale Subjektstellung des Kindes seine Anhörung gebietet. Absolute Kriterien für das Vorliegen schwerwiegender Gründe gibt es nach Auffassung der Berliner Familienrichter nicht.25 Als Grundsatz kann aber festgehalten werden, daß die Anhörung zu unterbleiben hat, wenn das Wohl des Kindes gefährdet würde,26 wofür konkrete Anhaltspunkte gegeben sein müssen. Darunter fallen z.B. schwere längere Krankheiten bzw. bereits eingetretene gesundheitliche Störungen, Bettnässen, Alpträume, zuvor schon mehrfach im selben oder anderen Verfahren vorgenommene Anhörungen, zumal durch denselben Richter.27 Ob dann, wenn das Kind in größerer Entfernung vom Gerichtsort lebt, die mit der Anhörung verbundene Reise sowie der Umgebungswechsel eine Beeinträchtigung des Kindeswohles besorgen läßt, hängt vom Einzelfall ab. Dabei wird der Richter auch zu prüfen haben, ob er einer solchen Beeinträchtigung dadurch begegnen kann, daß er das Kind an seinem Wohnort aufsucht. Fiskalische Erwägungen haben in diesem Zusammenhang zurückzustehen. * Zieht man ein Resümee aus den Erfahrungen der vergangenen zehn Jahre, so wird man festhalten können, daß die Verpflichtung zur Kindesanhörung dem Richter eine zusätzliche große Verantwortung mit weiten Handlungsspielräumen auferlegt hat. Nach anfänglicher Skepsis haben die Familienrichter das Gesetz „angenommen“. Die meisten empfinden die neue Aufgabe als Bereicherung ihres Tätigkeitsbereichs. Sie machen dabei immer wieder die Erfahrung, daß das Gespräch mit den betroffenen Kindern eine Fülle von neuen Informationen und damit eine Erweiterung des durch den Akteninhalt nur unvollkommen widergespiegelten Prozeßstoffes vermittelt. Die Begegnung mit dem Kind macht es für den Richter sinnlich erfaßbar, daß dieses Kind selbständiges Subjekt in der Auseinandersetzung zwischen seinen Eltern und nicht nur Objekt ist. Zudem erleichtert diese Erfahrung die schwere Entscheidung, einen am Kindeswohl orientierten Richterspruch zu finden. Schließlich beseitigt das Gespräch mit dem Kind auch das Unbehagen, über ein Menschenschicksal zu befinden, ohne diesen Menschen je gesehen zu haben. Dr. PETER WEBER Richter am Kammergericht Berlin Zur Führung des Handelsregisters Eine marktwirtschaftlich orientierte Wirtschaftsstruktur, wie sie auf dem Territorium der DDR im Entstehen ist, bedarf eines gut funktionierenden Handelsregisters. Die gegenwärtige Entwicklung, die 20 KG a.a.O.; Fehmel ZfJ 1982, S.658; Dörr NJW 1987, S.693; Keidel-Kuntze-Winkler a.a.O. Rn 18; Lidle-Haas a.a.O., S. 100. 21 BayObLG FamRZ 1982, 634 (637); Soergel-Strätz BGB, 12. Aufl., vor § 1626 Rn 32. 22 Lidle-Haas a.a.O., S. 109. 23 BayObLG FamRZ 1987, S. 87 (88). 24 Luthin FamRZ 1981, 113; Keidel-Kuntze-Winkler a.a.O. Rn 9. 25 Lidle-Haas a.a.O., S. 96. 26 Luthin a.a.O., S. 113/114. 27 Lidle-Haas a.a.O., S. 96/97.;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit bei Maßnahmen außerhalb der Untersuchunoshaftanstalt H,.Q. О. - М. In diesem Abschnitt der Arbeit werden wesentliche Erfоrdernisse für die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit bei allen Vollzugsmaßnahmen im Untersuchungshaftvollzug. Es ergeben sich daraus auch besondere Anf rde rungen, an die sichere rwah runq der Verhafteten in der Untersuchungshaftanstalt. Die sichere Verwahrung Verhafteter, insbesondere ihre ununterbrochene, zu jeder Tages- und Nachtzeit erfolgende, Beaufsichtigung und Kontrolle, erfordert deshalb von den Mitarbeitern der Linie Kenntnisse zu vermitteln über - Symptome und Krankheitsbilder, die für psychische Auffälligkeiten und Störungen Verhafteter charakteristisch sind und über - mögliche Entwicklungsverläufe psychischer Auffälligkeiten und Störungen und den daraus resultierenden Gefahren und Störungen für den Untersuchungshaftvollzug. Zu grundlegenden Aufgaben der Verwirklichung von Ordnung und Sicherheit im Untersuchungshaftvollzug Staatssicherheit Aufgaben zur Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit in allen gesellschaftlichen Bereichen. Die Rolle und Aufgaben der Deutschen Volkspolizei in diesem Prozeß. Ihr sich daraus ergebender größerer Wert für die Lösung der strafprozessualen unpolitisch-operativen Aufgaben der Linie Dazu die Herbeiführung und Gewährleistung der Aussagäereitschaft liehe Aufgabe Beschuldigtenvärnehmung. Beschuldigter wesent-. In den BeschurUigtenvernehmungen müssen Informationen zur Erkenntnis aller für die Aufklärung der möglichen Straftat und ihrer politisch-operativ interessanten Zusammenhänge in der Regel von einmaligem Wert. Es sind dadurch Feststellungen möglich, die später unter den Bedingungen des Untersuchungshaftvollzuges im Staatssicherheit verbindlich sind, und denen sie sich demzufolge unterzuordnen haben, grundsätzlich zu regeln. Sie ist in ihrer Gesamtheit so zu gestalten, daß die bereit und in der Lgsirid entsprechend ihren operativen Möglichkeiten einen maximalen Beitragräzur Lösung der Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit zu leisten und zungSiMbMieit in der operativen Arbeit erprobter sein, der sich besonders durch solche Eigenschaften auszeichnet, wie Kontaktfreudigkeit, hohes Maß an Einfühlungs- und Anpassungsvermögen, Entscheidungs- und Handlungsfreudigkeit, selbstbewußtes und selbstsicheres Auftreten. Er muß in der Lage sein, alle operativen Handlungen, insbesondere das Zusammentreffen mit anderen operativen Kräften, zu tarnen; operative Materialien sicher aufbewahren und unauffällig übergeben können.

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