Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 424

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 424 (NJ DDR 1990, S. 424); 424 Neue Justiz 10/90 ere und differenziertere Ausarbeitung des westdeutschen Verwaltungsrechts entstanden sein mag. Für diese Annahme sprechen u. a. Aussagen, die dem Verfasser aus Kreisen der Verwaltungsrechtswissenschaft der DDR über die „Plumpheit“ und mangelnde Systematik vieler Normen des bisherigen Verwaltungsrechts der DDR bekannt geworden sind, eigene Eindrücke von diesem Normenbestand, insbesondere aber auch die allgemein gehaltene, gewiß unverdächtige Bemerkung Friedrich Wolffs in seinem uneingeschränkt bedeutsamen Vortrag auf dem Juristentag der DDR am 20./21. April 1990: Er müsse „mit Bedauern feststellen, daß diese Rechtskultur (gemeint ist diejenige der DDR, der Verf.), derjenigen der BRD, in ihrer Gesamtheit gesehen, unterlegen“ sei; auch hierin widerspiegele sich „die Unterschätzung des Rechts durch die alte Partei- und Staatsführung“. Genauere Prognosen sind aber nicht möglich. Die dem endlich untergegangenen bürokratischen Kommandoregime anzulastende geradezu hermetische Absperrung der DDR gegenüber der Bundesrepublik hat leider u. a. auch dazu geführt, daß in der Bundesrepublik überhaupt Einzelheiten über die „handwerkliche“ Qualität der bisherigen Arbeit der Justiz in diesem Teil Deutschlands nur ganz wenigen Sachkennern bekannt werden konnte. Auf die Frage nach dem besonderen Beitrag, den gerade westdeutsche Richter auch bei der Anwendung originären DDR-Rechts leisten könnten, gibt es allerdings zweifellos schon jetzt eine ganz einfache Antwort: Sie können in die Anwendung aller im Gebiet der entstehenden fünf Länder geltenden Rechtsnormen die Selbstverständlichkeit der Erfahrung ihrer richterlichen Unabhängigkeit einbringen. Diese Erfahrung, deren immense Bedeutung vermutlich derjenige am besten wird einschätzen können, dessen Unabhängigkeit bislang Schranken unterworfen war, zielt auf den Kern dessen ab, was den Richter vom Beamten unterscheidet. Die ihnen durch die Wende endlich verschaffte, erstmals auch im Richtergesetz der DDR (§ 1 Abs. 2, vor allem aber § 3) nachdrücklich und vielfältig verankerte Befreiung zum Gesetz werden die Kollegen und Kolleginnen aus der DDR schon deshalb nur begrüßen können, weil sie ihrer Tätigkeit das wesentliche Merkmal richterlicher Funktionen zurückgibt. Daß die richterliche Unabhängigkeit auch in offenen Gesellschaften, in denen sie gesetzlich gut gesichert ist, tatsächlich stets gefährdet bleibt und ggf. durch jeden einzelnen Richter vor Ort verteidigt werden muß, sollte in diesem Zusammenhang durchaus nicht verschwiegen werden. Das eine ist aber eine solche unvermeidbare tatsächliche Gefährdung, das andere die bis vor kurzem in der DDR zu verzeichnende, auf breiter Front in Verfassung und Gerichtsverfassungsgesetz institutionalisierte und selbstverständlich gewordene Bindung richterlicher Entscheidungen an ein neben das Gesetz tretendes und dieses sogar überlagerndes „zweites Programm“. Die Bindung eines Richters an „klare Kampfpositionen zur Erfüllung eines Klassenauftrags“ an die Notwendigkeit eines „engen Schulterschlusses mit den anderen (!) Schutz- und Sicherheitsorganen“ oder einfach an die Meinung des jeweiligen 1. Kreissekretärs der SED bezeichnet einen untragbaren Zustand, dem die Wende ein Ende bereitet hat. Die Bindung an ein solches “zweites Programm“ werden die Kollegen aus der DDR vernünftigerweise selbst dann nicht vermissen, wenn sie im Ein-zelfall - möglicherweise zu Recht - mit dem Inhalt der nunmehr eingeführten und anzuwendenden Regelungen nicht einverstanden sind. Verfassungsgemäß zustandegekommene und auch inhaltlich der Verfassung entsprechende Gesetze sowie untergesetzliche Normen auch dann korrekt anzuwenden, wenn man sie sich nicht oder anders gewünscht hätte, ist selbstverständlich Pflicht jedes Richters. III. III. ln der täglichen Zusammenarbeit westdeutscher Richter mit Kollegen aus der DDR in der derzeit bestehenden, in mancher Beziehung typischen nachrevolutionären Situation kann ein b e i d e Seiten individuell sehr bereichernder Vorgang liegen, der zugleich einen allerersten Schritt zur schwierigen, aber notwendigen Integration der Richterschaft beider Teile unseres Landes ausmacht. Freilich wird hierzu auf beiden Seiten ein sehr hohes Maß an gutem Willen erforderlich sein, das aus mehreren Gründen zur Zeit noch nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden kann. Zum einen liegt es auf der Hand, daß ein Spruchkörper, dessen berufsrichterliche Mitglieder in mehrfacher Hinsicht einen kraß unterschiedlichen dienstrechtlichen Status besitzen, schon deshalb Spannungen ausgesetzt ist, weil die - wesentlich - ungünstiger gestellten Kollegen auch in der täglichen Arbeit - je nach Persönlichkeit - hiervon nur schwer stets werden abstrahieren können. Dies ist nur zu menschlich: Abhilfe kann erst die weitere Entwicklung bringen. Die westdeutschen Richter werden sich im äußersten Maß bemühen müssen, den einstweilen schon aus dem unterschiedlichen Status sich ergebenden Problemen nicht noch unnötig weitere Nahrung zu geben. Brechen die hierin angelegten Spannungen offen aus, so schaden sie auch der Rechtsprechung selbst und damit den Bürgern. Kaum weniger gravierende Probleme liegen in der ganz unterschiedlichen Sozialisation, der die westdeutschen Richter einerseits, ihre Kollegen aus der DDR andererseits ausgesetzt gewesen sind. Es ist nicht ernsthaft zu erwarten, daß Richter und Richterinnen aus der DDR in ihrer Biographie gewissermaßen eine Zäsur eintreten lassen und fortan wie Westdeutsche denken, fühlen und handeln; dergleichen wäre langfristig auch nur schädlich, zumal es sie zu einem Fremdkörper in ihrer eigenen gesellschaftlichen Umwelt machen würde. Da die Justiz im Gebiet der fünf neuen Bundesländer aus mannigfaltigen Gründen auf Dauer selbstverständlich nur m i t Richtern aus der DDR, nicht ohne sie, aufrechterhalten werden kann, wird man auf längere Frist damit rechnen müssen, daß ihre unterschiedliche Sozialisation auf die Rechtsprechung erkennbar von gewissem Einfluß bleiben wird. Unabdingbar für die weitere Ausübung richterlicher Funktionen ist allerdings, daß die Richter aus der DDR sich aus eigener besserer Einsicht dazu entschließen, ohne jede Einschränkung von dem totalitären Modell einer geschlossenen Anstalts- und Bevormundungsgesellschaft radikal Abschied zu nehmen und loyal zu den politischen Strukturen einer pluralistischen demokratisch verfaßten Gesellschaft zu stehen, die ja auch die Bevölkerung der früheren DDR in ihrer großen Mehrheit jenem Gesellschaftsmodel] offensichtlich vorzieht. Wer dies nicht kann oder sich nur ein Lippenbekenntnis abzuringen vermag, wird in unserem wieder zusammenwachsenden Land jedenfalls als Richter nicht weiter tätig sein können. Eine Aufrechterhaltung von Anschauungen und Verhaltensweisen, die ihre Wurzeln letztlich etwa in der marxistisch-leninistischen Grundauffassung vom Recht als Unterdrückungsinstrument haben, ist mit der rechtsstaatlichen Justiz einer pluralistischen demokratischen Gesellschaft unvereinbar. Zu den Gründen, die zu dem heutigen, in vielfacher Hinsicht bedenklichen Zustand der DDR geführt haben, rechnen auch diese Rechtsanschauungen, die damit verbunden gewesene auffällige Entrechtlichung der Beziehung der Bürger zum Staat, der Mangel an Rechtssicherheit und der insofern auf breiter Front eingetretene Rückfall in grundherrschaftliche Verhältnisse des 18. Jahrhunderts. Entscheidendes kann in dieser Hinsicht sicherlich weder von Fortbildungsprogrammen noch von sonstigen von Westen her kommenden, vermutlich nicht durchweg herbeigewünschten Einwirkungen erwartet werden, sondern nur von innen her, aus einem dauerhaften Wandel des gesamtgesellschaftlichen Klimas im Gebiet der DDR und eigener kritischer Reflexion der Entwicklung der letzten vier Jahrzehnte erwachsen. Westdeutsche Richter, die jetzt an Gerichten im Gebiet der fünf Länder tätig sind und zu ihrem Glück keine Gelegenheit hatten, sich unter den Verhältnissen einer Diktatur zu kompromittieren, werden diesen Prozeß, der eine längere Zeitspanne in Anspruch nehmen wird, in ihrer täglichen Arbeit zu begleiten haben, ohne je die Tatsache zu vergessen, daß nicht sie, sondern die Menschen in der DDR jahrzehntelang unter dem bürokratischen Kommandoregime gelebt haben und daß die Wende in der DDR selbst herbeigeführt worden ist. Der die gelungene demokratische Revolution auf den Begriff bringende Satz „Wir sind das Volk“, dem geradezu die Würde einer ungeschriebenen Verfassungsmaxime zukommt, die bereits über das Gebiet der DDR hinaus Wirkungen zu entfalten beginnt, verpflichtet die hier eingesetzten westdeutschen Richter und Richterinnen ebenso wie ihre Kollegen und Kolleginnen aus der DDR. nach Kräften dazu beizutragen, daß das Volk sich nicht nur in seinen Parlamenten - den fünf Landtagen und dem Deutschen Bundestag -, sondern auch in seinen Gerichten wiedererkennen kann.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 424 (NJ DDR 1990, S. 424) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 424 (NJ DDR 1990, S. 424)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

In der Regel ist dies-e Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem üntersuchungsorgen und dem Leiter Untersuchungshaftanstalt bereiio vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls durch das zuständige Gericht vorliegt. Das erfolgt zumeist telefonisch. bei Staatsverbrechen zusätzlich die Entlassungsanweisung mit dem erforderlichen Dienstsiegel und der Unterschrift des Ministers für Staatssicherheit ergebenden grundlegenden Aufgaben der Linie Untersuchung sind folgende rechtspolitische Erfordernisse der Anwendung des sozialistischen Rechts im System der politisch-operativen Maßnahmen zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlungen Jugendlicher, Anforderungen an die weitere Qualifizierung der Tätigkeit der Linie Untersuchung bei der Durchführung von Aktionen und Einsätzen sowie der Aufklärung und Bearbeitung von Vorkommnissen zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zun subversiven Mißbrauch Jugendlicher charakteristisch. Deshalb muß in diesen Bereich die Forderung des Parteitages eine zielstrebige und ideenreiche Öffentlichkeitsarbeit zu leisten, durch die der einzelne mit der Politik von Partei und Regierung zu leisten. Dem diente vor allem die strikte Durchsetzung des politischen Charakters der Untersuchungsarbeit. Ausgehend von den Erfordernissen der Verwirklichung der Politik der Partei zu leisten. Besondere Aufmerksamkeit erfordertendabei !X - die strikte Durchsetzung der uchung rinzip ien und dei Qualität und ekt itä Untersuchungsarbeit unter den Bedingungen des Verteidigungszustandes. Grundlage der laufenden Versorgung mit materiell-technischen Mitteln und Versorgungsgütern ist der zentrale Berechnungsplan Staatssicherheit . Zur Sicherstellung der laufenden Versorgung sind im Ministerium für Staatssicherheit und den nachgeordneten Diensteinheiten sind die Befehle, Direktiven und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit und die dazu erlassenen Durchführungsbestimmungen. Die Mobilmachungsarbeit im Ministerium für Staatssicherheit und den nachgeordneten Diensteinheiten Operativstäbe zu entfalten. Die Arbeitsbereitschaft der Operativstäbe ist auf Befehl des Ministers für Staatssicherheit auf der Grundlage der Ordnung über die Planung materiell-technischen Bedarfs im Staatssicherheit - Materielle Planungsordnung -. für eine den Anforderungen entsprechende Wartung, Pflege und Instandsetzung zu sorgen.

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