Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 422

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 422 (NJ DDR 1990, S. 422); 422 Neue Justiz 10/90 organisiert wurde. Die Differenzierung und Ausweitung der Strafbarkeit auf Meinungsäußerungen, die Sicherung des „Nachrichtenmonopols“ (S. 419) und die Verhinderung von Öffentlichkeit der Diskussion7 erhielten offensichtlich einen neuen Stellenwert (S. 120 ff.) und leiteten ein verändertes Repressionskonzept ein, das durch ein Abgehen von exemplarischen Schauprozessen und die Vorverlagerung administrativ-kontrollierender als auch strafrechtlicher Zwangsmittel gekennzeichnet war. Man ging dazu über, die Kontrolle über die verschiedenen „relevanten“ Einzelkonfiikte zu erlangen. Diese Tendenz wurde in den 70er und 80er Jahren bestimmend. Mit dem StEG von 1958 werden, wie Schüller aufzeigt, die gesetzgeberischen Konsequenzen aus der inzwischen relativ unübersichtlichen Auslegung von bis dahin geltenden Bestimmungen gezogen, wobei zugleich die entwickelte Differenzierung des politischen Strafrechts, wie sie nach 1953 einsetzte und insbesondere die Unterscheidung von Staatsverbrechen und anderen „Angriffen“ auf die politische Organisation betraf, festgeschrieben wurde. Diese Differenzierung zeigt Schüller in der Veränderung von Anwendungsbereichen des politischen Strafrechts. Während Staatsverbrechen in den Hintergrund treten, erhält die Anwendung des Strafrechts in anderen Bereichen, wie „Republikflucht“, Staatsverleumdung, sog. Widerstandsdelikte, mehr Bedeutung, und es werden die Möglichkeiten polizeilicher Kontrolle ausgeweitet (S. 218). Auch wird die Funktionsbegründung des Strafrechts spezifiziert und hinsichtlich der politischen Delikte mit Repression begründet, während gegenüber der nicht politischen Kriminalität der Erziehungsgedanke stärkere Betonung findet (S. 226). Diese Umorientierung der mit dem politischen Strafrecht organisierten Repression auf politisch motivierte oder in politischen Zusammenhängen wirkende Individualkonflikte, die für sich nicht den Bestand des Systems gefährden konnten, jedoch als Indiz für seine eigentliche Schwäche angesehen wurden, kommt in der Folgezeit zum Tragen. Zu einer differenzierten Interpretation des politischen Strafrechts Die von Schüller unternommenen Interpretationen im Teil II des Buches, soweit sie sich auf die Funktion des politischen Strafrechts zur Sicherung der gegebenen Machtverhältnisse beziehen, sind differenziert und finden auch aus heutiger Sicht ihre Bestätigung. Wenngleich die gesamte Darstellung durch objektive Analyse Schüllers geprägt ist, wird doch auf Vereinfachungen zurückgegriffen, wie sie mit der Gleichsetzung von Kommunismus und den real existierenden Machtstrukturen durch Schüller anzutreffen sind (S.422), der offenbar meint, daß die stalinistischen Machthaber „von der fiktiven Theorie“ des Kommunismus ausgegangen sind (S. 243). Diese Vereinfachung ist auch deshalb aufzuheben, da sie das Verständnis der Funktion des politischen Strafrechts bei der Machtsicherung gegen innere Widersprüche wenigstens seit dem Tode Stalins verbaut: Gerade die, die von kommunistischen Vorstellungen ausgehend Kritik am politischen System übten, und die, die - ohne sich dabei ausdrücklich auf den Kommunismus zu berufen - Grund- und Menschenrechte anmahnten, gerieten in den Aktionsbereich der staatlichen Repression. Es ist sicher notwendig, Idee und Bewegung des Sozialismus einerseits und stalinistische Machtpraktiken andererseits - die gewiß die Lebenswirklichkeit spürbar prägten, sie jedoch nicht ausschließlich zu erklären vermögen - voneinander zu unterscheiden, um den Gesamtvorgang des politischen Strafrechts in der DDR zu erfassen. Wenn ein Opfer stalinistischer Schauprozesse, Georg Hermann Hodos, darauf aufmerksam macht, daß Stalinismus nicht notwendige Folge von Leninismus ist8, so sei bei der Entwicklung der bolschewistischen Revolution auf die Tatsache verwiesen, daß diese Alternativen als wirkliche Tendenzen in Gestalt von Menschen und ihrem Verhalten existierten. Die Vorstellungen vom „realen Sozialismus“ als einem reinen Gegensatz von Stalinisten (mit dem politischen Strafrecht zu ihrer Machtsicherung) und den Nicht-Stalinisten (die unter anderem Opfer dieses Strafrechts waren) ist ein Klischee. Es ist erforderlich, von einer differenzierten Gesellschaft auszugehen, deren „Teilbereiche“ für die Erklärung des Strafrechts von unterschiedlicher Bedeutung sind. Und so steht eine genauere Erforschung sehr verschiedener Einflüsse auf die Entwicklung des Strafrechts noch aus. Das spricht nicht gegen den von Schüller erzählten Zugang über die Grundlinie der Erklärung des politischen Strafrechts in der DDR, sondern soll lediglich auf notwendige Weiterungen verweisen. Eine Untersuchung des Verhältnisses von Kriminalwissenschaft und Kriminalpolitik könnte hier Differenzierungen erbringen, ohne dabei in ein anderes Extrem zu verfallen und die Verantwortung der Kriminalwissenschaftler zu leugnen. Darstellung verfahrensrechtlicher Fragen und der Rolle der Strafrechtswissenschaft Mit der Darstellung verfahrensrechtlicher Fragen rundet Schüller das Bild zur Wirkung des politischen Strafrechts ab und erklärt, wie durch Einschränkung von Prozeßrechten für die Beschuldigten und Angeklagten und die Gewährung von einseitigen Befugnissen für Untersuchungsorgan, Staatsanwaltschaft und Gericht weitgehend nach politischer Maßgabe operiert wurde (S. 280 ff.). An verschiedenen Stellen, besonders jedoch im Teil II des Buches, wirft Schüller interessante Fragen für die weitere Beschäftigung mit dem Thema politisches Strafrecht und seine historische Aufarbeitung auf; so beispielsweise nach dem Charakter des Verfassungsartikels 6 (S. 247), den Schüller nicht als Straftatbestand bezeichnen will, da er keine Strafandrohung enthielt. Zunächst überrascht Schüller den Leser mit dieser kategorischen Feststellung auch deshalb etwas, weil bis zu diesem Zeitpunkt der Eindruck entsteht, als sei dieser Verfassungsartikel - bei aller Besonderheit - wie ein Strafgesetz zu betrachten, auch wenn bereits eingangs auf die Problematik aufmerksam gemacht wird (S. 36). Die aufgeworfene Fragestellung jedoch ist theoretisch wie auch praktisch gerade zum gegenwärtigen Zeitpunkt von größtem Interesse, geht es doch um die Unterscheidung von Recht und Unrecht und die Schlußfolgerungen daraus, für die Rehabilitierung Verfolgter als auch die Verantwortung der Justiz. Aus der Fülle der dargestellten Probleme sei noch auf die von Schüller gelegentlich im Zusammenhang mit der Auslegung und Begründung des Strafrechts erwähnte Rolle der Strafrechtswissenschaft verwiesen. Schüller stellt - von dem gewählten Zugang aus konsequent - Zusammenhänge zwischen Positionen und Diskussionen der Wissenschaft und den praktisch zu beobachtenden Vorgängen her, so zur Rolle vom Objekt des Verbrechens, zum materiellen Straftatbegriff, zur Schuld- und Persönlichkeitsbewertung im Strafrecht und zur Begründung von Straffunktionen.9 Sichtbar wird hier, daß diese Zusammenhänge bestehen und von einer Nichtbeteiligung der Strafrechtswissenschaft, wie das heute von einigen Vertretern versucht wird darzustellen, nicht die Rede sein kann. Schüller deutet zugleich auch an, daß hier durchaus Widersprüche zwischen wissenschaftlichen und Praxispositionen bestanden haben, ohne bei Lage der Quellen zum Zeitpunkt der Erarbeitung des Buches umfassende Einsichten gewinnen zu können. Es wird noch aufzuarbeiten sein, in welcher Weise die Strafrechtswissenschaft der ehemaligen DDR - und für ihre verschiedenen Vertreter in unterschiedlichem Maße - für sich eine kritische und selbstbewußte Position in Anspruch nehmen kann. Wie nicht nur durch die Veröffentlichung von Prozeßmaterialien bekannt10, hat es solche Positionen gegeben. * Schüllers Buch ist für das Verständnis und die weitere Beschäftigung mit dem „politischen Strafrecht der DDR“ unverzichtbar, und es wäre zu wünschen, daß es erneut verlegt wird. Es hilft eine Lücke schließen, die in der DDR-rechtsgeschichtlichen Betrachtung in den vergangenen vierzig Jahren entstanden ist. 7 Vgl. J. Lekschas, a.a.O. 8 G.H. Hodos, a.a.O., S. 247. 9 Vgl. dazu die bei Schüller im Namensregister zu den Vertretern der DDR-Straf-rechtswissenschaft angegebenen Stellen. 10 Vgl. der Prozeß gegen Walter Janka und andere, a.a.O., S. 121.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 422 (NJ DDR 1990, S. 422) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 422 (NJ DDR 1990, S. 422)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

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