Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 420

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 420 (NJ DDR 1990, S. 420); 420 Neue Justiz 10/90 Geschichte und Struktur des politischen Strafrechts der DDR bis 1968 Bemerkungen über das dazu 1980 erschienene Buch von Wolfgang Schüller* Dr. UWE EWALD, Institut für Rechtswissenschaft der Akademie der Wissenschaften der DDR Wolfgang Schüller, Historiker an der Universität Konstanz, stellt seinem 487seitigen Buch zwei Verse voran, die - bedenkt man, daß das Buch 1980 verlegt wurde - aus heutiger Sicht prophetisch anmuten und die brennende Aktualität des Themas und Unausweichlichkeit seiner Bewältigung als nunmehr Teil deutscher Strafrechtsgeschichte verdeutlichen: „Versinke in Schmutz Umarme den Schlächter, aber Ändere die Welt: sie braucht es!“ Bert Brecht, Die Maßnahme „Das wird für ferne Zeiten der Schandfleck unseres Jahrhunderts bleiben, und keinen wird man achten können, dem Herz und Auge fehlten für das, was dort geschah.“ Emst Jünger, Der Friede Auseinandersetzung mit politischem Strafrecht der DDR - Teil der Vergangenheitsbewältigung Jahrzehntelang war das Thema „politisches Strafrecht“ für die öffentliche Auseinandersetzung in der DDR tabu, wurde es unterdrückt und verdrängt, bis 1989 auch im Innern nicht länger zu verschweigen war, daß ein autoritär-bürokratisches System einen repressiven Mechanismus zur Machterhaltung einer Clique ganz im Gegensatz zu den verkündeten Parolen von Sozialismus und Volksherrschaft installiert hatte. Es war nicht länger zu verschweigen, weil die Mittel des Strafrechts und andere Gewaltmittel des Staates nicht mehr taugten, die Unzufriedenheit des Volkes im Zaume zu halten, und weil öffentlich ausgesprochen wurde, was inzwischen nur noch übersehen konnte, wem „Herz und Auge fehlten, für das, was dort geschah.“ Dennoch gehörten - von Ausnahmen abgesehen - weder die Juristen noch die Rechtswissenschaftler der DDR (incl. Strafrechtswissenschaftler, auch der Verfasser dieses Beitrags) zu denen, die zu irgendeinem Zeitpunkt spürbaren Widerstand in einer Form geleistet haben, die geeignet gewesen wäre, das Wesen dieser Vorgänge zu beschreiben und von daher die Instrumentalisierung des Strafrechts zur Niederhaltung demokratischer Regungen bloßzustellen. Freilich, es gab den „Widerstand“ im Kleinen, Versuche, gegen dieses oder jenes Unrecht im einzelnen etwas zu unternehmen; auch theoretische Modelle für ein Strafrecht des „modernen Sozialismus“, also für die „Zeit danach“, waren anzudenken - aber die Geschichte hat ihr Wort gesprochen und die Zuspätgekom-menen wurden und werden durch das Leben „bestraft“. Mit dem Leben oder gar dem Volk zu hadern, nur weil es einen wegen der eigenen Schwäche nicht mehr beachtet, und sich nun anderem zuzuwenden, ist nicht nur selbstgerecht, sondern unehrlich und unmoralisch, weil es das eigene Versagen verdrängt. Die zaghaften Anfänge der Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit1 und die Vorgänge um die Rehabilitierung mit dem politischen Strafrecht Verfolgter zeigen im übrigen, daß die Strafrechtswissenschaft der ehemaligen DDR erst am Beginn eines Erkenntnisprozesses steht, der - da es immer auch um Selbsterkenntnis geht -schmerzhaft ist; es wird unter anderem auch deutlich, wie schwer es ist, die eigene Verstrickung in das Vergangene zu bewältigen. In dieser Situation der Neubesinnung von Strafjuristen, die nur in der Dreieinigkeit von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft geschehen kann, ist die Darstellung von Wolfgang Schüller* 1 2 unverzichtbare Quelle der bislang fehlenden Aufarbeitung eigener Vergangenheit und Verantwortung. Im Vergleich zu manch anderen Darstellungen3, in denen es offenbar von vornherein um den einseitigen Nachweis der Verderbtheit des Strafrechts der DDR in Bausch und Bogen geht und die - um dieses Ziel nicht zu verfehlen - mit unzulässigen Vereinfachungen und fehlerhaften Darstellungen operieren, ist bei Schüller ein wohltuendes Bemühen um objektiv-analytische Darstellung festzustellen. Schüller arbeitet den historischen Zeitraum der DDR-Straf-rechtsentwicklung auf dem Gebiet des politischen Strafrechts bis 1968 bei gegebener Quellenlage bemerkenswert gründlich und umfassend auf. Die Darlegungen sind informativ und zugleich für eine wissenschaftliche Beschäftigung durch die Vielzahl von Problemstellungen und Erklärungsansätzen produktiv, wenngleich in ihrer Gliederung etwas unübersichtlich. Schüllers Buch ist in Teile, Abschnitte, Kapitel, große Buchstaben, römische Zahlen, arabische Zahlen und kleine Buchstaben gegliedert, wobei die Untergliederung in den verschiedenen Abschnitten nicht dieser im ersten Kapitel eingeführten Systematik entspricht. Hinzu kommt, daß innerhalb eines Gliederungspunktes mitunter verschiedene Themen behandelt werden, was die Verständlichkeit der ansonsten sehr inhaltsreichen Darstellung zum Teil erschwert. Normative Grundlage, Auslegung und Anwendung politischen Strafrechts Das selbst formulierte Ziel der Untersuchung bezieht sich auf die Darstellung von normativer Grundlage, Auslegung und Anwendung des politischen Strafrechts (S. 1) und die Beschreibung von Zusammenhängen zwischen diesen Ebenen. Dabei wird methodisch „induktiv“ (S. 2) verfahren, ein Vorgehen, das die unvoreingenommene Darstellung der relevanten Tatsachen ermöglicht, zugleich jedoch gewisse Probleme bei einer stringenten Erklärung der empirisch dargestellten Zusammenhänge zur Folge hat. Schüller stellt - unter Auswertung umfangreicher Quellen - so wie im Titel vermerkt „Geschichte und Struktur des politischen Strafrechts der DDR bis 1968“ sowohl für das materielle Strafrecht als auch das Prozeßrecht dar. Er beginnt mit einer Definition des politischen Strafrechts der DDR: „Als politisches Strafrecht bezeichnen wir diejenigen Vorschriften, welche Taten mit Strafe bedrohten, in denen das DDR-Regime eine Gefährdung seiner Existenz erblickte.“ (S. 7) Hier liegt gewiß bereits ein Problem, da die Spezifik von Verhaltensweisen, die Schüller nachfolgend als Objekte strafrechtlicher Repression darstellt, nämlich innere Kritik am System und die Teilfunktion des Strafrechts, diese niederzuhalten, nicht mit dem sehr heterogenen Gesamtbereich von Taten identisch ist, „in denen das DDR-Regime eine Gefährdung seiner Existenz erblickte“. Ohne Einbeziehung dieser Gesamtstruktur bleibt aber auch die Erklärung von Teilbereichen begrenzt. Unbestritten ist wohl, daß es unbeschadet der offenen Fragen den Versuch auch strafrechtlicher Vergangenheitsbewältigung in Bezug auf die Zeit des Faschismus in Deutschland gab. Ebenso richtig dürfte sein, daß tatsächliche Angriffe auf die entstehenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der DDR existierten, die von Einfluß auf die Entwicklung des politischen Strafrechts waren. Allerdings: Erst umfangreiche historische Untersuchungen des * Wolfgang Schüller, Geschichte und Struktur des politischen Strafrechts der DDR bis 1968, Ebelsbach a. M., 1980. Alle Seitenangaben ohne nähere Bezeichnung beziehen sich auf dieses Buch. 1 Vgl. G. Haney, „Volkssouveränität und Strafgewalt“, Staat und Recht 1990, Heft 3, S. 179 ff.; H. Weber, „Aufdeckung ,weißer Flecken’ in der Strafrechtsentwicklung und Strafrechtsreform“, NJ 1990, Heft 5, S. 185 ff.; L. Reuter, „Das Strafrecht im Emeuerungsprozeß der Gesellschaft“, NJ 1990, Heft 5, S. 188 ff.; W. Müller, „Gesetzliches Unrecht und Übergesetzliches Recht“, NJ 1990, Heft 6, S. 233 ff. 2 Gemeinsam mit dem Buch von Karl Wilhelm Fricke, Politik und Justiz in der DDR - Zur Geschichte der politischen Verfolgung 1945-1968. Bericht und Dokumentation (2. Aufl., Köln 1990) ist Schüllers Darstellung als Beginn einer komplexen Aufarbeitung zum politischen Strafrecht der DDR anzusehen. 3 Vgl. H. Lilie, „Deutsches Strafrecht? Über die Unvereinbarkeit der Strafrechtsnormen in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR“, Neue Zeitschrift für Strafrecht (München/Frankfurt a. M.) 1990, Heft 4, S. 153 ff.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 420 (NJ DDR 1990, S. 420) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 420 (NJ DDR 1990, S. 420)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Der Vollzug der Untersuchungshaft hat den Aufgaben des Strafverfahrens zu dienen und zu gewährleisten, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht dem Strafverfahren entziehen kann und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlungen begehen können, Gleichzeitig haben die Diensteinheiten der Linie als politisch-operative Diensteinheiten ihren spezifischen Beitrag im Prozeß der Arbeit Staatssicherheit zur vorbeugenden Verhinderung, zielgerichteten Aufdeckung und Bekämpfung subversiver Angriffe des Gegners zu leisten. Aus diesen grundsätzlichen Aufgabenstellungen ergeben sich hohe Anforderungen an die taktische Gestaltung der komplexen Verdachtshinweisprüfung und der einzelnen strafprozessualen Prüfungshandlungen zu stellen. Die Taktik ist dabei nicht schlechthin auf das Ziel der Begründung des Verdachts einer Straftat kommen und unter Berücksichtigung aller politisch, politisch-operativ und straf rechtlich relevanten Umstände wird die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens angestrebt. Es wird im Ergebnis der Verdachtshinweisprüfung zur. Begründung des Verdachts einer Straftat kommen, aber unter Berücksichtigung aller politisch, politischoperativ und strafrecht lieh relevanten Umstände soll von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens könnte unter Berücksichtigung der anstehenden Novellierung der Straf Prozeßordnung der Beginn des zweiten Abschnitts des dritten Kapitels folgende gesetzestechnische Ausgestaltung erhalten: Zweiter Abschnitt Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens könnte unter Berücksichtigung der anstehenden Novellierung der Straf Prozeßordnung der Beginn des zweiten Abschnitts des dritten Kapitels folgende gesetzestechnische Ausgestaltung erhalten: Zweiter Abschnitt Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens könnte unter Berücksichtigung der anstehenden Novellierung der Straf Prozeßordnung der Beginn des zweiten Abschnitts des dritten Kapitels folgende gesetzestechnische Ausgestaltung erhalten: Zweiter Abschnitt Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens könnte unter Berücksichtigung der anstehenden Novellierung der Straf Prozeßordnung der Beginn des zweiten Abschnitts des dritten Kapitels folgende gesetzestechnische Ausgestaltung erhalten: Zweiter Abschnitt Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach durchgeführten Prüfungshandlungen ist in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit eine in mehrfacher Hinsicht politisch und politisch-operativ wirkungsvolle Abschlußentscheidung des strafprozessualen Prüfungsverfahrens.

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