Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 418

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 418 (NJ DDR 1990, S. 418); 418 Neue Justiz 9/90 Es ist nicht das Anliegen dieser Anmerkung, die gesamte Judikatur zur Anwendung des § 121 StPO darzulegen. Einige Erläuterungen sollen genügen. Die Begriffe „Schwierigkeit“ und „Umfang der Ermittlungen “ betreffen u.a. die Zahl der in einer Strafsache beteiligten Beschuldigten, Zeugen und Sachverständigen, die Anreisezeit im Ausland befindlicher Zeugen, die Schwierigkeit bei der Abfassung eines Gutachtens. Das Prozeßverhalten des Beschuldigten wird in der Literatur in unterschiedlich weitreichendem Umfang als eine besondere Schwierigkeit bei der Ermittlung betrachtet, z.B. wenn der Beschuldigte von seinem Recht Gebrauch macht, nicht zur Sache auszusagen (§136 Abs.l StPO). Überwiegend werden zutreffend strenge Maßstäbe angelegt. So wird z.B. gefordert, ggf. den Urteilsstoff zu begrenzen, Haftsachen abzutrennen oder Richter aus anderen Rechtsprechungsbereichen in Haftsachen einzusetzen.6 7 Als wichtige Gründe werden von einigen Gerichten die mangelhafte Besetzung der Strafkammer, die Erkrankung des Beschuldigten und seines Verteidigers, des Vorsitzenden, des in einer umfangreichen Strafsache allein eingearbeiteten Staatsanwalts, von Zeugen und Sachverständigen anerkannt. Die StPO-Kommentare nennen einander widersprechende Gerichtsentscheidungen. Hervorstechende Merkmale sind jedoch immer wieder die strengen Anforderungen, wonach wichtige Gründe i.S. des § 121 StPO nur dann anerkannt werden, wenn Staatsanwaltschaft und/oder Gericht keine Möglichkeit hatten, Abhilfe zu schaffen, d.h. die Verzögerung zu vermeiden.1 Eine „Überlastung“ des Gerichts oder des Staatsanwalts wurde in mehreren Entscheidungen als „wichtiger Grund“ nicht anerkannt.8 Gleiches gilt für eine längere Untätigkeit des Gerichts, z.B. bei Aussetzung der Hauptverhandlung9 sowie auch für eine fehlerhafte Rechtsanwendung, die das Verfahren verzögert,10 11 und andere fehlerhafte Arbeitsweisen, z.B. die Bestellung nur eines Dolmetschers bei umfangreichen Übersetzungen, wodurch sich das Verfahren verzögert.11 Bereits 1973 hatte H.-J. Bartsch kritisch angemerkt, daß ein Richtermangel nicht zu Lasten des (inhaftierten) Beschuldigten gehen darf.'2 ln ihrer Dissertationsschrift hat I. Roxin theoretisch begründet, daß die vom Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen betonte „Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege“13 eine Verpflichtung des Staates enthält, nicht jedoch eine Rechtfertigung dafür, die Rechte des Beschuldigten zu beeinträchtigen. „Mängel in dieser Hinsicht fallen in seine (des Staates - d. Verf.) Sphäre und sind ihm zuzurechnen“,14 Die Entscheidung des OLG Koblenz ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, da sie mit aller Deutlichkeit die Feststellung bekräftigt, daß eine längere Untätigkeit der Ermittlungsbehörden nicht zu den akzeptablen wichtigen Gründen gehört, die eine Fortdauer der Untersuchungshaft über die gesetzliche Höchstfrist hinaus rechtfertigen - auch nicht bei einem Mordverdächtigen. Das OLG Koblenz zieht damit die Konsequenz aus der herben Kritik an der nachlässigen Arbeitsweise der zuständigen Staatsanwaltschaft (die vom Generalstaatsanwalt des Landes geteilt wird). Der Sachverhalt war anklagereif aufgeklärt, eine verzögerte Anklageerhebung also nicht gerechtfertigt. Das OLG hob nach einem Jahr Untersuchungshaft den Haftbefehl auf. Ein erneuter Haftbefehl war damit unzulässig. Zur Klarstellung sei allerdings auf § 121 Abs. 3 StPO verwiesen, wonach mit Beginn der Hauptverhandlung der Fristenlauf bis zur Urteilsverkündung ruht. Erst mit der Aussetzung der Hauptverhandlung (nicht einer Unterbrechung nach §229 StPO) wird er wieder in Gang gesetzt. Weiterhin bleibt das Gericht befugt, einen in der Hauptverhandlung ausgebliebenen Angeklagten vorführen zu lassen oder einen Haftbefehl zu erlassen (§230 StPO). Für die Zeit nach der Verkündung des Urteils bis zu seiner Rechtskraft hat das Gesetz eine Prüfungsbefugnis des Oberlandesgerichts verneint. In dieser Zeit verbleibt es bei den allgemeinen Grundsätzen der Verfahrensbeschleunigung und Haftprüfung. Der in § 121 StPO zum Ausdruck gebrachte Rechtssatz findet auch im Verwaltungsrechtsverfahren Anwendung. So vertritt das OVG Hamburg in seinem Beschluß vom 5.9.1989 den Standpunkt, daß Arbeitsüberlastung einer Behörde (personelle und sachliche Ausstattung sowie sonstige Arbeitsbedingungen) nicht als zureichender Grund für ein länger als drei Monate andauerndes Widerspruchsverfahren, also für die Nichtbescheidung eines Widerspruchs, ist.15 Die in dieser Anmerkung berührte Problematik hat - wie ersichtlich - auch einen direkten Bezug zu dem in Art. 6 MRK des Europa-rates16 enthaltenen Grundsatz, wonach jedermann Anspruch darauf hat, daß seine Sache „innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird“. Überlange Verfahren und die sich daraus ergebenden Konsequenzen waren mehrfach Gegenstand höchstgerichtlicher Entscheidungen sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg.17 So betonte der erste Strafsenat des BGH in seinem Beschluß vom 6. 9. 1988, daß ein besonderer Strafmilderungsgrund besteht, wenn das Verfahren nicht in angemessener Frist durchgeführt wird.18 Zur Diskussion steht auch die Frage, ob grobe Verfahrensverzögerungen ein Prozeßhindernis darstellen, das zur Verfahrenseinstellung führt. Eine solche Konsequenz wird überwiegend heute noch verneint.19 Unübersehbar ist jedoch, daß sich der allgemeine Rechtsgrundsatz, wonach Mängel staatlicher Tätigkeit sich nicht zuungunsten des Betroffenen auswirken dürfen, immer mehr durchsetzt.20 Prof. Dr. sc. Horst Luther, Sektion Rechtswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin 6 Vgl. bereits W. Peukert, „Die überlange Verfahrensdauer (Art. 6 Abs. 1 EMRK) in der Rechtsprechung der Straßburger Instanzen“, Europäische Grundrechte Zeitschrift - EuGRZ (Kehl am Rhein) 1979, Heft 11, S.261 ff. (273). 7 Vgl. C. Roxin, a.a.O., S. 204. 8 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschluß vom 22.6. 1989, Strafverteidiger 1990, Heft 4, S. 168, sowie die in Fn 5 genannten Beschlüsse der. OLG München und Hamburg. 9 Vgl. OLG Frankfurt a.M., Fn 4. 10 Vgl. OLG Hamm (Fn 4), Fehlerhafte Unzuständigkeitserklärung des Jugendgerichts nach Eröffnung des Hauptverfahrens nach § 47a JGG. 11 Vgl. OLG Zweibrücken, Fn 4. 12 Vgl. H.-J. Bartsch, „Richtermangel und Dauer der Untersuchungshaft", NJW 1973, Heft 30, S. 1303. 13 Vgl. I. Roxin, Die Rechtsfolgen schwerwiegender Rechtsstaatsverstöße in der Strafrechtspflege, München 1988; Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE 33, 367; 38, 312; 51, 324; 53, 152. 14 1. Roxin, a.a.O., S. 175; vgl. auch U. Schroth, „Strafrechtliche und strafprozessuale Konsequenzen aus der Überlänge von Strafverfahren“, NJW 1990, Heft 1, S. 29. 15 Vgl. OVG Hamburg, Beschluß vom 1.9. 1989, NJW 1990, Heft 21, S. 1379. 16 Vgl. auch Art. 14 Abs. 3 c der UNO-Konvention über zivile und politische Rechte vom 19.12. 1966. 17 Vgl. T. Vogler, „Straf- und strafverfahrensrechtliche Fragen in der Spruchpraxis der Europäischen Kommission und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrecht“, Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft - ZStW (Berlin ■ [West]/New York) 1977, Heft 3, S. 761; A. Bleckmann, „Die Beschwerde in Strafsachen vor der Europäischen Menschenrechtskommission in Straßburg“, Juristische Arbeitsblätter - JA (Frankfurt a.M.) 1984, Heft 12, S. 705. 18 Vgl. BGH, Beschluß vom 6.9. 1988, NJW 1990, Heft 1, S.56. 19 Vgl. Erläuterte Entscheidung: U. Brauns, BVerfG Beschluß vom 24.11. 1983 (Vorprüfungsausschuß), JA 1984, Heft 12, S. 759; vgl. insbes. I. Roxin, a.a.O., 5. 268: „In den Extremfällen, in denen die unnötigen Verfahrensverzögerungen bereits den Strafrahmen der abzuurteilenden Tat ausgeschöpft haben, ist das Verfahren wegen Vorliegens eines Verfahrenshindemisses einzustellen“. 20 Vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluß vom 30.3. 1990, Strafverteidiger 1990, Heft 7, S. 310 f. Berichtigung In NJ 1990, Heft 6, S.254, muß es im Bericht über die Experten-Tagung an der Evangelischen Akademie Loccum zur Rechtsangleichung nach Nennung des Arbeitskreises Allgemeines und besonderes Verwaltungsrecht, insbesondere Kommunalrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit, richtig heißen: (Leitung: Prof. Dr. Heiko Faber, Universität Hannover). Die Autoren bedauern dieses Versehen und bitten um Entschuldigung. In NJ 1990, Heft 8, S. 348, muß es in dem Beitrag „Zur Rechtswirksamkeit von Verwaltungsakten“ von U. T h i e ß in der vorletzten Zeile der linken Spalte richtig heißen: „ gegenüber dem Adressaten In der Übersicht auf der rechten Spalte fehlt in der letzten Zeile, Mitte, das Wort „Vollziehbarkeit“.;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Die Erarbeitung von Ersthinweisen im Rahmen der Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Die Aufklärung unbekannter Schleusungs-wege und Grenzübertrittsorte, . Der zielgerichtete Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen. Die Aufdeckung und Überprüfung operativ bedeutsamer Kontakte von Bürgern zu Personen oder Einrichtungen nichtsozialistischer Staaten und Westberlins, insbesondere die differenzierte Überprüfung und Kontrolle der Rückverbindungen durch den Einsatz der GMS. :, Ausgehend davon, daß; die überwiegende Mehrzahl der mit Delikten des unge- !i setzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels. Die vom Feind angewandten Mittel und Methoden. Die Zielgruppen des Feindes. Das Ziel der Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens und des staatsfeindlichen Menschenhandels angefallenen Bürger intensive Kontakte und ein großer Teil Verbindungen zu Personen unterhielten, die ausgeschleust und ausgewiesen wurden legal in das nichtsozialistische Ausland bestünden. Diese Haltungen führten bei einer Reihe der untersuchten Bürger mit zur spätereri Herausbildung und Verfestigung einer feindlich-negativen Einstellung zu den verfassungsmäßigen Grundlagen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der angegriffen werden bzw, gegen sie aufgewiegelt wird. Diese ind konkret, detailliert und unverwechselbar zu bezeichnen und zum Gegenstand dee Beweisführungsprozesses zu machen. Im Zusammenhang mit der Entstehung, Bewegung und Lösung von sozialen Widersprüchen in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft auftretende sozial-negative Wirkungen führen nicht automatisch zu gesellschaftlichen Konflikten, zur Entstehung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Die empirischen Untersuchungen im Rahmen der Forschungsarbeit bestätigen, daß im Zusammenhang mit dem gezielten subversiven Hineinwirken des imperialistischen Herrschaftssystems der und Westberlins in die bei der Erzeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen. Ausgehend von- der Analyse der grundlegenden Ziele der Strategie des Imperialismus ist das Aufklärer, der konkreten strategischen und taktischen Pläne, Absichten und Maßnahmen zum Mißbrauch des Transitverkehrs zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung auf und an den Transitwegen sowie zur sicheren und vertragsgerechten Abwicklung des Transitverkehrs.

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