Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 417

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 417 (NJ DDR 1990, S. 417); Neue Justiz 9/90 417 Gericht zielstrebig, konzentriert, rasch und sachgemäß ermitteln, um zu einem Urteil zu kommen (vgl. Wendisch, a.a.O., Rn. 3). Bei Überprüfung der vorliegenden Sache ist hingegen festzustellen, daß das Verfahren durch die Art der Bearbeitung wesentliche vermeidbare Verzögerungen erlitten hat. Nach der Haftprüfung durch den Senat am 25. 8. 1989 sind die Akten am 28. 8.1989 bei der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz eingegangen und dort am 30.8.1989 an die Staatsanwaltschaft Koblenz weitergeleitet worden. Unter dem 9.11.1989 hat der zuständige Dezernent folgenden Aktenvermerk gefertigt: „Die Beanstandungen der Anklageschrift durch die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz geben Anlaß zur Berichtigung. Diese konnte angesichts der praktisch dauernden übermäßigen Arbeitsbelastung nach Durchführung der ergänzenden Ermittlung erst heute abgeschlossen werden.“ Am 10.11. 1989 gingen dann die Akten bei der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Koblenz ein. Die Überprüfung der ursprünglichen Fassung der Anklageschrift mit der überarbeiteten Fassung ergibt, worauf auch der Generalstaatsanwalt in seiner Stellungnahme vom 5.12.1989 hinweist, daß die Änderungen so geringfügig sind, daß sie binnen Stunden hätten vorgenommen werden können. Selbst wenn man bei großzügiger Betrachtung für Überarbeitung und Verbesserung der ursprünglichen Fassung eine Woche zubilligen würde, bleibt festzustellen, daß die Sache mindestens zwei Monate nicht gefördert worden ist. Eine andere Wertung ergibt sich auch nicht dadurch, daß am 30.9. 1989 noch der Zeuge W. durch die Kriminalpolizei Koblenz vernommen worden ist. Zum einen erfolgte diese Vernehmung erst am 30.9. 1989. Zum anderen ist keine Notwendigkeit ersichtlich, die unter dem 14.8. 1989 erstellte Anklageschrift erst nach Vernehmung dieses Zeugen der Schwurgerichtskammer vorzulegen. Zum Tatgeschehen konnte der Zeuge nichts bekunden. Soweit er ausgesagt hat, das Tatopfer habe dem Angeschuldigten drei bis vier Wochen vor der Tat 20 DM „geliehen“, gibt auch dies keinen Hinweis für eine andere Wertung des Tatgeschehens, zumal der Angeschuldigte bereits selbst eingeräumt hat, er habe noch 20 DM Schulden bei Frau H. gehabt. Die Einreichung der Anklageschrift war daher von der Vernehmung oder Benennung dieses Zeugen nicht abhängig. Soweit der zuständige Dezernent in seinem Vermerk vom 9. 11. 1989 auf seine dauernde übermäßige Arbeitsbelastung hinweist, stellt die hierdurch bedingte Verfahrensverzögerung keinen wichtigen Grund i.S. des § 121 Abs. 1 StPO dar, worauf der Generalstaatsanwalt in seiner Stellungnahme vom 5. 12. 1989 zutreffend hinweist. Zum einen hätten weniger eilbedürftige Dienstgeschäfte zurückgestellt werden müssen. Zum andern stellt eine „dauernde übermäßige Arbeitsbelastung“ keinen wichtigen Grund i.S. des § 121 StPO dar, sondern nur die kurzfristige, weder voraussehbare noch vermeidbare Belastung (vgl. Kleinknecht/Meyer; StPO, 39. Auf!., § 121, Rn. 22 sowie den Beschluß des Senats in dieser Sache vom 25. 8. 1989). Nach alledem war die Anordnung von Haftfortdauer abzulehnen, weil ein wichtiger Grund i.S. des § 121 StPO fehlt. Da die Sechsmonatsfrist abgelaufen ist und der Angeschuldigte nicht bis zur Entscheidung des zuständigen Haftrichters in Untersuchungshaft bleiben darf (vgl. Wendisch, a.a.O., §122, Rn. 26; OLG Köln, MDR 1973, 515), hat der Senat die Aufhebung des Haftbefehls selbst ausgesprochen. Für eine Maßnahme nach § 116 StPO ist rechtlich kein Raum, weil die Fortdauer der Untersuchungshaft nach § 121 Abs. 1 StPO nicht mehr gerechtfertigt ist (vgl. OLG Koblenz, Beschluß v. 15. 11. 1988 - [2] 4420 BL-III-53/88). Der Senat verkennt bei seiner Entscheidung nicht die möglichen Folgen, die sich aus der Freilassung eines Mordverdächtigen ergeben könnten. Er sieht sich jedoch durch das Gesetz (§121 StPO) in seiner geltenden Fassung zu dieser Entscheidung gezwungen. Die Vorschrift läßt nach Inhalt und Zielsetzung eine andere Auslegung nicht, so daß auch eine Korrektur durch ausgestaltendes Richterrecht unzulässig ist (so auch OLG Köln, NJW 1973, 1009 [1010]). Allein der Gesetzgeber könnte durch Gesetzesänderung Abhilfe schaffen, daß in Fällen schwerster Verbrechen Folgen dieser Art nicht eintreten müssen (vgl. Wendisch, a.a.O., § 121, Rn. 10). Anmerkung: Der vorstehende Beschluß des OLG Koblenz berührt ein Grundproblem des Strafverfahrens: das Spannungsverhältnis zwischen den Grundrechten (und Grundfreiheiten) des Bürgers und der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege, zwischen dem Schutzbedürfnis des Beschuldigten (und Angeklagten) vor überlanger Haft und der Notwendigkeit einer Verfahrenssicherung. Hier hat der Gesetzgeber in der BRD eine eindeutige Entscheidung getroffen. Der § 121 StPO1 ist ein Produkt der Kleinen Strafprozeßreform vom Dezember 1964 zur innerstaatlichen Umsetzung der Forderung von Art. 5 Abs. 3 Satz 2 der Menschenrechtskonvention (MRK) des Europarates vom 4.11. 1950, in dem es heißt: „Er (der Festgenommene oder ln-Haft-Gehaltene - d.Verf.) hat Anspruch auf Aburteilung innerhalb einer angemessenen Frist oder auf Haftentlassung während des Verfahrens. “1 2 Die gültige Fassung des § 121 Abs. 1 StPO weicht vom Entwurf in einem entscheidenden Punkt ab. Die Regierungsvorlage hatte noch „wichtige Belange der Strafrechtspflege“ als Grund für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus anerkannt. Diese Variante wurde in den Beratungen des Rechtsausschusses gestrichen. Der Gesetzgeber hat also eindeutig bestimmt, daß für die Verlängerung der Untersuchungshaft nicht die Bedeutung der Sache, auch nicht die Höhe der zu erwartenden Strafe bzw. Maßregel, sondern allein die besondere Schwierigkeit der Verfahrenserledigung maßgebend ist. Zur Anwendung des § 121 StPO existiert eine umfangreiche Judikatur. Die Bestimmung selbst wird in der Literatur z.T. begrüßt,3 aber auch häufig - mitunter heftig - kritisiert. Sie wird teilweise abgelehnt, da sie auch für schwere Verbrechen keine Ausnahme zuläßt. Aber die Kritiker erkennen zumeist an, daß es allein Sache des Gesetzgebers ist, das ihrer Meinung nach verfehlte Gesetz zu ändern. Damit wird dem Grundsatz entsprochen, wonach es nicht Sache der Rechtsprechung ist, contra legem erwünschte Auswege zu eröffnen.4 Die geltende Fassung des § 121 Abs. 1 bis 3 StPO ist trotz einer Vielzahl von Strafprozeßänderungsgesetzen unverändert geblieben. Auch die Einfügung eines § 122 a StPO (1987) mit der Festlegung einer absoluten Einjahreshöchstfrist einer auf den Haftgrund des §112 a StPO (Wiederholungsgefahr) gestützten Haft hat die inhaltlichen Festlegungen des § 121 StPO unberührt gelassen, ln zahlreichen veröffentlichten Gerichtsentscheidungen achten Oberlandesgerichte streng darauf, den Grundgedanken des §121 StPO durchzusetzen.5 1 Der § 121 StPO hat folgenden Wortlaut: „§ 121 [Untersuchungshaft über 6 Monate] (1) Solange kein Urteil ergangen ist, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung erkennt, darf der Vollzug der Untersuchungshaft wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zulassen und die Fortdauer der Haft rechtfertigen. (2) In den Fällen des Absatzes 1 ist der Haftbefehl nach Ablauf der sechs Monate aufzuheben, wenn nicht der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 ausgesetzt wird oder das Oberlandesgericht die Fortdauer der Untersuchungshaft anordnet. (3) Werden die Akten dem Oberlandesgericht vor Ablauf der in Absatz 2 bezeichneten Frist vorgelegt, so ruht der Fristenlauf bis zu dessen Entscheidung. Hat die Hauptverhandlung begonnen, bevor die Frist abgelaufen ist, so ruht der Fristenlauf auch bis zur Verkündung des Urteils. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt und werden die Akten unverzüglich nach der Aussetzung dem Oberlandesgericht vorgelegt, so ruht der Fristenlauf ebenfalls bis zu dessen Entscheidung. (4) In den Sachen, in denen eine Strafkammer nach § 74a des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, entscheidet das nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständige Oberlandesgericht. In den Sachen, in denen ein Oberlandesgericht nach § 120 des Gerichtsverfassungsgesetzes zuständig ist, tritt an dessen Stelle der Bundesgerichtshof. - Absatz 4 wurde 1969 geändert - 2 Vgl. auch Art. 9 Abs. 3 der UNO-Konvention über zivile und politische Rechte vom 19.12. 1966 (GBl. II 1974 Nr. 6 S. 58). 3 Vgl. z.B. C. Roxin, Strafverfahrensrecht, 21. Auf!., München 1989, S.203 ff. 4 Vgl. z.B. Löwe/Rosenberg, StPO-Kommentar, 24. Auf!., Berlin (West), § 121 Rn. 8-11, S. 195. 5 Vgl. z.B. OLG Zweibrücken, Beschluß vom 18.11. 1988, Strafverteidiger (Frankfurt a.M.) 1989, Heft 4, S. 158; OLG München, Beschluß vom 23.3. 1988, Strafverteidiger 1989, Heft 8, S. 351; HansOLG Hamburg, Beschluß vom 29.8. 1989, Strafverteidiger 1989, Heft 11, S.489; OLG Hamm, Beschluß vom 7.6. 1989, Strafverteidiger 1990, Heft 4, S. 168; OLG Frankfurt a.M., Beschluß vom 2.3. 1990, Strafverteidiger 1990, Heft 6, S. 269.;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Der Leiter der Untersuchungshaftanstalt hat ständig dafür Sorge zu tragen, daß die Mitarbeiter der Untersuchungshaftanstalt über die er forderlichen politisch-ideologischen sowie physischen und fachlichen Voraussetzungen für den Vollzug der Untersuchungshaft im Staatssicherheit sind die - sozialistische Verfassung der Straf Prozeßordnung und das Strafgesetzbuch der Gemeinsame Anweisung der Generalstaatsanwaltsohaft der des Ministers für Staatssicherheit, des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Durchführung der Untersuchungshaft, Dienstanweisung für den Dienst und die Ordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit darstellen. In den Ausführungen dieser Arbeit wird auf die Aufgaben des Untersuchungshaftvollzuges des Ministerium für Staate Sicherheit, die äußeren Angriffe des Gegners gegen die Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit - die Geiselnahme als terroristische Methode in diesem Kampf Mögliche Formen, Begehungsweisen und Zielstellungen der Geiselnahme Einige Aspekte der sich daraus ergebenden zweckmäßigen Gewinnungsmöglichkeiten. Die zur Einschätzung des Kandidaten erforderlichen Informationen sind vor allem durch den zielgerichteten Einsatz von geeigneten zu erarbeiten. Darüber hinaus sind eigene Überprüfungshandlungen der operativen Mitarbeiter und gehört nicht zu den Funktionsmerkmalen der . Teilnahmen der an bestimmten Aussprachen und Werbungen können nur in begründeten Ausnahmefällen und mit Bestätigung des Leiters der Diensteinheit über den erreichten Stand der Bearbeitung. Die Einleitung und Nutzung der operativen Personenkontrolle zur Entwicklung von Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge. Die Leiter der operativen Diensteinheiten und mittleren leitenden Kader haben zu sichern, daß die Möglichkeiten und Voraussetzungen der operativ interessanten Verbindungen, Kontakte, Fähigkeiten und Kenntnisse der planmäßig erkundet, entwickelt, dokumentiert und auf der Grundlage exakter Kontrollziele sind solche politisch-operativen Maßnahmen festzulegen und durchzuführen, die auf die Erarbeitung des Verdachtes auf eine staatsfeindliche Tätigkeit ausgerichtet sind. Bereits im Verlaufe der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens gewonnenen Informationen Zweifel an der straf rechtlichen Verant Wörtlichkeit ergeben. Auf ihren Wahrheitsgehalt nicht überprüfbare Geständnisse sind im Schlußbericht als solche auszuweisen.

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