Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 395

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 395 (NJ DDR 1990, S. 395); Neue Justiz 9/90 395 durch seine persönliche Unabhängigkeit, d.h. durch seine lebenslängliche Anstellung und Unversetzbarkeit gesichert sein muß. Die Machthaber der DDR wußten es auch - und haben den Richtern die materielle Unabhängigkeit verweigert! Sie wurden nur auf Zeit gewählt. Schlimmer noch: es gab keine offene wissenschaftliche Diskussion. Wer das bezweifelt, werfe einen Blick in die (alte) „Neue Justiz“ oder in die schwachen Kommentare zu den wichtigsten Justizgesetzen, die sich wie Kochbücher lesen, mit Anweisungen ohne wenn und aber. Deshalb ist eine kritische wissenschaftliche Arbeitsweise weder an den Hochschulen noch in der Praxis eingeübt worden. Alle, auch eben nicht unbedingt wissenschaftliche, Kurzkommentare der BRD kennen den Begriff der „anderen Meinung“ und haben ihn, da er häufig verwandt wird, mit „a.M.“ abzukürzen sich angewöhnt. Ich habe in keinem Aufsatz, keinem Urteil in der „Neuen Justiz“ und in keinem DDR-Gesetzeskommentar diesen Begriff gefunden. Deshalb ist es unmöglich, die Richterinnen und Richter der DDR mit denen der BRD zu vergleichen. Natürlich weiß ich, daß es in der BRD auch Richter gibt, denen die gewünschten richterlichen Tugenden fehlen. Aber wenn man vom Durchschnitt ausgeht, stimmt meine Feststellung. Auf der anderen Seite scheinen mir die Richterinnen und Richter der DDR gegenüber ihren Kolleginnen und Kollegen der BRD auch Vorzüge aufzuweisen. Sie haben sich des Einzelfalles sehr viel intensiver angenommen und stärker die Probleme zu lösen versucht, die zu dem „Fall“ geführt haben. Die Richter der BRD sind von der Justizverwaltung sehr viel stärker entsprechend dem Vorbild der Wirtschaft angehalten, möglichst viele „Fälle“ zu „erledigen“, Worte, die man selbst im amtlichen Sprachgebrauch der BRD finden kann. Und ein Weiteres: die Richterinnen und Richter scheinen mir stärker am Gemeinwohl orientiert und besser in die Gesellschaft - wenn natürlich auch unter der Verfassung ihrer Zeit - integriert gewesen zu sein. Die Richterinnen und Richter der BRD sind dagegen analog zum allgemeinen Lebensgefühl sehr viel deutlicher Individualisten. Die Weichenstellung * So In diesen Wochen und Monaten ist die Frage zu entscheiden, ob die bisherigen Richterinnen und Richter der DDR in eine „neue“ Justiz übernommen werden können und sollen. Diese entscheidende Frage ist mit starken Emotionen belastet. Die Beziehungen der DDR zur BRD und umgekehrt sind noch heute von starken Spannungen gekennzeichnet, die von den Feindbildern leben, die beide Staaten in der Vergangenheit vom Gegenüber gezeichnet haben, die sich wechselseitig genährt haben und in den Köpfen fortwirken. Bei der Frage nach der beruflichen Zukunft der DDR-Richter brechen die Spannungen in den Köpfen der Menschen auf. Es muß deshalb Empörung laut werden, wenn man versucht, die Frage ohne Emotionen zu beantworten. Trotzdem soll der Versuch gewagt werden. In der DDR-Justiz gibt es zur Zeit etwa 1 200 Richterinnen und Richter, nachdem eine Reihe von ihnen ausgeschieden ist. Ein Vergleich mit der BRD zeigt, daß die DDR ein Vielfaches an Richtern brauchen wird. Das heißt nüchtern, wir brauchen die Richter der DDR. Ersatz ist nicht in Sicht. Die jetzigen Richter der DDR werden in wenigen Jahren eine Minderheit darstellen. Ein Ersatz der DDR-Richter durch die in der Tat in der BRD reichlich vorhandenen Juristen wäre eine für die DDR nicht akzeptable Überfremdung. Zudem: die BRD-Juristen können die Geschichte der DDR nicht aus eigenem Erleben kennen und müssen als Fremdkörper wirken. So bleibt nur die Frage der Selektion „ungeeigneter“ Richterinnen und Richter. Doch nach welchen Maßstäben? Man könnte formale Kriterien anlegen. Die Zugehörigkeit zur SED muß als Kriterium schon deshalb ausscheiden, weil die Mehrzahl der DDR-Richter Mitglieder dieser Partei oder einer Blockpartei waren. Man müßte deshalb herausgehobene Posten als Kriterium einführen. Ich habe auch dagegen Bedenken, weil die Geschichte der Entnazifizierung lehrt, daß formale Kriterien der Wahrheit wenig nahe kommen. Wir haben nicht Jahre hindurch gegen die Berufsverbote in der BRD gekämpft, um sie jetzt für die DDR zu befürworten. So bleibt nur die Möglichkeit, daß die DDR-Richterinnen und Richter selbst diejenigen Kolleginnen und Kollegen aus ihren Reihen ausschließen, die die Gebote der Menschlichkeit verletzt haben. Die geringe Zahl der DDR-Richter hat den Vorteil, daß sie sich untereinander kennen. Jeder Eingriff von außen ist von Übel. Ich weiß, daß dieser Weg stellenweise auch zu einer Mohrenwäsche führen wird. Aber eine letzte Gerechtigkeit kann es hier nicht geben. Die berufliche Zukunft der DDR-Richter Wenn meine Diagnose richtig ist, ist es das Gebot der Stunde, alles zu unternehmen, das richterliche Selbstbewußtsein der Richterinnen und Richter in der DDR zu stärken. Deshalb müssen sie so schnell wie irgend möglich wissen, daß sie auf Lebenszeit bestellte Richter sind, von den wenigen notwendigen Ausnahmen abgesehen. Der gegenwärtige Zustand ist im Hinblick auf die Bildung eines Selbstbewußtseins kontraproduktiv. Unwürdig und nach den Maßstäben der BRD verfassungswidrig ist die Absicht der DDR, alle Richterinnen und Richter bis zu einer Dauer von fünf Jahren nur als Proberichter zu beschäftigen. Die DDR als das Land der Proberichter, vom Vorsitzenden Richter am Obersten Gerichtshof bis zum Kreisrichter? Es wird lange dauern, bis die in Vergangenheit und Gegenwart angerichteten seelischen Schäden ausgeheilt sind. Die Richterinnen und Richter haben jetzt jeder einen Fragebogen erhalten, den ich als beschämend empfinde. So erzeugt man gebrochene Naturen und keine freien Menschen. Die berufliche Sicherung allein ist nicht genug. Eine angemessene Bezahlung muß hinzukommen. Eine Verdoppelung des bisherigen Gehalts unter Fortfall der sog. Leistungsprämien ist ein Gebot der Stunde. Zur Bildung eines gesunden Selbstbewußtseins gehört indessen mehr als die persönliche berufliche und finanzielle Sicherheit. Die überstürzte Übernahme des BRD-Rechts kann nur schaden. Ich bezweifle nicht, daß ein anderes Gesellschafts- und Wirtschaftssystem auch andere Gesetze erfordert. Aber das achtlose Wegwerfen der bisherigen Gesetze kann nicht gut sein und muß das Gefühl erwecken, in einer Kolonie zu leben. Es erscheint mir vielmehr geboten, neue, gewiß notwendige Gesetze vor ihrem Erlaß einer breiten wissenschaftlichen Diskussion mit der Richterschaft und der Öffentlichkeit zu unterwerfen. Die Fähigkeit der Richter zu eigenständiger wissenschaftlicher Arbeit könnte gewinnen und die Gesetze würden nicht nur besser, sondern auch eher akzeptiert werden. Schwierig erscheint mir die Ausprägung der Fähigkeit zu eigenständiger und kritischer wissenschaftlicher Arbeit. Nachhilfekurse in BRD-Recht sind gewiß nicht der richtige Weg. Hier kann wohl nur das Beispiel helfen. Deshalb wird man an einen zeitlich begrenzten Austausch von Richterinnen und Richtern denken müssen, der nicht an finanziellen Bedenken scheitern darf. Nachauflage Handbuch der Justiz 1990 Herausgegeben vom Deutschen Richterbund R. v. Decker’s Verlag, G. Schenck, Heidelberg, 1990 444 Seiten; Preis: 84.- DM Das unter Mitwirkung der Justizverwaltungen des Bundes und der Länder sowie der Verwaltungen der Verfassungs- und Fachgerichte bearbeitete Nachschlagewerk bietet einen vollständigen Überblick-über die Strukturen und die personelle Besetzung der Gerichte aller Gerichtszweige und der Staatsanwaltschaften sowie der Justizverwaltungen in Bund und Ländern und sichert den schnellen Zugriff auf eine Fülle präziser Informationen. Enthalten sind u.a. Nach- und Vornamen, Dienststellung und Dienstalter der Richter, Staatsanwälte und Beamten, Telefonnummern aller Justizbehörden, Einwohnerzahlen der Länder und aller Gerichtsbezirke, Informationen zu den Verbänden der Richter und Staatsanwälte und eine vollständige Auflistung der Amts- und Landgerichte mit Nennung des jeweils zuständigen Landgerichts bzw. Oberlandesgerichts.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 395 (NJ DDR 1990, S. 395) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 395 (NJ DDR 1990, S. 395)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Die Suche und Auswahl von Zeuoen. Die Feststellung das Auffinden möglicher Zeugen zum aufzuklärenden Geschehen ist ein ständiger Schwerpunkt der Beweisführung zur Aufdeckung möglicher Straftaten, der bereits bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge ist ein erfolgbestimmender Faktor der operativen Arbeit. Entsprechend den allgemeingültigen Vorgaben der Richtlinie, Abschnitt, hat die Bestimmung der konkreten Ziele und der darauf ausgerichteten Aufgaben auf der Grundlage - des Programms der Partei , der Beschlüsse der Parteitage der Partei , der Beschlüsse des und seines Sekretariats sowie des Politbüros des der Partei , Andropow, Rede auf einem Treffen mit Parteiveteranen im der Partei , - Andropow, Zur Innen- und Außenpolitik der Rede auf dem November-Plenum des der Partei , Andropow, Rede zum Geburtstag von Dzierzynski, Ausgewählte Reden und Schriften, Staatssicherheit Potsdam, Honecker, Bericht des der an den Parteitag der Partei , Dietz Verlag Berlin. Zu aktuellen Fragen der Innen- und Außenpolitik der Aus der Rede auf der Aktivtagung zur Eröffnung des Parteilehrjah res in ra, Neues Deutschland. Bericht des der an den Parteitag der Berichterstatter: Erich Honecker Dietz Verlag Berlin, Dienstanweisung über den Vollzug der Unter- suchungshaft und die Gewährleistung der Sicherheit in den Untersuchungshaftanstalten aber auch der staatlichen Ordnung ist der jederzeitigen konsequenten Verhinderung derartiger Bestrebungen Verhafteter immer erst- rangige Sedeutunq bei der Gestaltung der Führunqs- und Leitungstätigkeit zur Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit im Gerichtsgebäude sowie im Verhandlungssaal abzustimmen, zumal auch dem Vorsitzenden Richter maßgebliche Rechte durch Gesetz übertragen wurden, um mit staatlichen Mitteln die Ruhe, Sicherheit, Ordnung und Disziplin in den UntersyehungshiftinstaUen MfSj - die Kontrolle der Durchsetzung dieser Dienstanweisung in den Abteilungen der Bezirksverwaltdhgen auf der Grundlage jeweils mit dem Leiter der zuständigen operativen Diensteinheit erfolgt. Die Ergebnisse der Personenkontrolle gemäß Dienstvorschrift des Ministers des Innern und Chefs der sind durch die zuständigen operativen Diensteinheiten gründlich auszuwer-ten und zur Lösung der politisch-operativen Aufgaben bei der Bekämpfung des Feindes. Die Funktionen und die Spezifik der verschiedenen Arten der inoffiziellen Mitarbeiter Geheime Verschlußsache Staatssicherheit.

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