Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 392

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 392 (NJ DDR 1990, S. 392); 392 Neue Justiz 9/90 „Streitbare Juristen“ - Gedanken zu einem Band über aufrechte Juristen des 19. und 20. Jahrhunderts Rechtsanwalt Dr. FRIEDRICH WOLFF, Berlin Der Kopf steht dem DDR-Juristen heute nicht nach Versenkung in die Vorvergangenheit. Die scheinbare Geborgenheit ist weitgehend der Perspektivlosigkeit gewichen. Von allen Seiten hallt es: „Kreuziget sie“. Nur unter den Rechtsanwälten blicken einige in Erwartung kommender Prozeßfluten und anschwellenden Beratungsbedarfs hoffnungsfroh in die Zukunft. Juristischer Lesehunger wird mit Gesellschafts-, Steuer-, Wettbewerbsrecht und dem BGB gestillt. Das reicht für Jahre. Schade. Streitbare Juristen sind immer vonnöten, nicht im Sinne von Prozeßhanseln, sondern als Streiter für gerechtes Recht, für Humanität, für „Sozialismus“. Man wagt es gar nicht mehr, das Wort auch nur aufzuschreiben oder auszusprechen - wenn man nicht Pfarrer ist. Freiheit oder Sozialismus schließt Freiheit, an Sozialismus zu glauben, nicht aus - nur sagen darf man es nicht - nicht in der DDR. Wieder nicht - noch nicht? Man ist sonst ein Unbelehrbarer, der nicht verwendungsfähig ist. Ist das die Freiheit, die sich streitbare Juristen ersehnten? Erschienen ist die Sammlung von 41 biographischen Skizzen nichtstaatskonformer Juristen 1988 bei der Nomos Verlagsgesellschaft (Hrsg.: Kritische Justiz). Ich habe sie zweimal gelesen - vor dem Herbst 1989 und danach. Mein Interesse davor war genauso zeittypisch wie das danach. Als Rechtsanwalt lag mir am Herzen, die Geringschätzung der Rechtsanwälte durch die damals Mächtigen, aber auch durch die nichtanwaltlichen Juristenkollegen mit Hilfe der Rechtsgeschichte abzubauen. Ich wollte zeigen, wie über 150 Jahre Rechtsanwälte an der Seite der Verfolgten, Demokraten, Sozialisten und Kommunisten gestanden haben. Eine Tradition sollte uns helfen, uns in der Gegenwart zu behaupten. Das war der Blickwinkel, unter dem ich das Buch 1989 las. Andere taten es aus der gleichen Richtung. Alle Juristen fühlten sich desavouiert - die einen mehr, die anderen weniger. Einige mag auch ein glücklicher Mangel an Sensibilität vor solchen Minderwertigkeitskomplexen bewahrt haben. Meine Notizen vom August 1989 erinnern mich daran, was mir damals wichtig erschien. Notiert hatte ich mir z.B. aus der Biografie des Julius Hermann von Kirchmann (1802-1884) das Zitat Jacobys: „Das ist das Unglück der Könige, daß sie die Wahrheit nicht hören wollen.“ (S. 53) -Interessant war für mich damals auch, daß die Charakterisierung eines Staates als „vormundschaftlich“ nicht erstmalig 1989 von Henrich für die DDR, sondern schon 1830 von E. Gans für den preußischen „Reform-Beamtenstaat“ (S. 47) geprägt worden war. Stoff zum Nachdenken damals und heute. Welch eine Tradition! Bemerkenswert erschien mir damals auch die Zahl der Autoren, die sich für einen derartigen Sammelband zur Verfügung stellten, auch ihre spezifische juristische Tätigkeit. Ich zählte 27 Wissenschaftler -davon 19 Professoren -, 4 Richter am OLG, nur 3 Rechtsanwälte, unter den 6 anderen kein Staatsanwalt, aber ein Pastor, ein Theologiestudent und zwei Staatsdiener. - Wer, so merkte ich mir vor, hätte sich wohl in der sozialistischen DDR bereitgefunden, für das „fortschrittliche Erbe“ derartige Beiträge zu liefern? Wer hätte den Bereitwilligen so viel (und so gutes) Papier zur Verfügung gestellt, und welcher Verlag (der ehemalige Staatsverlag?) hätte ein solches Werk mit 500 Seiten und einer vermutlich kleinen Auflage für 28,50 M veröffentlicht? Beeindruckend schon damals die Vielzahl der Vergessenen oder fast Vergessenen, der mir Unbekannten. Von mehr als der Hälfte hatte ich nicht einmal die Namen gehört. Wie wenig dankbar waren wir doch unseren Vorfahren. Wie wenig achteten wir ihre Erfahrungen. Wie vorschnell verwarfen wir ihre Erkennmisse. Wie eng war unser Horizont. Relativ bedeutungslos erschien mir damals wie heute, daß viele, die erwähnenswert gewesen wären, nicht erwähnt worden sind. Sicher wird sich noch ein Jubiläum finden lassen, das Anlaß gibt, das Versäumte nachzuholen. Nachtragend und rechthaberisch nahmen wir Persönlichkeiten wie Max Alsberg, Karl Korsch, Hugo Sinzheimer, Adolf Arndt, Wolfgang Abendroth über ihren Tod hinaus kaum oder gar nicht zur Kenntnis. Dabei hätte uns z.B. gerade Abendroth soviel zu sagen gehabt. Seine von Dieter Sterzei zitierte Maxime, „nicht von der Arbeiterbewegung sondern für sie zu leben“ (S.476), hätte uns ebenso nützlich sein können wie sein Wort, daß „der politische Kampf auch eine Sache der Moral“ ist und deshalb „eine Gegenmoral gegen die herrschen- de Gesellschaft“ verlangt (S. 476), aktuelle Bedeutung für streitbare Juristen der Gegenwart besitzt. Mancher inhaltliche Aspekt erschien vor der Zeitenwende von aktueller Bedeutung, während er jetzt bereits zum Selbstverständlichen gehört, das nur noch historische Aufmerksamkeit erregt. So die Bemerkung von Werner Holtfort: „Arndt war einer der viel zu wenigen sozialdemokratischen Rechtspolitiker wie Gustav Radbruch, Hermann Heller und Fritz Bauer, dem es wenigstens vorübergehend gelang, der deutschen Sozialdemokratie den Eigenwert des Rechts deutlich zu machen, der es wenigstens zu Lebzeiten vermochte, jede vulgär-marxistische Geringschätzung des Rechts aufzuheben, der verdeutlichte, wie mühsam man um der Gerechtigkeit willen nach politischen Lösungen suchen muß, die über den Tag hinaus gültig sind“ (S. 459). Die „vulgär-marxistische Geringschätzung des Rechtes“, wie bitter nötig hatten wir es damals, diese Selbsterkenntnis zu begreifen. -In die gleiche Richtung zielt das von Hans-Emst Böttcher in seiner Biografie über Richard Schmid (1899-1986) wiedergegebene Wort von Heinrich Böll: „Ich halte also das Recht für eine, fast für die wichtigste Errungenschaft der menschlichen Kultur, so wie es sich entwickelt hat aus der Zeit der absoluten Rechtlosigkeit“ (S. 489). Beachtlich erschienen mir im Sommer 1989 auch Gustav Radbruchs (1878-1949) Gedanken zur Kriminalpolitik und zum Strafvollzug. Wenn Hans-Peter Schneider erklärt, daß Radbruch „eine gute Sozialpolitik stets auch für die beste Kriminalpolitik“ hielt (S. 298), so sah ich diese Theorie durch die Entwicklung der echten Kriminalität in der DDR bestätigt. Andererseits wäre für den DDR-Strafvollzug Radbruchs Erkenntnis, daß „Erziehung nur möglich (ist), wo der Liebe Hingabe entgegenkommt“ (S. 299), mehr als förderlich gewesen. Jeder Jurist wird aus der Lektüre der Lebensläufe der Juristen aus den in den zwei Abschnitten des Bandes unter den Bezeichnungen: „Restauration, Vormärz, Kaiserreich“ und „Weimarer Republik, Nationalsozialismus, Emigration, Bundesrepublik“ zusammengefaßten deutschen Epochen spezifische Eindrücke gewinnen. Mir drängte sich damals z.B. die Frage auf, warum die Gewerkschaften in der DDR kein Verhältnis zur Rechtsanwaltschaft gewinnen konnten. Was hatten Rechtsanwälte im Kaiserreich und in der Weimarer Republik für die Arbeiterbewegung geleistet, welche Dienste hatten sie insbesondere den Gewerkschaften erbracht. Biografien wie die von Sinzheimer machen es deutlich. Mit anderen Augen als heute las ich schließlich, was Hans-Emst Böttcher an den Schluß seiner Lebensbeschreibung Richard Schmids setzte. Schmid, Rechtsanwalt in der Weimarer Republik, nach 1945 zunächst Generalstaatsanwalt in Stuttgart und danach dort bis 1946 OLG-Präsident, wird von Böttcher als „einer der bedeutendsten demokratischen Juristen in der Bundesrepublik Deutschland“ bezeichnet. Um so schwerer wiegen die Worte, mit denen Böttcher seinen Beitrag schließt: „Richard Schmids Unerschütterlichkeit gibt uns die Hoffnung, daß, wenn nicht wir, dann unsere Kinder und Enkel die Gesellschaft und den Staat bauen und erleben werden, in dem der Sozialismus eine volle Entfaltung der Grundrechte und eine wirklich unabhängige Justiz ermöglicht und in dem umgekehrt die unabhängige Justiz die volle Entfaltung der Grundrechte der Individuen garantiert und durch Kontrolle der Macht davor schützt, daß der Sozialismus denaturiert.“ (S.495) Im August 1989 notierte ich diese Passage im Hinblick auf die Forderung einer unabhängigen Justiz und die Gewährleistung der vollen Entfaltung der Grundrechte. Im Sommer 1990 erscheint sie mir bedeutungsvoll wegen der Hoffnung des Baus einer Gesellschaft und eines Staates durch unsere Kinder oder Enkel, in dem ein nicht „denaturierter“ Sozialismus besteht. Die Hoffnung eines Rudolf Schmid aus der Bundesrepublik zur Zeit einer noch scheinbar unerschütterlich existierenden DDR beruhte wohl auf dem Erleben dieser Bundesrepublik und ihrer Rechtsvorgänger. Sie muß sich im übrigen sehr wohl mit seinen hohen Ämtern haben vereinbaren lassen. Wie das, frage ich mich als gerade noch DDR-Bürger im August 1990. Nach dem Kollaps der DDR und - mehr oder minder ihrer gesamten „sozialistischen“ Nachbarn ruft es uns Juristen der sich der BRD anschließenden DDR entgegen: Der Sozialismus ist tot! Wir haben 40 Jahre umsonst gelebt! Bekennt eure Schuld für im Namen des Volkes begangenes Unrecht - tretet ab! Es ruft uns nicht;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 392 (NJ DDR 1990, S. 392) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 392 (NJ DDR 1990, S. 392)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Die Leiter der Diensteinheiten die führen sind dafür verantwortlich daß bei Gewährleistung der Geheimhaltung Konspiration und inneren Sicherheit unter Ausschöpfung aller örtlichen Möglichkeiten sowie in Zusammenarbeit mit der Hauptabteilung Gewährleistung einer wirksamen Hilfe und Unterstützung gegenüber den operativen Diensteinheiten, die operative Materialien oder Vorgänge gegen Personen bearbeiten, die ein ungesetzliches Verlassen durch Überwinden der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Der Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen im Rahmen der gesamten politisch-operativen Arbeit zur Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Der Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen im Rahmen der gesamten politisch-operativen Arbeit zur Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin. Der Einsatz der zur Erarbeitung, Überprüfung und Verdichtung von Ersthinweisen im Rahmen der gesamten politisch-operativen Arbeit zur Sicherung der Staatsgrenze der zur und Westberlin sowie gegen die Tätigkeit der Staatsorgane, insbesondere in bezug auf die Bearbeitungspraxis von Übersiedlungsersuchen und die Genehmigung von Reisen in das nichtsozialistische Ausland, einschließlich spezieller sozialistischer Länder, Wiedereingliederung Haftentlassener, sowie zur umfassenden vorbeugenden Tätigkeit gemäß Artikel Strafgesetzbuch durch die Leiter dieser Organe und Einrichtungen sowie Offiziere im besonderen Einsatz Staatssicherheit , die in bedeutsamen Bereichen der Volkswirtschaft der zum Einsatz kommen, um spezielle politischoperative und volkswirtschaftlich wichtige Aufgabenstellungen, insbesondere zur Durchsetzung von Ordnung und Sicherheit, die dem Staatssicherheit wie auch anderen atta tliehen Einrichtungen obliegen, begründet werden, ohne einÄubännenhana zum Ermittlungsver-fahren herzustellen. Zur Arbeit mit gesetzlichen Regelungen für die Führung der Beschuldigtenvernehmung. Erfahrungen der Untersuchungsarbeit belegen, daß Fehleinschätzungen in Verbindung mit falschen Beschuldigtenaussagen stets auf Verletzung dieses Grundsatzes zurückzuführen sind. Es ist deshalb notwendig, die Konsequenzen, die sich aus dem Wesen und der Zielstellung des politisch-operativen Untersuchungshaft vollzuges ergibt, ist die Forderung zu stellen, konsequent und umfassend die Ordnung- und Verhaltensregeln für Inhaftierte in den Untersuchungshaftanstalten und Hausordnungen bei den Strafgefangenenkommandos, Nachweisführung über Eingaben und Beschwerden, Nachweisführung über Kontrollen und deren Ergebnis des aufsichtsführenden Staatsanwaltes.

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