Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 383

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 383 (NJ DDR 1990, S. 383); Neue Justiz 9/90 383 1. Ist aus generalpräyentiven Überlegungen wegen der Art der Rechtsgüterverletzung zwingend eine Strafverbüßung erforderlich? Die Frage ist deshalb so wichtig, weil eine Freiheitsstrafe zur Abschreckung künftiger potentieller Täter nach veränderten politischen Gegebenheiten nicht notwendig ist, nachdem entsprechende Funktionen weggefallen sind. Auch die Bestätigung der Bevölkerung in ihrer Rechtstreue durch eine entsprechende Sanktion ist nicht notwendig, da eine sozialistische Gerechtigkeit im Sinne des § 61 StGB/DDR nicht mehr zu verwirklichen ist. 2. Bedaif es Sanktionsformen mit Freiheitsentzug, um die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung und die Rechtstreue der Bevölkerung zu bestätigen? Hierzu wäre festzustellen, daß nach den veränderten politischen Gegebenheiten eine von der Mehrheit getragene freiheitlich-demokratische Rechtsordnung erst aufgebaut werden soll, so daß . nur der rechtstreue Bürger zur Aufrechterhaltung des Rechtsfriedens eine angemessene Strafe erwartet. Hier muß aber deutlich gemacht werden, daß die generalpräventiven Zwecke ihre Grenzen in der schuldangemessenen Strafe finden, wie es der BGH ausgedrückt hat.30 Zu bedenken ist auch, daß es nun nicht mehr gilt, eine frühere Rechtsordnung zu bestätigen, sondern dem neuen Geist rechtsstaatlichen Handelns und Bewahrens zum Durchbruch zu verhelfen. Auch staatspolitische - also übergreifende - Gesichtspunkte werden bedeutsam, nämlich die Notwendigkeit des Aufbaus eines Staatsgebildes, das der freiheitlich-demokratischen Rechtsstaatlichkeit entspricht. Kriminalpolitisch31 sollte berücksichtigt werden, daß beim Aufbau der Wirtschafts- und Sozialordnung Strafvollzug nicht nur die spätere Wiedereingliederung des Verurteilten behindert, sondern auch das Problem der Arbeitslosigkeit mit unbekannter Dimension programmiert, somit soziale Last schafft; daher wurde in der BRD die kriminalpolitische Reform der erweiterten Anwendung der Freiheitsstrafe ohne Vollzug bei Strafen bis zu 2 Jahren (§ 56 Abs. 2 StGB/BRD) eingeleitet, zumal es eine kollektive Einbindung durch Anspruch auf Integration wie bisher in der DDR nicht gibt. 3. Entspricht es sachgerechter Gewichtung von General- und Spezialprävention sowie schuldangemessener Strafe, wenn der Verurteilte durch den Strafausspruch einer Freiheitsstrafe ohne Freiheitsentzug öffentlich empfindlich getroffen wird, wenn er daneben zu gemeinnützigen Leistungen herangezogen wird, um gesell-schaftsnützige Zwecke zu erreichen? Bedeutsam wird auch hier die obengenannte Sozialprognose, die Erwartung an eine positive Entwicklung des Täters auch ohne den Strafvollzug unter dem Aspekt veränderter Verhältnisse in der Gesellschaft und möglicherweise Umstände in der Person des Betroffenen, die erkennen lassen (Umstände nach der Tat), daß er bemüht ist, seine frühere gesellschaftsschädigende Verhaltensweise zu unterlassen, oder daß er bereits unter Beweis gestellt hat, daß' er im Interesse des Staatsaufbaus seine frühere Lebensweise überwunden hat.32 Der Umstand, daß ein in Untersuchungshaft befindlicher Täter diese Kriterien faktisch nicht unter Beweis stellen konnte, sollten nicht zur Versagung einer Strafe ohne Freiheitsentzug führen. Die Verschonung vom Strafvollzug entspricht im übrigen auch der Rechtsprechung des OG33 und kommt insoweit der Rechtsprechung des BGH nahe, wenn gemäß § 56 Abs. 2 StGB/BRD auch eine Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren im Vollzug nicht verbüßt werden muß, vorausgesetzt, es liegen nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vor. Das StGB/BRD und die höchstrichterliche Rechtsprechung stellen insoweit in Anlehnung an § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB/BRD neben der Persönlichkeit, den Umständen der Tat, seinem Verhalten nach der Tat auch auf die Wirkungen ab, die von der (sc.: originären) Aussetzung für ihn zu erwarten sind, womit dem Resozialisierungsansatz im Strafrecht genügt werden soll in der Erkenntnis, daß der Strafvollzug meist zu einer Desozialisierung führt, nämlich Verlust von Arbeitsplatz, beruflicher Stellung bis hin zur Ehescheidung, aber auch sozialer Last mangels Wiedereingliederungsmöglichkeit. Neue soziale und politische Bedingungen für die Strafzumessung Das Problem der Wiedereingliederung von Strafentlassenen wird in der Zukunft der DDR eine neue Dimension erhalten, wenn es seitens des Staates nach der neuen Sozialordnung (Arbeitsrecht) nicht mehr möglich ist, Betriebe zu veranlassen, Strafentlassene aufzunehmen oder in andere staatliche Betriebe einzugliedem. Bislang konnte ein Strafentlassener entsprechend dem Wiedereingliederungsgesetz vom 7. April 1977 damit rechnen, daß er nach Verbüßung „gleichberechtigt“ in das Leben und am Arbeitsplatz eingegliedert wurde. Zu dieser sozialen Integration waren gemäß § 46 StGB/DDR u.a. Leiter von Betrieben, staatliche Organen und Einrichtungen verpflichtet. Auch schon bisher haben sich in der DDR Probleme ergeben, bestimmte Personen sozial einzugliedem,34 insbesondere die auf Grund von Alkoholsucht oder schweren Erziehungsdefiziten integrationsgestörten Täter.35 Resozialisierungsbemühungen in Freiheit sind jetzt in der DDR angezeigt und werden in Zukunft ähnlich der BRD ein besonderes Gewicht erhalten. Die kriminalpolitische Erweiterung der Freiheitsstrafe auf Bewährung (primär der Freiheitsstrafe ohne Freiheitsentzug) von 6 Monaten auf 1 Jahr im Regelfall und 2 Jahre bei besonderen Umständen (§ 56 Abs. 1 und 2 StGB/BRD) war für die Strafjustiz der BRD ein deutliches Signal in Richtung einer „Integrationsprävention“.36 Desozialisierung wird also soweit wie möglich gemieden, wie es auch in den Strafzumessungserwägungen des § 46 Abs. 1 StGB/BRD zum Ausdruck kommt: „Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.“ Aus kriminalpolitischen wie sozialpolitischen Erwägungen sollte deshalb schon jetzt in der DDR auf diese Besonderheiten bei der Strafzumessung reflektiert werden, zumal man durch Heranziehung eines Täters zu gemeinnützigen Aufgaben dem Bedürfnis der Gesellschaft nach Gerechtigkeit gleichfalls Genüge leisten kann. Will man solche wesentlichen kriminal- und sozialpolitischen Gesichtspunkte in die general- und spezialpräventiven Überlegungen unter Beachtung einer schuldangemessenen Strafe einbeziehen, so werden es besondere Umstände in der Tat und Persönlichkeit37 gerade bei den veränderten politischen Verhältnissen mit dem Blick in die Zukunft eher vertretbar erscheinen lassen, Verurteilte vom Strafvollzug zum Zwecke der Erbringung gemeinnütziger Leistungen zu verschonen, um andererseits zukünftige Wiedereingliederungsschwierigkeiten zu vermeiden. Strafzumessung erhält damit d i e Dimension auf dem Weg zur Rechtsvereinheitlichung, besonders, wenn man von einer Klausel ausgeht, wonach bei Änderung politischer Verhältnisse neue Maßstäbe der Rechtsanwendung gerechtfertigt sind. Insoweit könnte man auch in Abwandlung der clausula rebus sic stantibus sagen: „solum poena consequens rebus politicis sic stantibus“, („nur diejenige Strafe ist angemessen, die auch die veränderten politischen Verhältnisse einbezieht“), wobei sie für die Gesellschaft und den Verurteilten den Blick in die Zukunft offen läßt. Während § 56 Abs. 2 StGB/BRD und die höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH diese Möglichkeit durch Freiheitsstrafen zur Bewährung auch bei Verbrechen eröffnen, käme für die DDR 30 BGHSt Bd. 24, S. 46 und 66. 31 Man bedenke, daß bereits ab 1983 in der UdSSR die Kriminalpolitik viel fortschrittlicher war, indem man über den Sinn und die (auch schädlichen) Wirkungen des Strafvollzugs ebenso nachgedacht hat wie Uber die sozialen Bedingungen. Vgl. I.M. Galperin, Die Strafe - soziale Funktion und Anwendungspraxis. Moskau 1983 (zitiert bei E. Buchholz, NJ 1984, Heft 12, S. 512). 32 Vgl. OG, Urteil vom 16. Januar 1969 - 2 Zst 14/68 (NJ 1969, Heft 9, S.284). 33 Vgl. OG, Urteil vom 7. April 1988 - 5 OSK 1/88 (NJ 1988, Heft 6, S. 259 f.). 34 Vgl. G. Kräupl/L. Reuter. Nach der Strafe - Wiedereingliederung in die Gesellschaft, Leipzig 1987, S. 55 f., 64, 100 ff., sowie W. Höfer/R. Gottwald, „Erfahrungen bei der Wiedereingliederung Strafentlassener in das gesellschaftliche Leben“, NJ 1988, Heft 5, S. 200 ff. 35 I. Blaschke, „Die Integration in die kollektiven Beziehungen im Arbeitsbereich -wesentlicher Bestandteil der Vorbeugung gegen Straftaten integrationsgestörter Täter", Staat und Recht 1986, Heft 6, S. 469. 36 H. Müller-Dietz, Integrationsprävention und Strafrecht - Zum positiven Aspekt der Generalprävention, in: Festschrift für Hans-Heinrich Jescheck zum 70. Geburtstag, Berlin (West) 1985, Bd. II, S. 813-828; vgl. auch die kriminalpolitischen Aspekte in der UdSSR bei I.M. Galperin, a.a.O. 37 Zur Frage der Aufklärung der Persönlichkeit des Täters im Prozeß vgl. R. Schröder/J. Arnold, „Zum Grundsatz ,in dubio pro reo' und zur Aufklärung der Persönlichkeit des Täters in der gerichtlichen Beweisaufnahme“, NJ 1987, Heft 10, S. 416 ff.;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

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