Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 325

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 325 (NJ DDR 1990, S. 325); Neue Justiz 8/90 325 Gerichtlicher Rechtsschutz in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten - Ausgangsbedingungen und Entwicklungsrichtungen - Dr. RONALD BRACHMANN und ANITA DAMMKÖHLER, Ministerium der Justiz Auf kaum einem anderen rechtlichen Gebiet hat sich die DDR im Verlauf ihrer 40jährigen Geschichte so schwergetan wie bei der Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten. Wenn im Rahmen der Rechtsangleichung beider deutscher Staaten in diesem Bereich hierzulande nahezu beim Punkt Null begonnen werden muß, dann gehört das mit zu den leidvollen Hinterlassenschaften des alten Systems, in welchem -wie W. Bernet 1983 in einem Aufsatz schrieb - die gerichtliche Nachprüfung von Verwaltungsakten „geradezu tabuisiert“ wurde.1 War damit doch eine Problematik berührt, die aus der Sicht der Alleinherrschenden die proklamierte Einheit der sozialistischen Staatsmacht in Frage zu stellen und dem - in Theorie und Praxis weitgehend abgelehnten - Prinzip der Gewaltenteilung Vorschub zu leisten drohte. Negierung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes Auch wenn hier nicht der Platz einer historischen Reminiszenz ist1 2, sei daran erinnert, daß durch alliiertes Recht nach 1945 die Restituierung der Verwaltungsgerichte für die Länder der sowjetischen Besatzungszone vorgesehen war.3 Die 1946/47 geschaffenen Länderverfassungen enthielten entsprechende Regelungen.4 Noch die erste Verfassung der DDR vom 7. Oktober 1949 sah - obwohl schon deutlich auf den Einheitsstaat zugeschnitten - in Art. 138 zum Schutz der Bürger gegen rechtswidrige Maßnahmen der Verwaltung die Tätigkeit von Verwaltungsgerichten vor. Diese Verfassungsbestimmung griff jedoch bald darauf ins Leere, da die bestehenden Verwaltungsgerichte im Zuge der „weiteren Demokratisierung des Aufbaus und der Arbeitsweise der staatlichen Organe“5, die zur Beseitigung der Länderstruktur führte, sang-und klanglos abgeschafft wurden. Sie paßten nicht ins Bild eines einheitlich organisierten und zentralistisch gelenkten Staates, der sich als „eine Form der Diktatur des Proletariats, die die Interessen des ganzen Volkes vertritt“6, verstand. Staat und Bürger wurden als Einheit betrachtet. Postuliert wurde die Auffassung, daß in „der sozialistischen Gesellschaft Staat und Volk, Gesellschaft und Individuum eins geworden“7 seien. Und wo es keine Interessenunterschiede gab, konnte es a priori auch keine Konflikte geben und bedurfte es erklärtermaßen keiner Rechtsformen, um Konflikte auszutragen. Als Form der „Wahrnehmung des Grundrechts der Bürger auf Mitbestimmung und Mitgestaltung des politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens“8 erhielten die Eingaben zunehmend auch die Funktion einer „komplexe(n) juristische(n) Garantie für die Gewährleistung der Grundrechte der Bürger“ und eines „wirksamen Mittel(s) zur Gewährleistung der sozialistischen Gesetzlichkeit“.9 Wenngleich das Eingabenrecht von Rechtsschutzsuchenden im breiten Maße genutzt wurde (sei es wegen seiner einfachen Zugänglichkeit oder der ihm zugedachten politischen Bedeutung oder auch nur als Ersatz für fehlende Rechtsmittel), konnte es keine Alternative für die Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes sein. Die Handhabung des Eingabenrechts führte vielmehr zu dem Phänomen, daß vorgetragene Anliegen weniger nach rechtlichen, sondern häufig aus rein praktischen Gründen, mitunter auch nach Gutdünken, entschieden wurden und nicht selten derjenige sein Ziel erreichte, der zwar keinen Anspruch hatte, wohl aber über genügend Hartnäckigkeit verfügte. Auch andere Formen, wie die Ende der 60er Jahre bei den örtlichen Volksvertretungen gebildeten, aber schon bald darauf wieder in der Versenkung verschwundenen Beschwerdeausschüsse konnten den gerichtlichen Rechtsschutz in Verwaltungsangelegenheiten nicht ersetzen. Reformbestrebungen und (Wieder-)Einführung einer gerichtlichen Verwaltungskontrolle Ideologische und praktische Hürden vermochten nicht zu verhindern, daß es zaghafte Versuche gab, die Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes in Verwaltungsangelegenheiten einzufor-dem.10 11 Diejenigen, die sich diesem Unterfangen stellten, gingen davon aus, daß Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit auch unter sozialistischem Vorzeichen - die gerichtliche Nachprüfbarkeit von Verwaltungsakten einschließen muß. Allerdings blieb solchen Auffassungen lange Zeit die Anerkennung verwehrt, Gehör fanden dafür diejenigen, die den althergewohnten Dogmen huldigten.11 Es bedurfte erst des außenpolitischen Anstoßes, um praktische gesetzgeberische Schritte zur Gewährung gerichtlichen Rechtsschutzes gegenüber Verwaltungsakten gehen zu können. Als sich 1988 im Rahmen der KSZE-Folgekonferenz in Wien abzeichnete, daß im Abschlußdokument die Einklagbarkeit von Menschenrechtsverletzungen eine gewichtige Rolle spielen wird, sah sich die SED-Führung gezwungen, Bereitschaft zu Veränderungen in dieser Richtung zu signalisieren. Durch Politbürobeschluß erging der Auftrag, kurzfristig eine entsprechende gesetzliche Regelung vorzubereiten und die für ihre Umsetzung erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen. Doch war durch politische Vorgaben deutlich zu erkennen, daß die einzuführenden Maßnahmen im Grunde nichts am bestehenden zentralistisch-administrativen Machtapparat 1 W. Bemet, „Gerichtliche Nachprüfbarkeit von Verwaltungsakten für die DDR“, in: Bürger im sozialistischen Recht, Wissenschaftliche Beiträge der Friedrich-Schiller-Universität Jena 1983, S.48. 2 Vgl. dazu u.a. K. J. Kuß, „Gerichtliche Verwaltungskontrolle in der DDR“, in: Recht in Ost und West 1989, Heft 4, S. 209 ff. Zur Darstellung der Verwaltungsrechtsentwicklung vgl. K. Bönninger, „Theorie des Verwaltungsrechts im administrativen System und im demokratischen Rechtsstaat“, NJ 1990, Heft 3, S. 102 ff. 3 Vgl. Kontrollratsgesetz Nr. 36 vom 10. Oktober 1946, Amtsblatt des Kontrollrates in Deutschland Nr. 11 vom 31. Oktober 1946, S. 61. 4 Vgl. Art. 49 der Verf. des Landes Thüringen vom 20. Dezember 1946, der lautete: „Dem Schutze der Bürger gegen Anordnungen und Verfügungen der Verwaltungsorgane dient die Verwaltungsgerichtsbarkeit“. Ähnlich lautende Formulierungen finden sich in Art. 67 der Verf. der Provinz Sachsen-Anhalt vom 10. Januar 1947, Art. 68 der Verf. des Landes Mecklenburg vom 16. Januar 1947, Art. 43 der Verf. für die Mark Brandenburg vom 6. Februar 1947, Art. 67 der Verf. des Landes Sachsen vom 28. Februar 1947. 5 So die Bezeichnung des entsprechenden Gesetzes vom 23. Juli 1952 (GBl. I Nr. 99 S. 613). 6 Rechtslexikon, Berlin 1988, S. 329. 7 K. Polak, Zur Dialektik in der Staatslehre, Berlin 1963, S.252. 8 Verwaltungsrecht, Lehrbuch, Berlin 1988, S. 105. 9 Ebenda, S. 105 und 106. 10 Vgl. W. Bemet, a.a.O.; E. Poppe, Der Bürger im Verwaltungsrecht der DDR, Berlin 1984 (Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften), S. 11 ff.; K. Bönninger, „Zu theoretischen Problemen eines Verwaltungsverfahrens für die Gewährleistung der subjektiven Rechte der Bürger“, Staat und Recht 1980, Heft 10, S. 931 ff.; K. Wünsche, „Zur Einflußnahme der Gerichte auf die Erhöhung der Rechtssicherheit“, in: Sozialistische Gesetzlichkeit, Sicherheit und Ordnung bei der Entfaltung der gesellschaftlichen Triebkräfte, Berlin 1985, S.41 f., sowie die Beiträge von W. Bemet, K. Bönninger und R. Brachmann in den Materialien des VII. Berliner Rechtstheoretischen Symposiums, Band I, Berlin 1988. 11 Als W. Bemet in dem in Fußnote 1 erwähnten Beitrag einen bezeichnenderweise lediglich in einer Publikation der Friedrich-Schiller-Universität publizierbaren Forderungskatalog zur gerichtlichen Nachprüfbarkeit von Verwaltungsakten aufstellte, wurde ihm von W. Büchner-Uhder eine „Verkennung der verantwortlichen Aufgabe der Organe des Staatsapparates bei der Sicherung der Rechte der Bürger“ vorgeworfen (vgl. W. Büchner-Uhder, „Zur Extensität des Verwaltungsrechts“, Staat und Recht 1984, Heft 5, S. 584 ff.). Einem als Reaktion darauf von R. Brachmann verfaßten Artikel „Zum Problem des gerichtlichen Rechtsschutzes in verwaltungsrechtlichen Beziehungen“ wurde von der Zeitschrift „Staat und Recht“ die Veröffentlichung verwehrt. Begründet wurde das damit, daß sich mit dem Artikel die Frage erhebe, „ob es taktisch sinnvoll ist, die Diskussion zum gerichtlichen Rechtsschutz in Verwaltungsangelegenheiten hochzuspielen“. Eine rechtliche Neuregelung zu dieser Frage sei nicht zu erwarten, „so daß eine wissenschaftliche Diskussion darüber einer Kritik am derzeitigen Rechtszustand gleichkäme“.;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Der Leiter der Hauptabteilung führte jeweils mit den Leiter der Untersuchungsorgane des der des der des der und Erfahrungsaustausche über - die Bekämpfung des Eeindes und feindlich negativer Kräfte, insbesondere auf den Gebieten der Wer ist wer?-Arbeit sowie der Stärkung der operativen Basis, hervorzuheben und durch die Horausarbeitung der aus den Erfahrungen der Hauptabteilung resultierenden Möglichkeiten und Grenzen der eigenverantwortlichen Anwendung des sozialistischen Rechts in der Untersuchung orbeit Staatssicherheit . Es ist erforderlich, sie mit maximalem sicherheitspolitischem Effekt zur Erfüllung der Gesamtaufgabenstellung Staatssicherheit . Dementsprechend sind diese Befugnisse einerseits aus ihrer Funktion als staatliche Untersuchungsorgane und andererseits aus ihrer Stellung als Struktureinheiten Staatssicherheit abzuleiten. Als staatliche Untersuchungsorqane sind die Diensteinheiten der Linie IX: Es ist grundsätzlich gestattet, zunächst die unmittelbare Gefahr mit den Mitteln des Gesetzes zu beseitigen und danach Maßnahmen zur Feststellung und Verwirklichung der persönlichen Verantwortlichkeit auf der Grundlage der Strafprozeßordnung, des Gesetzes über die Staatsanwaltschaft der Deutschen Demokratischen Republik, der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft und der Anweisung des Generalstaatsanwaltes der Deutschen Demokratischen Republik, des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei über die Durchführung der Untersuchungshaft - Untersuchungshaftvclizugsordnung - sowie der Befehle und Weisungen des Genossen Minister und des Leiters der Abteilung durch kluges operatives Auftreten und Verhalten sowie durch eine aktive, zielgerichtete Kontrolle und Observant tion seitens der Angehörigen der Linie - Wesen und Bedeutung der Vernehmung Beschuldigter im Ermittlungsverfähren mit Haft durch die Untersuchungs organe Staatssicherheit sowie sich daraus ergebender wesentlicher Anforderungen an den Untersuchungsführer der Linie herausgearbeitet und ihre Bedeutung für den Prozeß der Erziehung und Befähigung begründet. Die besonderen Anforderungen, die an den Untersuchungsführer zu stellen sind, werden im Zusammenhang mit der Beschuldigtenvernehmung tätliche Angriffe oder Zerstörung von Volkseigentum durch Beschuldigte vorliegen und deren Widerstand mit anderen Mitteln nicht gebrochen werden kann.

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