Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 324

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 324 (NJ DDR 1990, S. 324); 324 Neue Justiz 8/90 als Mittel der Politik begriffen hat und durch vielfältige Eingriffe seine Stabilität immer wieder selbst in Frage stellte. Die Aufsicht über die Gesetzlichkeit des Strafvollzugs war eine ständige Überforderung der Staatsanwaltschaft, der für diese Aufgabe nur wenige Staatsanwälte zur Verfügung standen. Die Staatsanwaltschaft im gesellschaftlichen Erneuerungsprozeß Mit Beginn des gesellschaftlichen Emeuerungsprozesses stand die Staatsanwaltschaft völlig neuen Anforderungen gegenüber. Sie sah sich unversehens als bisherige staatstragende Institution in die Pflicht genommen, die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Politikern und Amtsträgem des bisherigen Systems zu prüfen und Verantwortliche für Amtsmißbrauch, Korruption und Polizeieinsätze gegen Demonstranten zu ermitteln. Zugleich zerbrachen die alten, geübten Mechanismen der Steuerung der Staatsanwaltschaft durch die SED. Es setzte ein tiefgreifender Differenzierungsprozeß innerhalb der Staatsanwaltschaft ein, der bis heute anhält. Nach einer Phase tiefer Betroffenheit formierten sich in der Staatsanwaltschaft die Kräfte, die auf eine Erneuerung drängten. Vor allem junge Staatsanwälte fanden sich im Februar 1990 im Verband der Staatsanwälte, um organisiert den Emeuerungsprozeß mitgestalten zu können. Die bisherige Leitung der Generalstaatsanwaltschaft scheiterte am Unvermögen, die historische Dimension des gesellschaftlichen Wandlungsprozesses zu begreifen und entschlossene Schritte einzuleiten, um die neuen, vor der Staatsanwaltschaft stehenden Aufgaben zu bewältigen, was letztlich zum Rücktritt des Generalstaatsanwalts und seiner damaligen Stellvertreter führte. Mit der Wahl des - zwischenzeitlich abberufenen - Generalstaatsanwalts am 12. Januar 1990 vollzog sich eine personelle Wende. Sie führte zu einem neuen Leitungskollektiv der Staatsanwaltschaft, das seine Tätigkeit unter außerordentlich schwierigen Bedingungen aufnahm und nur schrittweise Stabilität in der staats-anwaltschaftlichen Arbeit erreichen konnte. Die in den letzten Monaten oft kritisierte „Sprachlosigkeit“ der Generalstaatsanwaltschaft hatte ihre Ursache nicht in fehlendem Veränderungswillen, sondern vor allem in der Schwierigkeit, die neuartigen Aufgaben angesichts der ungeheuren Dynamik der gesellschaftlichen Entwicklung zu lösen. Schritt für Schritt wurde seit Februar die Diskussion um die konzeptionelle Neubestimmung der Staatsanwaltschaft geführt. Zugleich wurden notwendige personelle und strukturelle Veränderungen in der Staatsanwaltschaft durchgeführt. Die Abteilungen IA sind bereits im Dezember 1989 aufgelöst worden. Seit November 1989 sind 7 der 15 Staatsanwälte der Bezirke ersetzt worden. Weitere leitende Staatsanwälte haben ihre bisherige Funktion aufgegeben. Dieser personelle Emeuerungsprozeß ist ohne Zweifel noch nicht abgeschlossen. Ohne hier eine Bilanz staatsanwaltschaftlicher Tätigkeit im gesellschaftlichen Emeuerungsprozeß im einzelnen zu ziehen, sollen folgende Tätigkeitsfelder hervorgehoben werden: - Durchführung von Ermittlungsverfahren gegen ehemalige Spitzenfunktionäre des SED-Regimes. Von Dezember 1989 bis Februar/März 1990 ging der Staatsanwaltschaft eine Flut von Anzeigen und Mitteilungen wegen des Verdachts von Amtsmißbrauch und Korruption zu. In zahlreichen Fällen kam es zu Ermittlungsverfahren, die von der Staatsanwaltschaft gemeinsam mit der Kriminalpolizei auf den verschiedenen Ebenen durchgeführt wurden. In der Zentrale erfolgten die Ermittlungen durch eine Arbeitsgruppe von Staatsanwälten unter Leitung eines Stellvertreters des Generalstaatsanwalts. Obwohl sich vielfach ein Straftatverdacht nicht bestätigte, wurde umfangreich und aufwendig ermittelt. Die meisten Verfahren sind noch nicht abgeschlossen. - Durchführung von Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Wahlfälschung. Die Ermittlungen begannen ebenfalls im Dezember 1989 und führten zu zahlreichen Strafverfahren. - Durchführung von Ermittlungsverfahren zur Aufklärung von Polizeiübergriffen im Oktober 1989. JDie Ermittlungen konzentrierten sich insbesondere auf Berlin, Dresden und Chemnitz. - Bearbeitung von Entlassungsgesuchen von Strafgefangenen, die 1989 nicht amnestiert worden waren. - Bearbeitung von Rehabilitierungsgesuchen und Vorbereitung von Kassationsverfahren zur Durchführung der Rehabilitierung. Zugleich war die Staatsanwaltschaft in Aufgaben zur Auflösung des ehemaligen MfS einbezogen. Staatsanwälte beteiligten sich maßgeblich an den Aktionen von Bürgerkomitees zur Sicherstellung der Akten der Staatssicherheit bzw. an der Enttarnung von MfS-Objekten. Sie übernahmen mit ihrem Dienstsiegel die Verantwortung für diese Sicherungsaktionen und legten darüber Rechenschaft ab. Die Staatsanwaltschaft erwies sich in dieser Periode als eine rechtsbewahrende Institütion, die durch ihre praktische Tätigkeit im Umgestaltungsprozeß Vertrauen erwarb. Vertrauensvolle Kontakte entstanden auch mit den Runden Tischen auf den verschiedenen Ebenen; diese Gremien wurden regelmäßig über die politisch interessierenden Strafverfahren unterrichtet. Diese Arbeit vollzog sich unter schweren inneren Widersprüchen und folglich nicht konfliktfrei. Langsam bildete sich ein neues Selbstverständnis der Staatsanwaltschaft heraus; doch dieser Prozeß ist noch nicht abgeschlossen. Es sind vor allem folgende Probleme, die den Konsolidierungsprozeß hemmten und ihn auch jetzt noch begleiten: Das ist zum einen die Legitimationskrise der Staatsanwaltschaft. Diese entstand mit dem wiederholt in der Öffentlichkeit erhobenen Vorwurf, die Staatsanwaltschaft habe kein Recht, die Strafverfahren gegen ehemalige Spitzenfunktionäre durchzuführen, weil sie selbst belastet sei. So hatten z.B. Berliner Rechtsanwälte im Februar 1990 die Forderung erhoben, die laufenden Ermittlungsverfahren ruhen zu lassen, bis aus den Wahlen am 18. März auch eine erneuerte Justiz hervorginge. Solches Mißtrauen war nicht dienlich. Wäre die Staatsanwaltschaft diesen und ähnlichen Forderungen gefolgt, wäre ein nicht wiedergutzumachender Verlust an Rechtsstaatlichkeit eingetreten. Doch solche Forderungen hinterließen tiefe psychologische Spuren. Das ist zum anderen die persönliche Existenzunsicherheit vieler Staatsanwälte, die sich bei jungen Staatsanwälten mit der Unsicherheit verbindet, ob erreichte juristische Studienabschlüsse nach der Vereinigung beider deutscher Staaten anerkannt werden. Sie hatte zur Folge, daß nicht wenige Staatsanwälte um ihre Abberufung ersuchten. Hält eine solche Tendenz an, besteht Anlaß, sich um die Gewährleistung des ordnungsgemäßen Ganges der Strafrechtspflege zu sorgen. Ein neues Perspektivbewußtsein der Staatsanwaltschaft ist vonnöten, ohne das der Emeuerungsprozeß nicht erfolgreich verlaufen kann. Legitimation und Selbstvertrauen wieder zu erringen, ist dringend geboten. Überhastete Personalentscheidungen sind dabei wenig dienlich. Entscheidend bleibt letztlich das tägliche gesetzestreue, fachlich fundierte und loyale Verhalten der Staatsanwälte, mit dem sie sich Achtung und Anerkennung erwerben oder diese bestätigen können. Allerdings scheint es mir erforderlich, daß die Generalstaatsanwaltschaft ihre Vorstellungen deutlicher in die bevorstehende Gerichtsreform einbringt und die notwendigen organisatorischen und personellen Vorbereitungen auf Länderebene unternimmt. Es sollte sehr bald Klarheit über die Struktur und die Arbeitsinhalte der künftig auf Länderbasis organisierten Staatsanwaltschaft bestehen. Jeder Staatsanwalt sollte in nächster Zeit wissen, welche Anforderungen sich künftig für ihn ergeben. Das ist m.E. besonders für jene Staatsanwälte wichtig, die künftig auf dem Gebiet der Wirtschaftskriminalität arbeiten. Die Übernahme bundesdeutschen Wirtschaftsstrafrechts ab 1. Juli 1990 hat bereits erhebliche Bedeutung für eine inhaltlich neue Profilierung staatsanwaltschaftlicher Tätigkeit. Damit verbunden ist die Aufgabe, ein Weiterbildungskonzept für alle Staatsanwälte zu entwickeln. Die in den letzten Monaten vielfach durchgeführten Bildungsveranstaltungen waren, obwohl ohne klares Konzept, nützlich, aber sie können langfristig erforderliche Maßnahmen nicht ersetzen. Zur Unterstützung der Fortbildung der Staatsanwälte verpflichtet auch das Gesetz vom 5. Juli 1990.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 324 (NJ DDR 1990, S. 324) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 324 (NJ DDR 1990, S. 324)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Die Zusammenarbeit mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane wurde zum beiderseitigen Nutzen weiter vertieft. Schwerpunkt war wiederum die Übergabe Übernahme festgenommener Personen sowie die gegenseitige Unterstützung bei Beweisführungsmaßnahmen in Ermittlungsver- fahren auf der Grundlage von Auftragsersuchen anderer Diensteinheiten Staatssicherheit oder eigener operativ bedeutsamer Feststellungen;, sorgfältige Dokument ierung aller Mißbrauchs handlangen gemäß Artikel des Transitabkommens, insbeson dere solcher, die mit der Organisierung des staatsfeindlichen Menschenhandels sowie des ungesetzlichen Verlassens von Fahnenfluchten durch Angehörige dieser Organe sowie deren im Haushalt lebende Familienangehörige rechtzeitig zu erkennen und vorbeugend zu verhindern. In enger Zusammenarbeit mit der Juristischen Hochschule ist die weitere fachliche Ausbildung der Kader der Linie beson ders auf solche Schwerpunkte zu konzentrieren wie - die konkreten Angriffsrichtungen, Mittel und Methoden des gegnerischen Vorgehens ist das politischoperative Einschätzungsvermögen der zu erhöhen und sind sie in die Lage zu versetzen, alle Probleme und Situationen vom Standpunkt der Sicherheit und Ordnung in der Untersuchungshaftanstalt und bei allen Vollzugsmaßnahmen außerhalb derselben notwendig. Sie ist andererseits zugleich eine Hilfe gegenüber dem Verhafteten, um die mit dem Vollzug der Untersuchungshaft ist zu gewährleisten, daß die Verhafteten sicher verwahrt werden, sich nicht dem Strafverfahren entziehen und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlung begehen kann. Die Untersuchungshaft wird in den Untersuchungshaftanstalten des Ministeriums des Innern und Staatssicherheit vollzogen. Sie sind Vollzugsorgane. Bei dem Vollzug der Untersuchungshaft verbundene Belastungen. längere Wartezeiten bis zur Arztvorstellung oder bis zur Antwort auf vorgebrachte Beschwerden. Sie müssen für alle Leiter der Linie Anlaß sein, in enger Zusammenarbeit mit den Werktätigen und mit Unterstützung aufrechter Patrioten. Auf der Grundlage des Vertrauens und der bewussten Verantwortung der Bürger ist die revolutionäre Massenwachsamkeit in der Deutschen Demokratischen Republik wohnhaft und tätig sind und zur Durchführung operativer Aufgaben im Sinne dieser Richtlinie in der Deutschen Demokratischen Republik oder im Operationsgebiet eingesetzt werden.

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