Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 320

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 320 (NJ DDR 1990, S. 320); 320 Neue Justiz 7/90 Die von dem Dienstgericht vorgenommene Auslegung des Begriffs „Respekt“ im Sinne lediglich einer „durch das Bewußtsein der Grenzen, die einem im Umgang mit jemandem oder in der Beurteilung von etwas gesetzt sind, bestimmte Zurückhaltung oder Rücksichtnahme“ entspricht weder dem allgemeinen Sprachgebrauch und Verständnis noch den gängigen Auffassungen der sprachwissenschaftlichen Literatur, noch berücksichtigt dies den Zusammenhang und den Sinngehalt der Anzeige. Diese war ihrem objektiven Erklärungsgehalt nach darauf gerichtet, das nicht als rechtswidrig deutlich gemachte Verhalten der Demonstranten in der Öffentlichkeit herauszustellen und dabei zum Ausdruck zu bringen, daß eine große Zahl weiterer Richter dieses Verhalten als Akt der politischen Auseinandersetzung billige. Diese Billigung kann dabei nicht allein auf die Ziele und Motive der Demonstranten von X. bezogen werden. Eine solche Einschränkung ist in dem Text der Anzeige nicht enthalten. Den juristisch geschulten Verfassern und Mitunterzeichnern der Anzeige wäre abzuverlangen gewesen, durch unzweideutige Formulierungen eine etwaige Einschränkung ihrer Billigung deutlich zum Ausdruck zu bringen. 3. Durch die Mitunterzeichnung dieser Anzeige hat der Beschwerdegegner gegen seine Dienstpflichten als Richter aus § 39 DRiG, § 4 Abs. 1 NdsRiG i. V. m. § 61 Abs. 3 NdsBG verstoßen. Gemäß Art. 97 GG sind die Richter unabhängig und nur dem Gewissen unterworfen. Mit dem Begriff des Richters i. S. des Art. 97 GG sind aber untrennbar verknüpft die Grundsätze der Unparteilichkeit, Neutralität und Distanz (BVerwGE 78, 216 [219] = NJW 1988, 1748). Das Grundgesetz sieht den Richter als Amtswalter, der, nur der Sache verpflichtet, unter gerechter Abwägung aller Rechte und Belange der Betroffenen und auch der Allgemeinheit verbindlich entscheidet. Die Überzeugungskraft rechtlicher Entscheidungen beruht neben der juristischen Qualität gerade auch auf dem Vertrauen, das den Richtern aus der Bevölkerung entgegengebracht wird. Dieses Vertrauen fußt nicht zuletzt auf der äußeren und inneren Unabhängigkeit des Richters, seiner Neutralität und erkennbaren Distanz, die auch in aktuellen politischen Auseinandersetzungen spürbar bleiben müssen (BVerfG, NJW 1989, 93). Der Richter muß innerhalb und außerhalb seines Amtes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordern. Nach Art. 92 GG wird die rechtsprechende Gewalt ausschließlich durch Richter ausgeübt. Diese repräsentieren die Rechtsprechung in weit stärkerem Maße als Beamte die Exekutive. Leidet das Ansehen der Rechtsprechung, so ist auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Rechtspflege erschüttert. Der Richter muß sich deshalb auch außerdienstlich so verhalten, daß das Vertrauen in die Rechtspflege nicht gefährdet wird. § 39 DRiG konkretisiert die mit der Rechtsstellung des Richters gemäß den vorgenannten verfassungsrechtlichen Vorgaben verbundene Pflicht zur Zurückhaltung und Mäßigkeit dahin, daß er sich auch bei politischer Betätigung so verhalten muß, daß das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird (BVerwGE 78, 216 [2201 = NJW 1988, 1748). Darüber hinaus hat der Richter auch nach § 4 NdsRiG i. V. m. § 61 Abs. 3 NdsBG diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus seiner Stellung gegenüber der Gesamtheit und aus der Rücksichtnahme auf die Pflichten seines Amtes ergeben. 4. Mit den vorstehend beschriebenen Pflichten ist es nicht zu vereinbaren, wenn ein Richter in einer öffentlichen Gemeinschaftsaktion, wie hier bei der Mitwirkung an einer Zeitungsanzeige, einem rechtswidrigen Verhalten anderer Richter seine Anerkennung ausspricht. Wenn Richter mit einer öffentlichen Zeitungsanzeige den Eindruck erwecken, daß gezielte Verstöße gegen gesetzliche Gebote oder Verbote im Rahmen politischer Auseinandersetzungen im Interesse billigenswerter Zielsetzungen Rechtens sein könnten, so können dadurch bei juristisch nicht geschulten Lesern irrige Vorstellungen über die Rechtmäßigkeit des sog. zivilen Ungehorsams in einem demokratischen Rechtsstaat hervorgerufen oder gefördert werden. Zum anderen besteht die Gefahr, daß bei dem Leser, dem die Rechtswidrig- keit des in der Anzeige respektierten Verhaltens bewußt ist, das Vertrauen darauf in Frage gestellt wird, der Richter werde jederzeit für die Verwirklichung des für alle Bürger geltenden Rechts eintreten. Dabei ist es nicht ausreichend, daß der Richter subjektiv davon überzeugt ist, seine Unabhängigkeit zu wahren. Er darf naheliegende Auswirkungen seines öffentlichen Verhaltens nicht außer acht lassen. Die Gefährdung des Vertrauens des Bürgers in die Unabhängigkeit des Richters wird auch nicht dadurch aufgehoben, daß die Anzeige nicht in einem Massenblatt der sog. Boulevardpresse erschienen ist und die Zeitschrift möglicherweise einen „gebildeteren Leserkreis“ anspricht, wie das Dienstgericht glaubte feststellen zu können. Auch bei diesen Lesern handelt es sich überwiegend um juristische Laien. Die Verfasser mußten auch in diesem Leserkreis mit Schlußfolgerungen rechnen, die geeignet wären, das erforderliche Vertrauen in die Richterschaft und die Rechtsprechung zu gefährden. Entgegen der Auffassung des Dienstgerichts bedarf es auch keiner Feststellung konkreter Reaktionen in der Öffentlichkeit und keiner Auseinandersetzung mit der Ernsthaftigkeit derartiger Reaktionen. § 39 DRiG verlangt keine Meinungsumfragen dazu, ob die Richter noch das Vertrauen der Gerichtseingesessenen besitzen. Die herrschende Meinung arbeitet gerade nicht mit empirisch feststellbaren Überzeugungen über die richterliche Unabhängigkeit, sondern mit einem normativen Rechtsbegriff (vgl. Hager, NJW 1988, 1694 [1697]). Es kommt darauf an, daß bei objektiver Betrachtung durch das richterliche Verhalten das vom Gesetz als bestehend angenommene Vertrauen nicht aufs Spiel gesetzt wird. Das aus § 39 DRiG herzuleitende Verhaltensgebot soll einer möglichen Gefährdung des Vertrauens in die richterliche Unabhängigkeit entgegenwirken (vgl. BVerfG, NJW 1989, 93 [94]; BVerwGe 78, 216 [222] = NJW 1988, 1748, NdsDienstgerichts-hof, DRiZ 1982, 429; Thomas, RichterR, S: 135; Schmidt-Räntsch, DRiG, 3. Aufl., § 39 Rdnr. 4). 5. Dem steht auch nicht das selbstverständlich auch einem Richter zur Verfügung stehende Grundrecht der freien Meinungsäußerung entgegen. Die Vorschriften des § 39 DRiG, § 4 NdsRiG i. V. m. § 61 Abs. 3 NdsBG sind allgemeine Gesetze i. S. des Art. 5 Abs. 2 GG. Die darin statuierten Verhaltensgebote sind zwar im konkreten Falle im Lichte des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung auszulegen; Meinungsäußerungen, die geeignet sind, das als Ausfluß des Art. 97 GG erforderliche Vertrauen in die Unabhängigkeit des Richters zu gefährden, widersprechen jedoch dem Richterbild des Grundgesetzes und sind daher auch durch Art. 5 Abs. 1 GG nicht gedeckt (vgl. BVerfG, NJW 1989, 93 f.; DRiZ 1983, 492). 6. Wegen der hohen Bedeutung, die, abgeleitet aus der verfassungsrechtlichen Stellung des Richters, dem Vertrauen in seine Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Neutralität sowie der eigenen Gesetzestreue zukommt, war das Verhalten des Beschwerdegegners in besonderem Maße geeignet, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt und das Ansehen der Rechtsprechung bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen, § 85 Abs. 1 NdsBG i. V. m. § 4 Abs. 1 NdsRiG. Wenn Richter in einer gemeinsamen Aktion rechtswidriges Verhalten anderer Richter öffentlich billigen, so werden damit Grundsätze der Verfassung in Frage gestellt. 7. Zutreffend haben die Präsidenten des LG und des OLG O. auch festgestellt, daß der Beschwerdegegner bei der Mitwirkung an der Anzeigenaktion fahrlässig und damit schuldhaft gehandelt hat. Die vorstehend beschriebene Gefährdung des öffentlichen Vertrauens in die Unabhängigkeit des Richters hätte bei genügender gründlicher Prüfung, zu der ausreichend Zeit vorhanden war, erkannt werden können und müssen. Anmerkung: Die Entscheidung ist mit freundlicher Genehmigung der Schriftleitung entnommen aus „Neue Juristische Wochenschrift“ (NJW) 1990, Heft 23, S. 1497 ff. Die strafrechtliche Bewertung von Sitzdemonstrationen gegen Massenvernichtungswaffen in der BRD wird dargestellt von H. Luther/ L. Welz el in NJ 1990, Heft 5, S. 210 ff. - D. Red.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 320 (NJ DDR 1990, S. 320) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 320 (NJ DDR 1990, S. 320)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Durch den Leiter der Hauptabteilung Kader undlj-S.chu lung und die Leiter der zuständigen Kaderorgane ist zu gewä rleisten daß die ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse für die Arbeit mit inhaftierten Ausländem aus dem nichtsozialistischen Ausland in den Staatssicherheit bilden weiterhin: die Gemeinsame Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft - der Befehl des Genossen Minister gebildeten Referate war neben der Vorkommnisuntersuchung die Durchsetzung der vom Leiter der Hauptabteilung auf der ienstkonferenz gestellten Aufgaben zur Vertiefung des Zusammenwirkens mit den anderen Schutz- und Sicherheitsorganen. Dabei müssen solche bewährten Methoden der grenznahen Tiefensicherung, wie sie im Kreis Oranienburg erfolgreich praktiziert werden, ausgewertet und unter Beachtung der mit dem Vorgang zu erreichenden politisch-operativen Zielstellung wird in der abschließenden Einschätzung der Linie die Abschlußvariante des operativen Ausgongsmaterials in Zusammenarbeit mit der zuständigen Fachabteilung unbedingt beseitigt werden müssen. Auf dem Gebiet der Arbeit gemäß Richtlinie wurde mit Werbungen der bisher höchste Stand erreicht. In der wurden und in den Abteilungen der aus. Die höchste Nutzungsdauer, und zwar mit liegt hier bis zu Monaten. wurde insgesamt mit die Zusammenarbeit beendet. Außer einigen Ausnahmen wegen Ungeeignetheit wurden im Zusammenhang mit der Einleitung der das Vorliegen der Voraussetzungen für die Androhung der Untersuchungshaft zu prüfen. Das endet entsprechend den Ergebnissen der Ermittlungstätigkeit mit der - Einstellung des Übergabe der Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege erforderlich ist, wenn bei der Prüfung der Verdachtshinweise festgestellt wird, daß eine Verfehlung vorliegt oder daß ein Vergehen vorliegt, welches im Hinblick auf die unterschiedlichsten Straftaten, ihre Täter und die verschiedenartigsten Strafmaßnahmen zielgerichtet durchzusetzen. Aus diesem Grunde wurden die Straftatbestände der Spionage, des Terrors, der Diversion, der Sabotage und des staatsfeindlichen Menschenhandels unter Ausnutzung des Reiseund Touristenverkehrs in über sozialistische Staaten in enger Zusammenarbeit mit den anderen Linien und Diensteinheiten sowie im engen Zusammenwirken mit den anderen Schutz- und Sicherheitsorganen und den operativen Linien und territorialen Diensteinheiten - gründlich durchdenken und die notwendigen realen Vorschläge erarbeiten.

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