Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 290

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 290 (NJ DDR 1990, S. 290); 290 Neue Justiz 7/90 Außerordentlicher Richtertag der DDR Zwischen der ersten und zweiten Lesung des Richtergesetzes in der Volkskammer der DDR fand am 10. Juni 1990 in Berlin ein Außerordentlicher Richtertag statt, an dem über 600 (das ist mehr als die Hälfte der derzeit amtierenden) Richter teil-nahmen. Der Vorsitzende des Richterbundes U.W eitzb er g charakterisierte die gegenwärtige Situation in der Rechtsprechung folgendermaßen: „Die Rechtsordnung der alten DDR ist in weiten Teilen obsolet, erschüttert, beseitigt und nur teilweise erneuert, die Staatsverfassung ist ein Torso mit abgeschlagenen Gliedmaßen. Mit dem Abtritt der SED aus Artikel 1 der Verfassung wurde die Enthauptung vollzogen. Die einen Minister gingen, die neuen Minister kamen. Die alte Volkskammer löste sich in Namenlosigkeit auf und vergaß, sich für gesetzgeberische Fehlleistungen zu entschuldigen. Geblieben ist das Gros der Richter. Können sie bleiben? Wollen sie bleiben? Dürfen sie blei-bei? Das sind die Fragen, welche Parlament, Regierung und selbstredend die Richter beschäftigen Die dezimierte Richterschaft, zumeist nach der zweiten Hälfte der 50er Jahre geboren, kneift nicht vor dem enormen und an manchen Tagen unaushaltbaren moralischen Druck der justitiellen Vergangenheit, die neben vielen guten und kluge Entscheidungen auch stalinistische Unrechtsurteile umschließt.“ Er forderte, bei der Auswahl der künftig zur Berufung stehenden Richter rechtsstaatliche Prinzipien gelten zu lassen. Im Namen aller Richter entschuldigte U. Weitzberg sich bei den Opfern des Stalinismus. Der Minister der Justiz, Prof. Dr. K. Wünsche, unterstützte die Forderungen der Richter auf Sicherung ihrer Unabhängigkeit und wehrte sich wie in der letzten Zeit oft geschehen sei gegen die Gleichsetzung der gesamten Justiz mit der politischen Strafrechtsprechung. Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes der BRD, Dr. F.-J. Pelz, und der Vorsitzende der Neuen Richtervereinigung (BRD), K. Beer, unterstützten in ihren Grußworten das Verlangen nach einer rechtsstaatlichen Regelung des Richterdienstverhältnisses und versicherten die Richterschaft der DDR der Hilfe ihrer Kollegen. Der Richtertag beschloß das im folgenden abgedruckte Memorandum, das der Regierung und dem Parlament zugeleitet wurde. Memorandum Am Sonntag, dem 10. Juni 1990, versammelten sich in Berlin einiberufen vom Vorstand des Richterbundes der DDR, unserer unabhängigen Berufsvereinigung die Mehrheit der Richter aus allen Bezirken bzw. künftigen Ländern der DDR zum Außerordentlichen Richtertag. Wir haben in mehrstündiger demokratischer Aussprache unter dem Motto „Bürger Rechtsstaat Richter“ über die gegenwärtige Lage und die absehbare Zukunft der Rechtsprechung, der Gerichte und der Richter als Träger einer unabhängigen Dritten Gewalt in diesem Teil Deutschlands beraten. Mit Erleichterung stellen wir fest, daß unsere Haltung in den letzten Monaten, trotz massiver pauschalisierter und zum Teil ungerechtfertigter Angriffe auf die Justiz die Rechtsprechung zur Wahrung einer rechtsstaatlichen Entwicklung und damit im wohlverstandenen Interesse der Bevölkerung fortzusetzen, bei den Bürgern unseres Landes zu wieder zunehmender Akzeptanz der Gerichte, der Richter und weiteren Mitarbeiter geführt hat. Genugtuung empfinden wir über die Ausarbeitung und die am 31. Mai 1990 endlich begonnene parlamentarische Debatte zur Verabschiedung eines Richtergesetzes. Erstmalig besteht damit in der DDR die Chance der Herstellung umfassender gesetzlicher Garantien für eine wirklich unabhängige unparteiische Rechtsprechung, die den sachlich, persönlich und sozial völlig unabhängigen Richter voraussetzt. Wir begrüßen daher grundsätzlich diesen Gesetzentwurf, an dessen Regelungen Vertreter des Richterbundes zeitweilig mitgearbeitet haben, fordern seine baldige Inkraftsetzung und erklären: 1. Die Richterschaft der DDR ist in ihrer Masse fähig und bereit, in einer demokratisch verfaßten rechtsstaatlichen Ordnung ihre Tätigkeit nach bestem Wissen und Gewissen, ohne Ansehen der Person auszuüiben und sich gerecht und unparteiisch gegenüber jedermann zu verhalten. 2. Obgleich die weitaus größere Zahl gerichtlicher Entscheidungen in der Vergangenheit rechtsstaatlichen Ansprüchen genügte, die krassesten Fälle justitieller Willkür von wenigen, zumeist längst nicht mehr tätigen Richtern entschieden wurden, bekennen wir uns zu unserer Verantwortung für die Erblasten der Vergangenheit. 3. Wir anerkennen die Notwendigkeit des Rücktritts bzw. der Abberufung von Richtern, die nachweislich in der Vergangenheit zum Nachteil politisch Andersdenkender das geltende Recht in vorauseilendem Gehorsam gegenüber der herrschenden Macht, mit übermäßiger Härte oder unter Preisgabe des bescheidenen Spielraums richterlicher Unabhängigkeit angewandt oder Richter unter Mißbrauch einer leitenden Funktion dazu veranlaßt haben. 4. Nicht zu akzeptieren ist jedoch eine ungeprüfte, pauschalisierte oder kategorisierte Entlassung von Richtern ohne rechtliches Gehör und ohne Rechtsmittel gegen die Amtsenthebung. 5. Rechtsstaatlichkeit, die alle demokratischen Kräfte dieses Landes anstreben, muß selbst von Anfang an auf rechtsstaatlichem Weg und mit rechtsstaatlichen Mitteln erreicht weiden. 6. Die Aufrechterhaltung von Rechtsprechung und Rechtspflege gebietet sich zur Wahrung dieses rechtsstaatlichen Weges und damit zur weiterhin friedlichen und demokratischen Umgestaltung unserer Gesellschaft trotz zu erwartender Zunahme von sozialen Polarisierungen und sozialen Konflikten. Letztere kündigen sich bereits durch eine Flut von Arbeitsrechtsverfahren, aber auch zunehmende Gewaltstraftaten mit und ohne politische Motivierung an. 7. Bei zumindest teilweise über einen längeren Zeitraum weiter geltendem DDR-Recht ist die gegenwärtige Richterschaft der DDR, soweit nicht durch stalinistische Unrechtsurteile belastet, nicht kurzfristig ersetzbar, ja, sind ihre fachliche Kompetenz, ihre Kenntnis von Land und Leuten und ihr soziales Gewissen unverzichtbar. 8. Wir akzeptieren angesichts ablaufender Wahlperiode aber, daß die gegenwärtig im Amt befindlichen Richter nach dem Entwurf des Richtergesetzes zunächst durch einen aus Parlamentariern und Richtern bestehenden Richterwahlausschuß überprüft und dem Justizminster zur Berufung als Richter auf Probe bzw. als Richter auf Zeit vorgeschlagen werden, allerdings nur dann, wenn diese Zeit bis zur Berufung in die allein die Unabhängigkeit gewährleistende Lebensstellung so kurz wie möglich gehalten wird. 9. Nur sichere Richter können jetzt und in Zukunft sicher, unabhängig und gerecht das Recht anwenden. Wir sehen die Voraussetzung dafür in dem auf Lebenszeit berufenen Richter, der auch persönlich und sozial entsprechend seiner hohen Verantwortung gesichert ist. 10. Nach Ablauf von maximal zwei Jahren der Tätigkeit als Richter auf Zeit, Ohne daß begründete Vorwürfe gegen einen Richter vorliegen, muß zwingend seine Ernennung als Richter auf Lebenszeit gesetzlich festgeschrieben werden. 11. Die Forderung unserer unabhängigen Berufsvereinigung an die Richter, im Amt zu bleiben und die gerichtliche Tätigkeit aufrechtzuerhalten, der sie bisher im Interesse der Menschen gefolgt sind, hat künftig nur dann noch Gültigkeit, wenn alsbald die Entscheidung der Volkskammer für einen sicheren, unabhängigen Richter in dem aufgezeigten Sinne getroffen wird, damit unserem Land auf dem Wege in die Einheit Deutschlands der Rechtsfrieden gewahrt bleibe.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 290 (NJ DDR 1990, S. 290) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 290 (NJ DDR 1990, S. 290)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Der Vollzug der Untersuchungshaft hat der Feststellung der objektiven Wahrheit im Strafverfahren zu dienen. Die Feststellung der Wahrheit ist ein grundlegendes Prinzip des sozialistischen Strafverfahrens, heißt es in der Richtlinie des Plenums des Obersten Gerichts vom zu Fragen der gerichtlichen Beweisaufnahme und Wahrheitsfindung im sozialistischen Strafprozeß - Anweisung des Generalstaatsanwaltes der wissenschaftliche Arbeiten - Autorenkollektiv - grundlegende Anforderungen und Wege zur Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit im Ermittlungsverfahren Vertrauliche Verschlußsache . Die weitere Vervollkommnung der Vernehmungstaktik bei der Vernehmung von Beschuldigten und bei Verdächtigenbefragungen in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit Vertrauliche Verschlußsache - Zu den Möglichkeiten der Nutzung inoffizieller Beweismittel zur Erarbeitung einer unwiderlegbaren offiziellen Beweislage bei der Bearbeitung von Ermitt lungsverfahren. Die Planung ist eine wichtige Methode tschekistischer Untersuchungsarbeit. Das resultiert vor allem aus folgendem: Die Erfüllung des uns auf dem Parteitag der Neues Deutschland., Breshnew, Sicherer Frieden in allen Teilen der Welt bleibt oberstes Ziel der Rede vor dejn indischen Parlament Neues Deutschland., Honecker, Bericht des Zentralkomitees der an den Parteitag der Partei , Dietz Verlag Berlin, Referat des Generalsekretärs des der und Vorsitzenden des Staatsrates der Gen. Erich Honeeker, auf der Beratung des Sekretariats des mit den Kreissekretären, Geheime Verschlußsache Staatssicherheit Mielke, Referat auf der zentralen Dienstkonferenz zu ausgewählten Fragen der politisch-operativen Arbeit der Kreisdienststellen und deren Führung und Leitung gegeben. Die Diskussion hat die Notwendigkeit bestätigt, daß in der gesamten Führungs- und Leitungstätigkeit eine noch stärkere Konzentration auf die weitere Qualifizierung der Tätigkeit der Linie Untersuchung bei der Durchführung von Aktionen und Einsätzen anläßlich politischer und gesellschaftlicher Höhepunkte zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher ist die Untersuchung gosellschaftsschädlicher Handlungen Jugendlicher von bis unter Jahren ein politisch bedeutsamer und relativ eigenständiger Aufgabenkomplex.

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