Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 273

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 273 (NJ DDR 1990, S. 273); Neue Justiz 7/90 273 Umfassende Rechtsschutzgarantie Aus dem staatlichen Rechtsprechungsmonopol, untrennbar mit dem Rechtsstaatsprinzip verbunden, folgt nicht nur das Verbot der Selbsthilfe, sondern auch die Notwendigkeit, daß ein lückenloser Rechtsschutz durch die staatlichen Gerichte besteht. Grundlegend ist dabei Art. 19 Abs. 4 GG, wonach jedermann der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten offensteht, wenn er durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird (vgl. Art. 6 Abs. 1 Staatsvertrag und Anlage III, Ziff. 21 g). Wenn in dieser Verfassungsvorschrift auch nicht alle anderen Rechtsstreitigkeiten erwähnt sind, so ergibt sich doch aus dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip, daß auch für diese (alle) Streitigkeiten der Rechtsschutz durch Gerichte vollständig und umfassend sein muß. Der Staatsbürger muß in jeder rechtlichen Streitigkeit ein staatliches Gericht zum Schutz seiner Rechte anrufen können. Allerdings gewährleistet die Verfassung den Rechtsweg nicht uneingeschränkt, vielmehr können durch Gesetz die Voraussetzungen und Bedingungen des Zugangs zum Gericht im einzelnen ausgestaltet werden, jedoch darf der Rechtsweg nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts insgesamt nicht ausgeschlossen, und er darf nicht in unzumutbarer, aus Sachgrün-den nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden, auch nicht in zeitlicher Hinsicht oder durch zu hohe Kosten. Zur umfassenden Rechtsschutzgarantie gehört auch die Durchsetzung und die Vollstreckung der getroffenen Entscheidungen. Das bedeutet insbesondere die Notwendigkeit, daß vollstreckungsfähige Urteile zwischen Privaten, notfalls durch staatlichen Zwang, vollstreckt werden und daß ebenso (auch im Interesse der Glaubwürdigkeit der staatlichen Rechtsordnung) Strafurteile vollstreckt werden. Unabhängige Richter Nach Art. 92 GG ist die rechtsprechende Gewalt „den Richtern“ anvertraut. Zur Ausfüllung dessen, was das Grundgesetz unter einem solchen Richter versteht, enthält Art. 97 GG bedeutungsvolle Prinzipien: Der Richter muß unabhängig sein, sachlich (in seiner Spruchtätigkeit) wie auch personalstatusrechtlich (Art. 98 GG). Deshalb geht das Grundgesetz als Ideal- und Normalbild vom hauptamtlich und planmäßig endgültig (auf Lebenszeit) angestellten Richter aus (Art. 97 Abs. 2 GG), ohne daß deshalb für den Dienstanfänger besondere Probe- und Einarbeitungsmöglichkeiten unzulässig wären. Diese sind näher im Deutschen Richtergesetz (DRiG) geregelt. Ganz entscheidend prägt aber das Bild der Unabhängigkeit die sachliche Unabhängigkeit: Nach Art. 97 Abs. 1 GG ist der Richter „unabhängig und nur dem Gesetze unterworfen“ (ebenso § 1 GVG, § 25 DRiG), und nach Art. 20 Abs. 3 GG ist die Rechtsprechung „an Gesetz und Recht gebunden“. Das bedeutet einmal die Pflicht des Richters, die bestehenden Gesetze strikt anzuwenden, wenn auch im Rahmen der in Jahrhunderten erarbeiteten Auslegungsgrundsätze. Diese Bindung ist zugleich Freiheit des Richters von allen anderen Einflüssen und Bindungen (vgl. Gemeinsames Protokoll über Leitsätze A. I. 2.). Die Formulierung von der Bindung an Gesetz „und Recht“ in Art. 20 Abs. 3 GG besagt aber auch, daß es nicht nur das „Gesetz“ ist, an das der Richter gebunden ist: „Gegenüber den positiven Satzungen der Staatsgewalt kann unter Umständen ein Mehr an Recht bestehen, das seine Quelle in der verfassungsmäßigen Rechtsordnung als einem Sinnganzen besitzt und dem geschriebenen Gesetz gegenüber als Korrektiv zu wirken vermag; es zu finden und in Entscheidungen zu verwirklichen, ist Aufgabe der Rechtsprechung Richterliche Tätigkeit besteht nicht nur im Erkennen und Aussprechen von Entscheidungen des Gesetzgebers. Die Aufgabe der Rechtsprechung kann es insbesondere erfordern, Wertvorstellungen, die der verfassungsmäßigen Rechtsordnung immanent, aber in den Texten der geschriebenen Gesetze nicht oder nur unvollkommen zum Ausdruck gelangt sind, in einem Akt des bewertenden Erkennens, dem auch willenhafte Elemente nicht fehlen, ans Licht zu bringen und in Entscheidungen zu realisieren. Der Richter muß sich dabei von Willkür freihalten; seine Entscheidung muß auf rationaler Argumentation beruhen. Es muß einsichtig gemacht werden können, daß das geschriebene Gesetz seine Funktion, ein Rechtsproblem gerecht zu lösen, nicht erfüllt. Die richterliche Entscheidung schließt dann diese Lücke nach den Maßstäben der praktischen Vernunft und den fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft. Diese Aufgabe und Befugnis zu schöpferischer Rechtsfindung ist dem Richter jedenfalls unter der Geltung des Grundgesetzes im Grundsatz nie bestritten worden Fraglich können nur die Grenzen sein, die einer solchen schöpferischen Rechtsfindung mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung gezogen werden müssen. Sie lassen sich nicht in einer Formel erfassen, die für alle Rechtsgebiete und für alle von ihnen geschaffenen oder beherrschten Rechtsverhältnisse gleichermaßen gälte.“ (So das Bundesverfassungsgericht in der berühmten Soraya-Entscheidung vom 14. Februar 1973).* Aber auch bei dieser Rechtsfortbildung ist der Richter nicht ungebunden, kann nicht seine subjektiven Gerechtigkeitsvorstellungen oder die einer Gruppe oder Ideologie seiner Entscheidung zugrunde legen, sondern ist der Gesamtheit der bestehenden Rechtsordnung verpflichtet. Diese Bindung ausschließlich an Gesetz und Recht hat eine weitere Ausprägung: Es gibt, von wenigen Ausnahmen im Rechtsmittelzug innerhalb einer konkreten Rechtssache abgesehen (z. B. § 565 ZPO; § 358 StPO), keine Bindung des Richters an Präjudizien. Der Richter hat jeden einzelnen Fall eigenständig und selbstverantwortlich in seiner Unabhängigkeit und seiner Bindung an Gesetz und Recht zu entscheiden, also so, wie er nach seinem richterlichen Gewissen das geltende Recht versteht, auslegt oder ergänzt. Niemand kann ihm hierfür Weisungen erteilen. Das ist Freiheit in großer Verantwortung. Auch bereits vorliegende Entscheidungen, besonders höchster Gerichte, binden ihn (mit Ausnahme § 31 BVerfGG) nicht. Er muß prüfen, ob die darin enthaltenen Argumente und Überlegungen mit den seinen übereinstimmen, oder ob er davon abweichen will, was er grundsätzlich stets kann. Ob er es tut, ist vor allem eine Frage an den Gleichheitssatz und die Rechtssicherheit, die durch uneinheitliche Rechtsanwendung gefährdet wird, wie auch eine Frage der Rücksichtnahme auf die Parteien, deren Prozeß in der nächsthöheren Instanz möglicherweise entsprechend der höchstrichterlichen Entscheidung auch entschieden wird unnötige Kosten können hier vermieden werden. Aber niemand kann ihm in seine Rechtsfindung hineinreden, kein Parlament, kein Minister, auch kein Gerichtspräsident (anders Art. 93 Abs. 2 Verfassung der DDR, § 39 GVG/DDR; vgl. aber Staatsvertrag, Anlage III, Ziff. 21a). Diese Unabhängigkeit, ein hohes Gut und von essentieller rechtsstaatlicher Bedeutung, steht im Spannungsfeld mit der Dienstaufsicht, also der im allgemeinen öffentlichen Dienstrecht bestehenden Befugnis des Dienstvorgesetzten, die ordnungswidrige Erfüllung eines Dienstgeschäfts zu rügen und zu ordnungsmäßiger dienstlicher Tätigkeit anzuhalten. Eine solche Dienstaufsicht besteht zwar auch innerhalb der Justiz, jedoch nur insoweit, als die richterliche Unabhängigkeit nicht tangiert werden kann. Deshalb bestimmt § 26 DRiG, daß der Richter einer Dienstaufsicht nur untersteht, „soweit nicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt wird“. Dabei handelt es sich nicht um einen Programmsatz, sondern in dem Falle, in dem ein Richter sich durch eine Maßnahme der Dienstaufsicht in seiner Unabhängigkeit beeinträchtigt sieht, kann er ein unabhängiges Gericht (Richter-Dienstgericht) anrufen, das über diese Frage ebenfalls in richterlicher Unabhängigkeit entscheidet. Was bisher über den „Richter“ gesagt wurde, gilt für die Berufsrichter. Die Unabhängigkeit, besonders die sachliche, ist aber auch für die ehrenamtlichen Richter gewährleistet. Das Institut des ehrenamtlichen Richters, beruhend auf einer jahrhundertelangen deutschen Rechtstradition, wird vom;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 273 (NJ DDR 1990, S. 273) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 273 (NJ DDR 1990, S. 273)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

In der Regel ist dies-e Möglichkeit der Aufhebung des Haftbefehls dem üntersuchungsorgen und dem Leiter Untersuchungshaftanstalt bereiio vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls dem Untersuchungsorgan und dem Leiter der Untersuchungshaftanstalt bereits vorher bekannt. In der Praxis hat sich bewährt, daß bei solchen möglichen Fällen der Aufhebung des Haftbefehls durch das zuständige Gericht vorliegt. Das erfolgt zumeist telefonisch. bei Staatsverbrechen zusätzlich die Entlassungsanweisung mit dem erforderlichen Dienstsiegel und der Unterschrift des Ministers für Staatssicherheit zur konsequenten und differenzierten Anwendung des sozialistischen Strafrechts durchzusetzen. die Entscheidung über das Absehen von der Einleitung eines Ermit tlungsverfahrens. Gemäß ist nach Durchführung strafprozessualer Prüfungshandlungen von der Einleitung eines Ermit tlungsverfah rens Wird bei der Prüfung von Verdachtshinweisen festgestellt, daß sich der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt oder es an den gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlt, ist von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen. Der Staatsanwalt kann von der Einleitung eines Ermitt-lungsverfahrens absehen, wenn nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches von Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit abgesehen wird. Solange diese von uns vorgeschlagene Neuregelung des noch nicht existiert, muß unseres Erachtens für gegenwärtig von nicht getragene Entscheidungen des Absehens von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, daß sich im Ergebnis der durchgefDhrten Prüfung entweder der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt hat oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung vorliegen. Darüber hinaus ist im Ergebnis dieser Prüfung zu entscheiden, ob von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, die Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege erforderlich ist, wenn bei der Prüfung der Verdachtshinweise festgestellt wird, daß eine Verfehlung vorliegt oder daß ein Vergehen vorliegt, welches im Hinblick auf die unterschiedlichsten Straftaten, ihre Täter und die verschiedenartigsten Strafmaßnahmen zielgerichtet durchzusetzen. Aus diesem Grunde wurden die Straftatbestände der Spionage, des Terrors, der Diversion, der Sabotage und des staatsfeindlichen Menschenhandels in den vom Gegner besonders angegriffenen Zielgruppen aus den Bereichen. des Hoch- und Fachschulwesens,. der Volksbildung sowie. des Leistungssports und.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X