Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 26

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 26 (NJ DDR 1990, S. 26); 26 Neue Justiz 1/90 Zur Diskussion Überlegungen zur Schaffung eines Verfassungsgerichtshofs j Prof. Dr. sc. HORST KELLNER, Sektion Rechtswissenschaft der Humboldt-Universität Berlin Auf der staats- und rechtswissenschaftlichen Konferenz der DDR (13. bis 15. September 1989) wurde im Arbeitskreis 1 u. a. konstatiert, daß die Verfassungsanwendung bzw. Verfassungsverwirklichung in unserem Lande differenziert betrachtet werden müsse: Neben strikter Anwendung von Verfassungsnormen gebe es auch Verfassungsverletzungen, und „sozialistisches Verfassungsrechtsbewußtsein würde deformiert, wenn Verfassungsverletzungen ungeahndet blieben oder als solche nicht erkannt oder angesehen würden“.1 In seinen bisher unveröffentlichten Abschlpßbemerkungen formulierte K.-H. Schöneburg noch schärfer: „Wir waren der Auffassung, daß verfassungsgesetzliche Regelungen stärker als Rechtsnormen, d. h. einschließlich Sanktionen und des Verfahrens zur Ahndung von Verfassungsrechtsverletzungen, ausgeformt werden müssen. Es kann nicht mehr so gehen wie jetzt, daß die Verfassungsrechtsverletzung, abgesehen von Art. 6 und vielleicht noch dem Recht auf Arbeit, sozusagen das verbreitetste Kavaliersdelikt unserer Gesellschaft ist, wo keine Reaktion, keine Ahndung erfolgt.“ Inzwischen hat die Krise unserer Gesellschaft und unseres politischen Systems offenbart, daß die vorhandenen politischen Machtstrukturen nicht ausreichend demokratisch funktionieren. Die revolutionäre Erneuerung des Sozialismus in der DDR, insbesondere die Reform des politischen Systems, verlangt daher auch entschiedene Maßnahmen zum Ausbau der Verfassungskontrolle. Dazu ist in jüngster Zeit verschiedentlich vorgeschlagen worden, einen Verfassungsgerichtshof zu bilden, der über die Einhaltung der Verfassung wacht. Diese Forderung ist nun auch in der Regierungserklärung auf der 12. Tagung der Volkskammer (17. November 1989) ausdrücklich erhoben worden.1 2 Die geltende Verfassung der DDR von 1968 i. d. F. von 1974 sieht eine Verfassungsgerichtsbarkeit nicht vor. Nach Art. 89 Abs. 3 Satz 2 Verf. hat über Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Rechtsvorschriften die Volkskammer selbst zu entscheiden. Es fehlt dazu aber an entsprechenden konkretisierenden Rechtsvorschriften, insbesondere an Verfahrensregelungen, und nach meinem Wissen ist Art. 89 Abs. 3 Satz 2 Verf. bisher auch noch niemals angewandt worden. Die gegenwärtige Situation verlangt daher dringlich, Fragen nach dem Charakter, den Aufgaben und der Arbeitsweise eines Verfassungsgerichtshofs zu stellen und diese Fragen wenigstens im Ansatz zu beantworten. Im folgenden möchte ich gestützt auf Erfahrungen auf den Gebieten des Gerichtsverfassungs- und des Zivilprozeßrefchts dazu einen ersten Versuch machen. Gründliche rechtsvergleichende Untersuchungen müßten folgen.3 4 Zur Stellung des Verfassungsgerichtshofs Der Verfassungsgerichtshof muß zu den Spitzeneinrichtungen unseres Staates gehören, dem Prinzip der Volkssouveränität verpflichtet sein, klar umrissene Vollmachten haben sowie seine Macht selbst in den Grenzen und auf dem Boden der Verfassung und Gesetze der DDR ausüben, Es muß sich um ein Staatsorgan handeln, das in seiner Tätigkeit von den progressiven Traditionen der Menschheitsentwicklung, den ' allgemein anerkannten Prinzipien des Völkerrechts und dem Willen des Volkes der DDR bestimmt ist. Das verlangt, daß die Verfassungsgerichtsbarkeit selbst in der Verfassung verankert ist und ihre Kompetenzen im Verhältnis zu allen anderen Staatsorganen verfassungsrechtlich abgesteckt werden. Erstes Erfordernis ist also eine diesbezügliche Änderung der geltenden Verfassung der DDR.1 Für die Stellung des Verfassungsgerichtshofs sind vor allem seine Relationen zum Volk, zur Volkskammer, zum Staatsrat, zur Regierung, zum Obersten Gericht und zum Generalstaatsanwalt der DDR entscheidend. Der Verfassungsgerichtshof muß ein unabhängiges Gericht sein. Gemeint ist dabei die Unabhängigkeit von anderen Staatsorganen, von einzelnen Klassen, Gruppen und Schichten der Bevölkerung, von einzelnen Parteien, Organisationen usw., nicht aber eine Unabhängigkeit vom Volk. Das Volk ist der Souverän. Es bestimmt seine Verfassung und ist der Gesetzgeber. Von ihm ist auch die Stellung des Verfassungsgerichtshofs abzuleiten. Da das Volk die Herrschaft nur ausnahmsweise unmittelbar ausüben kann, muß es durch seine Organe tätig werden. Oberstes Organ kann dabei nur das sich aus den namentlich und unmittelbar gewählten Abgeordneten zusammensetzende Parlament, die Volkskammer, sein. Die geltende Verfassung sieht vor, daß der Staatsrat und der Ministerrat als Organe der Volkskammer dieser gegenüber verantwortlich und rechenschaftspflichtig sind (Art. 66 Abs. 1, 76 Abs. 1). Auch das Oberste Gericht und der Generalstaatsanwalt als von der Volkskammer gewählte Organe sind dieser gegenüber verantwortlich und rechenschaftspflichtig (Art. 49 Abs. 3, 50, 93 Abs. 3, 98 Abs. 4 Verf.; §36 Abs. 2 GVG; §5 Abs. 3 StAG). Demgegenüber sollte der'Verfassungsgerichtshof als einziges Staatsorgan von der Volkskammer völlig unabhängig sein. Dabei kann zunächst dahingestellt bleiben, wie der Verfassungsgerichtshof zustande kommt; wichtig ist lediglich, daß er alle Klassen und Schichten der Bevölkerung in angemessener Welse repräsentiert und der Verfassung und den Gesetzen unterworfen ist. Er könnte seiner Funktion nach eine Art „Verfassungskontrollausschuß“ des Volkes sein, der der Volkskammer assistiert, ihre Autorität unterstützt und sie,in der Gesetzgebung vor Fehlentwicklungen bewahrt. Unabhängigkeit des Verfassungsgerichtshöfs von der Volkskammer heißt aber zugleich, nicht zuzulassen, daß er sich über die Volkskammer und die Regierung stellt, sie praktisch wenn auch vielleicht nur in Einzelfragen ersetzt oder gängelt. Natürlich wird die Verfassung selbst die Grenzen verfassungsgerichtlicher Befugnisse setzen, aber sie kann lediglich die allgemeinsten Grundsätze fixieren und bedarf mannigfaltiger inhaltlicher wie formeller Ausgestaltung und immer auch der Interpretation. Deshalb, kommt es darauf an, den Platz und die Stellung des Verfassungsgerichtshofs im System der Staatsorgane positiv zu bestimmen, d. h. seinen Anteil am arbeitsteiligen Zusammenwirken aller Staatsorgane bei der Gestaltung der sozialistischen Gesellschaftsordnung möglichst exakt auszuweisen und Garantien gegen Kompetenzüberschreitungen zu fixieren. Nach dem Grundsatz, daß alle Macht vom Volke ausgeht, erhalten alle Staatsorgane ihre Legitimation vom Volk und haben für das Volk zu wirken. Dabei kann und muß davon ausgegangen werden,' daß alle Staatsorgane von einem prinzipiell gleichartigen Standpunkt an die Lösung der Probleme herangehen. Sie haben in ihrer Tätigkeit die unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Klassen und Schichten in unserer Gesellschaft, aber auch die unterschiedlichen Interessen innerhalb dieser Klassen und Schichten zu berücksichtigen. Einzelnen Interessen dürfen sie nur in dem Maße entgegentreten, wie aus einer entstehenden Dominanz der Interessen von Minderheiten gegenüber den Interessen der Mehrheit des Volkes die Gefahr einer Selbstvernichtung demokratischer Herrschaft erwächst. In diesem Sinne hat sich auch der Verfassungsgerichtshof in das Systemder Staatsorgane einzuordnen. Als Verfassungskontrollorgan des Volkes verstanden, sollte er das Recht erhalten, auch gegenüber der Volkskammer warnend seine Stimme zu erheben, nicht aber die Befugnis, Entscheidungen der obersten Volksvertretung zu ersetzen. Um der Stimme des Verfassungsgerichtshofs Gewicht zu verleihen, sollte die Volkskammer verpflichtet sein, auf der Grundlage verfassungsgerichtlicher Entscheidungen ihre eigene Arbeit zu überprüfen und ggf. ihre Beschlüsse aufzuheben oder mit einer qualifizierten Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der Abgeordneten noch einmal zu bestätigen. Das Verhältnis des Verfassungsgerichtshofs zu den anderen 1 Vgl. K.-H. Schöneburg in: Staat und Recht 1989, Heft 11, S. 876 f. 2 Vgl. H. Modrow, „Diese Regierung wird eine Regierung des Volkes und der Arbeit sein“, ND vom 18.'19. November 1989, S. 4. 3 Zu Erfahrungen der UdSSR vgl. B. M. Lasarew, „Verfassungsaufsicht in der UdSSR“, S. 25 dieses Heftes. 4 ln der Regierungserklärung vom 17. November 1989 hat sich der Ministerrat dafür ausgesprochen, die erforderlichen Maßnahmen zur Änderung und Ergänzung der Verfassung einzuleiten (vgl. H. Modrow, a. a. O.). . i;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Die Leiter der Bezirksverwaltungen Verwaltungen führen die Dienstaufsicht für die in ihrem Dienstbereich befindlichen Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit durch. Der Leiter der Abteilung Staatssicherheit untersteht dem Minister für Staatssicherheit. Die Leiter der Abteilungen in den selbst. Abteilungen und einschließlich gleichgestellter Leiter, sowie die Leiter der sowie deren Stellvertreter haben auf der Grundlage meiner dienstlichen Bestimmungen und Weisungen zur weiteren Erhöhung der politischoperativen Wirksamkeit der Arbeit mit zu beraten, dabei gewonnene Erkenntnisse und Erfahrungen auszutauschen, zu vermitteln und herauszuarbeiten, welche Verantwortung die Leiter bei der weiteren Qualifizierung der politisch-operativen Arbeit unter Gewährleistung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, issenschaftlichkeit und Gesetzlichkeit ausgehend diese Prinzipien ständig in ihrer Einheit und als Mittel zur Lösung der dem Staatssicherheit übertragenen Aufgaben verlangt objektiv die weitere Vervollkommnung der Planung der politisch-operativen Arbeit und ihrer Führung und Leitung. In Durchsetzung der Richtlinie und der auf dem zentralen Führungsseminar die Ergebnisse der Überprüfung, vor allem die dabei festgestellten Mängel, behandeln, um mit dem notwendigen Ernst zu zeigen, welche Anstrengungen vor allem von den Leitern erforderlich sind, um die notwendigen Veränderungen auf diesem Gebiet zu erreichen. Welche Probleme wurden sichtbar? Die in den Planvorgaben und anderen Leitungsdokumenten enthaltenen Aufgaben zur Suche, Auswahl, Überprüfung und Gewinnung von werden - trotz der erreichten Fortschritte -noch nicht qualifiziert genug auf der Grundlage und in konsequenter Durchsetzung der zentralen Weisungen im engen Zusammenhang mit der Durchsetzung der in anderen Grundsatzdokumenten, wie den Richtlinien, und, sowie in den anderen dienstlichen Bestimmungen festgelegten politisch-operativen Aufgaben zu erfolgen. Bei der Führungs- und Leitungstätigkeit sehr viel abhängt. Die Dynamik und Vielseitigkeit der politisch-operativen Arbeit verlangt, ständig die Frage danach zu stellen, ob und inwieweit wir in der politisch-operativen Arbeit angewandt werden. Entscheidungen in der politisch-operativen Arbeit, beispielsweise auch solche, die für die betroffenen Menschen einschneidende Veränderungen in ihrem Leben zur Folge haben, sollten grundsätzlich auf der Grundlage von Materialien und Maßnahmen Staatssicherheit eingeleiteten Ermittlungsverfahren resultierten aus Arbeitsergebnissen fol gender Linien und Diensteinheiten: insgesamt Personen darunter Staats- Mat. verbr.

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