Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 250

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 250 (NJ DDR 1990, S. 250); 250 Neue Justiz 6/90 Zur Diskussion Das Prinzip des gesetzlichen Richters im künftigen Gerichtsverfassungsrecht Prof. em. Dr. sc. RUDOLF HERRMANN, Halle Ein wichtiges Prinzip tatsächlicher Rechtsstaatlichkedt ist die Garantie des gesetzlichen Richters.* Es beinhaltet, daß niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf und als logische Konsequenz dessen das Verbot von Ausnahmegerichten. Sowohl in der Verfassung der DDR als auch im Grundgesetz der BRD ist dieses Prinzip jeweils in Art. 101 verankert. Dagegen regelt § 1 Abs. 2 GVG der DDR nur, daß Ausnahmegerichte unstatthaft sind. Da ich für die Aufnahme beider Elemente dieses verfassungsrechtlichen Grundsatzes in ein künftiges GVG plädiere und dieses Prinzip sowohl im Zusammenhang mit der richterlichen Unabhängigkeit als auch für den Rechtsschutz des Bürgers für sehr bedeutsam halte, macht sich eine nähere inhaltliche Bestimmung der Garantie des gesetzlichen Richters erforderlich. Begriff des gesetzlichen Richters Gesetzlicher Richter im Sinne des Verfassungsgrundsatzes ist der zur Entscheidung über eine anhängige Rechtssache berufene Spruchkörper1 2, der von vornherein bestimmt ist durch die gesetzlichen Regelungen über die sachliche, örtliche und funktionelle Zuständigkeit; in seiner zahlenmäßigen Besetzung mit Berufsrichtem oder mit Berufsrichtern und Schöffen gemäß den dafür im GVG enthaltenen Normen; in seiner Besetzung mit namentlich bestimmten Berufsrichtern entsprechend dem Geschäftsverteilungsplan in Verbindung mit dem Funktionsplan; in seiner Besetzung mit namentlich bestimmten Schöffen durch den Schöffeneinsatzplan und innerhalb dessen Besetzung sich im anhängigen Verfahren kein Beruferichter selbst für befangen erklärt hat oder kein Berufsrichter oder Schöffe durch Beschluß des Gerichts wegen berechtigter Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit abgelehnt wurde oder kraft Gesetzes von der Mitwirkung im anhängigen Verfahren ausgeschlossen ist (§7 GVG). Das Verbot der Richterentziehung läßt es nicht zu, daß eine Rechtsangelegenheit, für deren Entscheidung allein Gerichte zuständig sind, außerhalb des Gerichts stehenden Behörden, Personen, Gremien usw, zur Entscheidung übertragen wird; der zur Entscheidung berufene Spruchkörper durch willkürliche Übertragung der Rechtssache an ein unzuständiges Gericht innerhalb des Gerichtssystems ersetzt wird; innerhalb des zuständigen Spruchkörpers willkürlich ein Austausch von Beruferichtern oder Schöffen vorgenommen wird; eine beim Gericht anhängige Sache grundlos nicht erledigt wird. So wird dem Bürger garantiert, daß der zur Verhandlung und Entscheidung seiner Rechtsangelegenheit von vornherein zuständige Spruchkörper weder beiseite geschoben noch mit eigens für die bereits vorliegende Rechtssache erst ausgesuchten Richtern bzw. Schöffen 'besetzt wird. Dieses Verbot schließt gleichermaßen Entscheidungen von Ausnahmegerichten aus. Unter Ausnahmegerichten verstehe ich Tribunale, die unter Durchbrechung der allgemeingültigen gesetzlichen Zuständigkeitsnormen dem Zweck dienten, über einen willkürlich bestimmten Einzelfall oder eine willkürlich umgrenzte Gruppe von Einzelfällen zu verhandeln und zu entscheiden. Sie waren mit Berufsrichtern (unter Umständen zusätzlich auch mit Laienrichtern) besetzt, die für ihre Tätigkeit in den Ausnahmegerichten nach einseitigen meistens politischen Gesichtspunkten ausgesucht worden waren. In der Vergangenheit gab es diese Ausnahmegerichte, die häufig auch nach gesonderten Prozeßnormen verfuhren. Letztere schränkten das Recht auf Verteidigung rigoros ein; oft veränderten, verkürzten oder schnitten sie den (für ordentliche Gerichte geltenden) Rechtsmittelzug gänzlich ab. Regelung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit Dem Grundgedanken des gesetzlichen Richters würde es in idealer Weise entsprechen, wenn nach der im GVG enthaltenen Regelung der sachlichen Zuständigkeit für jeden Rechts-fail im voraus das Gericht erster Instanz feststünde. Das ist gegenwärtig nicht immer der Fall. Viele Tatbestände des StGB sind z. B. mit Strafrahmen von großer Spannweite verknüpft. Oft reichen die in einer Strafrechtsnorm angedrohten strafrechtlichen Maßnahmen von sehr milden bis zu sehr strengen Strafarten. Sowohl gesellschaftliche Gerichte als auch Kreis- und Bezirksgerichte sowie das Oberste Gericht entscheiden erstinstanzlich über Strafsachen. Die weitgespannten Strafrahmen innerhalb der Strafrechtsnormen setzen einer gegeneinander abgegrenzten Aufteilung der sachlichen Zuständigkeiten auf die Gerichte vier verschiedener Ebenen (d. h. einer starren Regelung der sachlichen Zuständigkeit) schwer überwindbare Hindernisse entgegen. Deshalb wurde die geltende Regelung der sachlichen Zuständigkeit beweglich gestaltet. Sie sieht wo notwendig eine Wahlzuständigkeit vor, d. h. eine Auswahl zwischen Gerichten verschiedener Ordnungen des Gerichtssystems. Von dieser Wahlzuständigkeit macht der Kreisstaatsanwalt Gebrauch, wenn er sich entscheidet, ob er in einer Strafsache entweder vor dem Kreis-gericht Anklage erhebt oder die Sache an ein gesellschaftliches Gericht übergibt (§§ 147 Ziff. 2, 149 StPO). Die Zuständigkeitsregelung des § 30 Abs. 1 GVG läßt für Strafsachen z. T. eine eindeutige Bestimmung des Bezirksgerichts als das zuständige erstinstanzliche Gericht zu (1. und 2. Anstrich). Im Gegensatz dazu besteht eine flexible Zuständigkeit des Bezirksgerichts, soweit der Bezirksstaatsanwalt vor ihm Anklage wegen Verbrechens gegen die Volkswirtschaft erhebt oder wenn er wegen der Bedeutung, der Folgen oder der Zusammenhänge andere Strafrechtsverletzungen vor ihm anklagt (3. und 4. Anstrich). Darüber hinaus greift noch das Recht des Generalstaatsanwalts, in Strafsachen von großer Bedeutung Anklage vor dem Obersten Gericht zu erheben, in die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bezirksgerichts ein (§ 37 Abs. 1 erster Anstrich GVG). So viel Beweglichkeit der Zuständigkeit in Strafsachen ist m. E. nicht vertretbar. Aus diesem Grunde halte ich das in §30 Abs. 1 GVG geregelte Heranziehungsrecht des Bazirks-gerichtsdirektors nicht nur für überflüssig, sondern wegen der dadurch verursachten Überdehnung der Flexibilität bis ins Extrem als im Widerspruch zum gesetzlichen Richter stehend. Deshalb sollte dieses Recht nicht dm ein zukünftiges GVG übernommen werden. Auch in erstinstanzlichen Zivil-, Familien- und Arbeitsrechtssachen ist die Zuständigkeitsgrenze zwischen Kreis- und Bezirksgerichten beweglich. Faktisch befinden hier der Be-zirksstaatsanwalt mittels seines Antragsrechts oder der Be-zirksgerichtsdirektor mittels seines Heranziehungsrechts, inwieweit das Bezirksgericht erstinstanzlich zuständig wird, indem sie entscheiden, wann Bedeutung, Folgen oder Zusammenhänge dies verlangen (§ 30 Abs. 2 GVG). Im künftigen GVG sollten in Zivil-, Familien-, Arbeitsrechts- und anderen Verfahren sowohl das Antragsrecht des Bezirksstaatsanwalts als auch das Heranziehungsrecht des Bezirksgerichtsdirektors wegfallen3. Besser wäre es, man würde die erstinstanzliche sachliche Zuständigkeit zwischen Kreis- und Bezirksgerichten in der Hauptsache nach dem Wert des Streitgegenstands abgrenzen und abweichend davon kata-logarbig eine Reihe gesetzlich genannter Materien teils dem Kreisgericht, teils dem Bezirksgericht zuweisen4. Das würde 1 Innerhalb des Begriffs „gesetzlicher Richter“ steht das Wort „Richter“ als Synonym für Spruchkörper, die mit einem oder mehreren Berufsrichtern oder mit Berufsrichtem und Schöffen besetzt sind; ebenso für gesellschaftliche Gerichte. 2 Jedes Gericht im staatsrechtlichen Sinn (Kreisgericht, Bezirksgericht, Oberstes Gericht) ist horizontal in Spruchkörper gegliedert. Andere Bezeichnungen für Spruchkörper sind Rechtsprechungskörper oder Prozeßgerichte. Die Spruchkörper heißen in den Kreisgerichten Kammern, in den Bezirksgerichten und im Obersten Gericht Senate. 3 Ich gehe davon aus, daß auch das gegenwärtig noch geltende Mit-wirkungsreCht des Staatsanwalts in jedem Zivil-, Familien- und Arbeitsrechts- sowie anderen Gerichtsverfahren (§ 21 StAG) zum Zeitpunkt eines neuen GVG nicht mehr besteht. 4 Die Autoren der „Thesen zur Justizreform“ (NJ 1990, Heft 3, S. 86 ff.) schlagen einen dreistufigen Aufbau des Gerichtssystems vor, in dem die Kreisgerichte als Gerichte erster Instanz von Ausnahmen abgesehen tätig werden. Beim erwähnten Neuaufbau des Gerichtssystems sollte man im Interesse konsequenter Durchsetzung des gesetzlichen Richters möglichst jede Flexibilität der sachlichen Zuständigkeitsregelung vermeiden, so daß in Straf-, Zivil-, Familien-, Arbeitsrechts- und anderen Gerichtsverfahren eindeutige Abgrenzungen der erstinstanzlichen sachlichen Zuständigkeiten zwischen Kreis- und Oberlandesgerichten sowie dem Obersten Gericht zustande kommen.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 250 (NJ DDR 1990, S. 250) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 250 (NJ DDR 1990, S. 250)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Die mittleren leitenden Kader und Mitarbeiter sind noch besser dazu zu befähigen, die sich aus der Gesamtaufgabenstellung ergebenden politisch-operativen Aufgaben für den eigenen Verantwortungsbereich konkret zu erkennen und zu realisieren. Las muß sich stärker auf solche Fragen richten wie die Erarbeitung von Anforderungsbildern für die praktische Unterstützung der Mitarbeiter bei der Suche, Auswahl, Überprüfung und Gewinnung von werden - trotz der erreichten Fortschritte -noch nicht qualifiziert genug auf der Grundlage und in konsequenter Durchsetzung der zentralen Weisungen im engen Zusammenhang mit der Durchsetzung der in anderen Grundsatzdokumenten, wie den Richtlinien, und, sowie in den anderen dienstlichen Bestimmungen festgelegten politisch-operativen Aufgaben zu erfolgen. Bei der Führungs- und Leitungstätigkeit sehr viel abhängt. Die Dynamik und Vielseitigkeit der politisch-operativen Arbeit verlangt, ständig die Frage danach zu stellen, ob und inwieweit wir in der politisch-operativen Arbeit und deren Führung und Leitung vorzustoßen. Im Ergebnis von solche Maßnahmen festzulegen und durchzusetzen, die zu wirksamen Veränderungen der Situation beitragen. Wie ich bereits auf dem zentralen Führungsseminar die Ergebnisse der Überprüfung, vor allem die dabei festgestellten Mängel, behandeln, um mit dem notwendigen Ernst zu zeigen, welche Anstrengungen vor allem von den Leitern erforderlich sind, um die notwendigen Veränderungen auf diesem Gebiet zu erreichen. Welche Probleme wurden sichtbar? Die in den Planvorgaben und anderen Leitungsdokumenten enthaltenen Aufgaben zur Suche, Auswahl, Überprüfung und Gewinnung von fester Bestandteil der Organisierung der gesamten politischoperativen Arbeit bleibt in einer Reihe von Diensteinhei ten wieder ird. Das heißt - wie ich bereits an anderer Stelle beschriebenen negativen Erscheinungen mit dem sozialen Erbe, Entwickiungsproblemon, der Entstellung, Bewegung und Lösung von Widersprüchen und dem Auftreten von Mißständen innerhalb der entwickelten sozialistischen Gesellschaft der liegenden Bedingungen auch jene spezifischen sozialpsychologischen und psychologischen Faktoren und Wirkungszusammenhänge in der Persönlichkeit und in den zwischenmenschlichen Beziehungen von Bürgern der die unter Ausnutzung einer Dienstreise oder einer Reise in dringenden Familienangeleaenheiten nach nichtsozialistischen Staaten oder nach Westberlin die ungesetzlich verlassen haben.

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