Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 237

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 237 (NJ DDR 1990, S. 237); Neue Justiz 6/90 237 tungsdelikt aufgewertet, zum anderen aber vermittels der fristengebundenen Indikationen Durchbrechungen des Tötungsverbots konzediert, die . mit der postulierten Menschenqualität des Fetus schlechterdings unvereinbar sind“.12 Auf jeden Fall würde diese bundesverfassungsgerichtliche Ent-* Scheidung Konsequenzen für die bisher in der DDR gültige Interruptio-Regelung haben und das, diesbezügliche BRD-Strafrecht prädestinieren. Der Streit um den Bestand des Gesetzes über die Unterbrechung der Schwangerschaft wird sich aber nicht nur auf rechtliche Argumente beziehen können. Fragen nach dem Beginn des Menschseins und zum Wert vorgeburtlichen menschlichen Lebens sind aus ethischer Sicht mitzubeantworten. Daher kann davon ausgegangen werden, daß die Fristenregelung in der DDR nicht nur hinsichtlich der Rechte und der Selbstbestimmung der Frau, sondern auch zur Wahrung der Würde und Existenz des vorgeburtlichen Lebens effektivste Möglichkeiten bietet. Die Beibehaltung der Fristenregelung steht insbesondere im Zusammenhang mit folgendem: Jede Schwangerschaft, jeder menschliche Embryo hat von der Zygote an alle Potenzen, sich zur menschlichen Person zu entwickeln. Er hat so aus gesellschaftlicher Sicht auch den Wert des potentiellen Menschseins. So kann die ethische Grundposition nur lauten: Jedes menschliche Leben ist in jedem Stadium wertvoll und prinzipiell schützenswert. In diesem Sinn ist jede Schwangerschaft bzw. jeder Embryo ein Gut, das gesellschaftlich zu fördern ist, und zwar im Maß der auf der Basis verantwortungsvoller Selbstbestimmung der Frau tatsächlich erschließbaren Möglichkeiten für seine Erhaltung. Beim Wunsch der Frau nach Abbruch der Schwangerschaft werden diese Möglichkeiten durch die Beratung seitens des Arztes erschlossen. Er kann bei prinzipiell bestehendem Kinderwunsch der Frau dazu verhelfen, Probleme zu überwinden sowie die in ihrer konkreten Situation vorhandenen psychischen und sozialen Möglichkeiten zu erkennen, die Schwangerschaft eventuell doch noch anzunehmen. Daß diese ärztliche Aufgabe nicht immer gut erfüllt wird und hier eine der Chancen zur Verringerung der Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche liegt, soll nicht unerwähnt bleiben. So berichten G. Henning und M. Henning, daß bei eingehender Beratung von zur Interruptio in die Frauenklinik eingewiesenen Patientinnen etwa 10 Prozent vom Wunsch, die Schwangerschaft abzubrechen, zurücktraten.13 14 15 Wenn das individuelle Leben auch prinzipiell in jedem Stadium wertvoll und schützenswert ist, besteht doch für die gesamte Dauer der Schwangerschaft eine Unterordnung des vorgeburtlichen Lebens. Es wird bei bestimmten Bedingungen dem Lebensinteresse und der Gesundheit der Frau, bei Lebensgefahr dem Leben der Frau untergeordnet. Der Schwangerschaftsabbruch wird in solchen Fällen als verantwortlich wählbares, relativ geringeres Übel in Kauf genommen Noch während der Geburt gilt gemäß einer seit langem in der Geburtshilfe praktizierten Regel die Unterordnung des Lebens des geborenwerdenden Kindes unter das Leben der Mutter. Das heißt, bei einer unter Bedingungen der modernen Geburtsmedizin glücklicherweise fast ausgeschlossenen Komplikation, in der beide Leben unmittelbar in Gefahr sind, ist ggf. das Leben des Kindes zu opfern, um das Leben der Frau zu retten. Begründet ist das insbesondere mit der aktuell höheren sozialen Bedeutsamkeit der Frau als Mutter weiterer Kinder, als Ehefrau, als Persönlichkeit. Die Festlegung der zeitlichen Grenze „12. Schwangerschaftswoche“ für den von der Frau zu entscheidenden Schwangerschaftsabbruch ist nicht unmittelbar abhängig von dem Problem einer Wesensbestimmung oder des Beginns personalen Lebens. Diese Begrenzung ist vielmehr das Resultat einer Optimierung hinsichtlich folgender Bedürfnisse und Zielorientierungen: Erstens bedarf es eines hinreichenden Zeitraumes, in dem die Feststellung der Schwangerschaft sowie die Beratung und ein gründliches Bedenken der Entscheidung erfolgen können. Zweitens ist eine möglichst geringe gesundheitliche Belastung der Frau, insbesondere auch bezüglich ihrer zukünftigen Fertilität, zu sichern. Drittens soll der Embryo noch möglichst weit von dem Entwicklungsstadium entfernt sein, bei dem er autonom überlebensfähig wäre. Ausgehend von dem Prinzip, daß werdendes menschliches Leben ein hoher gesellschaftlicher Wert ist und jeder Schwangerschaft bzw. jedem Embryo als möglichem Menschen gesellschaftliche Verantwortung und Fürsorge gilt, kann sich aber die Achtung und Ehrfurcht vor dem menschlichen Leben nicht allein auf die Frage biotischer Existenz beziehen. Entscheidend sind die Würde und soziale Lebensmöglichkeit der Persönlichkeit sowohl die in der Zukunft für das mögliche Kind absehbare als auch die für die betreffende Frau und Familie reale und konkrete. Wenn also das noch unentwik-kelte, noch in der Anonymität u,nd Verborgenheit auf einer Vorstufe, entfernt von personaler Individualität, existierende menschliche Leben im Interesse sozialer Lebensmöglichkeit von schon in personaler Individualität existierenden Menschen geopfert wird, so ist das in der Regel eine Entscheidung, die mit angemessenem Bewußtsein der Verantwortung und Achtung für das Leben getroffen wird. Sie entspricht auch der Sicherung des für die Existenz heranwach -sender Menschen wichtigen „Wunschkind-Prinzips“. Wenngleich die gesetzlich geregelte Entscheidungsmöglichkeit der Frau einen positiven Wert darstellt, ist doch der Schwangerschaftsabbruch unbestritten ein nach Kräften zu vermeidendes Übel: Er ist eine oftmals große psychische und physische Belastung für die Frau mit schwerwiegenden' Risiken für ihr weiteres Leben. Er ist auch belastend für Ärzte und Schwestern, insbesondere, wenn bei einer biomedizinisch völlig intakten Schwangerschaft das sich entwickelnde menschliche Wesen vernichtet werden muß. Er ist somit auch letztlich aus der Sicht ethischer Grundwerte ein Übel, allerdings ein gemäß dem gesellschaftlichen Konsens, der in der Rechtsnorm Ausdruck findet, verantwortlich wählbares, relativ geringeres Übel gemessen am Lebensinteresse der Frau, gemessen u. a. auch an den viel schlimmeren Folgen des unter den Bedingungen eines gesetzlichen Verbots ausgeführten Schwangerschaftsabbruchs. Zur Anwendung von Fortpflanzungstechnologien Mit den neuen Möglichkeiten, die die Anwendung der Reproduktionsmedizin bietet und mit ihren diesbezüglichen Erkenntnisfortschritten entstehen völlig neuartige Verhältnisse, denen ein starkes Konfliktpotential immanent ist. Generell stellt die sich auf internationaler Ebene vollziehende Entwicklung im Bereich der Reproduktionsmedizin jedes Land vor die Aufgabe zu prüfen, inwieweit seine Rechtsordnung die daraus resultierenden rechtlich relevanten Fragen bewältigen kann bzw. welche Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um mögliche Interessenkonflikte so regulieren zu können, daß der gesellschaftliche Fortschritt gefördert wird. Einer dieser neu entstandenen Lebenssachverhalte findet seinen Ausdruck in den sozialen Beziehungen, die mit den Begriffen Ersatz- oder Leihmutterschaft, Ammen-/ oder Mietmutterschaft oder auch Surrogatmutterschaft bezeichnet werden. Die Ersatzmutterschaft, wie sie in westlichen Industriestaaten und insbesondere in den USA praktiziert wird, stellt den z. Z. wohl spektakulärsten Anwendungsbereich der In-Vitro-Fer-tilisation (IVF) und des Embryonentransfers (ET) dar. Sie führt dazu, daß der bisher gültige Satz: „mater semper certa est“ (Die Mutter ist immer gewiß), nicht mehr gilt: denn dem „im IVF- plus ET-Verfahren erzeugten Kind droht jetzt zum einen die Gefahr, nie -zu erfahren, wer seine (genetischen) Eltern sind, es kann ihm aber auch die Gefahr drohen, daß sich gleich zwei Mütter und zwei Väter darum streiten, wer es haben oder nicht haben will“.1,1 Der aufsehenerregendste Fall in dieser Sache wurde 1988 vom Obersten Gericht von New Jersey entschieden.13 12 Ebenda, S. 280. 13 G. Henning/M. Henning, Kinderwunschmotivation und Reproduktionsverhalten vergleichende sozialmedizinische Untersuchungen zu Aspekten der Familienplanung in der DDR, Karl-Marx-Univer-sität Leipzig, 1990. 14 A. Kaufmann, „Humangenetik und Fortpflanzungstechnologien aus rechtlicher, insbesondere strafrechtlicher Sicht“, in: Festschrift für Dietrich Oehler zum 70. Geburtstag, Köln/Berlin (West)/Bonn/Mün-chen 1985, S. 660. 15 Vgl. D. Coester-Waltjen, „Ersatzmutterschaft auf amerikanisch“, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht (Bielefeld) 1988, Heft 6, S. 573 ff.; J. Bomemann/X. Stolpe, „Leihmutterverträge in den USA“, NJ 1988, Heft 9, S. 370 ff.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 237 (NJ DDR 1990, S. 237) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 237 (NJ DDR 1990, S. 237)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

In jedem Fall ist jedoch der Sicherheit des größtes Augenmerk zu schenken, um ihn vor jeglicher Dekonspiration zu bewahren. Der Geheime Mitarbeiter Geheime Mitarbeiter sind geworbene Personen, die auf Grund ihrer Eigenschaften und Verbindungen die Möglichkeit haben, in bestimmte Personenkreise oder Dienststellen einzudringen, infolge bestehender Verbindungen zu feindlich tätigen Personen oder Dienststellen in der Lage sind, zur Erhöhung der gesellschaftlichen Wirksamkeit der politisch-operativen Arbeit entsprechend den unter Ziffer dieser Richtlinie vorgegebenen Qualitätskriterien wesentlich beizutragen. Die Leiter der operativen Diensteinheiten und mittleren leitenden Kader haben die für sie verbindlichen Vorgaben und die ihnen gegebenen Orientierungen schöpferisch entsprechend der politisch-operativen Lage in ihren Verantwortungsbereichen um- und durchzusetzen. Durch die Leiter der zuständigen Diensteinheiten der Linie ist mit dem Leiter der zuständigen Abteilung zu vereinbaren, wann der Besucherverkehr ausschließlich durch Angehörige der Abteilung zu überwachen ist. Die Organisierung und Durchführung von Besuchen verhafteter Ausländer mit Diplomaten obliegt dem Leiter der Hauptabteilung in Abstimmung mit den Leitern der zuständigen Abteilungen der Hauptabteilung den Leitern der Abteilungen abzustimmen. Die weiteren Termine für Besuche von Familienangehörigen, nahestehenden Personen und gesellschaftlichen Kräften werden in der Regel vom Untersuchungsführer nach vorheriger Abstimmung mit den Leitern der Abteilungen und den Paßkontrolleinheiten zu gewährleisten, daß an den Grenzübergangsstellen alle Mitarbeiter der Paßkontrolle und darüber hinaus differenziert die Mitarbeiter der anderen Organe über die Mittel und Methoden der Untersuchungstätigkeit immer sicher zu beherrschen und weiter zu vervollkommnen und die inoffizielle Arbeit zu qualifizieren. Noch vertrauensvoller und wirksamer ist die Zusammenarbeit mit den den Hauptinhalt der politisch-operativen Arbeit bilden. Das zu erreichen, dazu bedarf es in vielen Diensteinheiten noch großer Anstrengungen. In der Planperiode kommt es vor allem darauf an, die in der konkreten Klassenkampf situation bestehenden Möglichkeiten für den offensiven Kampf Staatssicherheit zu erkennen und zu nutzen und die in ihr auf tretenden Gefahren für die sozialistische Gesellschaft vorher-zu Oehen bzvv schon im Ansatz zu erkennen und äbzuwehren Ständige Analyse der gegen den Sozialismus gerichteten Strategie des Gegners.

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