Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 23

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 23 (NJ DDR 1990, S. 23); Neue Justiz 1/90 23 Verwaltung und Gesetzlichkeit Ermessensentscheidungen der Verwaltungsorgane * Prof. Dr. sc. KARL BÖNNINGER, Sektion Rechtswissenschaft der Karl-Marx-Universität Leipzig Die mit Inkrafttreten (1. Juli 1989) des Gesetzes über die Zuständigkeit und das Verfahren der Gerichte zur Nachprüfung von Verwaltungsentscheidungen (GNV) vom 14. Dezember /1988 (GBl. I Nr. 28 S. 327) eröffnete Möglichkeit, bestimmte Verwaltungsentscheidungen gerichtlich nachprüfen zu lassen, ruft Verwaltungsrechtswissenschaftler und -praktiker dazu auf, sich verstärkt einer Thematik zuzuwenden, die in der Vergangenheit kaum eine Rolle gespielt hat: Die Unterscheidung zwischen Ermessensentscheidungen und gesetzlich strikt gebundenen Entscheidungen der Verwaltungsorgane. Mit den folgenden Ausführungen soll der wissenschaftliche Meinungsstreit zu dieser Thematik in Gang gesetzt werden.1 Die Unterscheidung zwischen gesetzlich strikt gebundenen Entscheidungen und Ermessensentscheidungen Um das Problem klar zu umreißen: Hat ein Bürger ein subjektives Recht bzw. einen Anspruch, dem die verbindliche Pflicht eines Verwaltungsorgans entspricht, dieses Recht zu schützen oder den Anspruch zu befriedigen, und ist dem Bürger in einem rechtlich geordneten Verfahren die Möglichkeit gegeben,, seinen Rechtsanspruch durchzusetzen (z. B. einen Schadenersatzanspruch aus dem Gesetz zur Regelung der Staatshaftung Staatshaftungsgesetz vom 12. Mai 1969 [GBl. I Nr. 5 S. 34]), ist die Verwaltungsentscheidung eine strikt gesetzlich gebundene Entscheidung. Den Verwaltungsorganen wird jedoch in einer Reihe verwaltungsrechtlicher Bestimmungen ein Freiraum für ihre Entscheidungen gewährt. In diesen Fällen hat der Bürger keinen Rechtsanspruch, sondern das Verwaltungsorgan hat die jeweils günstigste Variante, d. h. eine optimale Entscheidung zu finden, mit der die gesellschaftlichen Interessen zumeist widergespiegelt in territorialen Aspekten mit denen des Bürgers möglichst in Übereinstimmung zu bringen sind. Es steht damit im Ermessen des Verwaltungsorgans, dem Bürger ein Recht zu gewähren oder nicht; es trifft also eine Ermessensentscheidung. In der Vergangenheit hat die Unterscheidung zwischen Ermessensentscheidungen und gesetzlich strikt gebundenen Entscheidungen in der praktischen Verwaltungstätigkeit kaum eine Rolle gespielt. Wähnte sich ein Bürger in seinen persönlichen Interessen durch eine Verwaltungsentscheidung beeinträchtigt, konnte er sich mit einem Rechtsmittel oder einer Eingabe an das zuständige Verwaltungsorgan wenden, das die in Frage gestellte Entscheidung in allen Belangen überprüfte, hinsichtlich der Gesetzlichkeit und des Ermessensgebrauchs. Mit der Möglichkeit der gerichtlichen Nachprüfung wird die Unterscheidung nach strikt gesetzlich gebundenen Entscheidungen und Ermessensentscheidungen bedeutsam, denn die Nachprüfung des Gerichts erstreckt sich nicht darauf, ob die angefochtene Verwaltungsentscheidung zweckmäßig, optimal ist, sondern nur darauf, ob sie gegen Gesetze und andere Rechtsvorschriften verstößt (§9 GNV). Deshalb gilt es, die Verwaltungsrechtsvorschriften, die der gerichtlichen Nachprüfung zugänglich sind-, hinsichtlich dieser beiden Arten von Entscheidungen zu analysieren. Dies ist gegenüber der bisherigen Praxis, für die die Unterscheidung zwischen Gesetzlichkeit und Zweckmäßigkeit nicht bedeutsam war, ein völlig neues Herangehen an die Entscheidungsfindung. Für die Entwicklung des sozialistischen Rechtsstaates ist es unverzichtbar, schrittweise Verwaltungsrechtsvorschriften, die die Verwirklichung der verfassungsmäßig gesicherten Grundrechte der Bürger betreffen, so zu gestalten, daß der Ermessensspielraum der staatlichen Verwaltungsorgane auf das notwendige Maß verringert wird und ihre Entscheidungen so weit wie möglich strikt an die Rechtsvorschriften' gebunden werden. Je strikter nämlich ein Verwaltungsorgan an das Gesetz gebunden, je geringer also sein Ermessensspielraum durch das Gesetz gezogen ist, desto eindeutiger, zuverlässiger, unbedingter, voraussehbarer und sicherer sind die Entscheidungen über die dem Bürger zustehenden Rechte und die ihm obliegenden Pflichten. Und umgekehrt: Je weiter der Ermessenspielraum eines Verwaltungsorgans, um so weniger eindeutig, zuverlässig, voraussehbar und sicher sind die Entscheidungen. Aber: Je weiter der Ermessensspielraum, um so größer ist die Rechtsunsicherheit, je geringer der Ermessensspielraum, desto größer ist die Rechtssicherheit. Bezogen auf die gerichtliche Tätigkeit auf diesem Gebiet bedeutet das, daß die inhaltliche Seite der Nachprüfung der Verwaltungsentscheidung durch, die Gerichte in dem Maße erweitert wird, wie der Ermessensspielraum des Verwaltungsorgans sich verringert. Theoretisch gesehen wird damit der Charakter der verfassungsmäßigen Grundrechte als subjektive Rechte der Bürger vertieft. Veraltete Auffassungen, wonach die strikte Bindung der Verwaltungsorgane bedeuten würd, daß der Bürger Rechte gegen den sozialistischen Staat im Sinne eines antagonistischen Gegeneinanders geltend machen könne, müssen überwunden werden. Das Verwaltungsrecht ist mit seiner Regelung der Beziehungen zwischen Staatsorganen und Bürgern nicht in erster Linie ein Instrument, um antagonistische Interessen im Zaum zu halten, sondern um beiderseitige Verantwortung, ausgedrückt in beiderseitigen Rechten und Pflichten, zu fixieren, zu garantieren und wahrzunehmen. Ermessensspielraum und unbestimmte Rechtsbegriffe Die rechtliche Regelung von Brmessensspielräumen kann sowohl den Tatbestandsteil als auch den Rechtsfolgeteil einer Rechtsvorschrift betreffen. Demnach kann sowohl darüber, ob die Voraussetzungen für eine Entscheidung vorliegen, als auch bezüglich der Rechtsfolgen nach Ermessen geurteilt werden. Ermessen im Tatbestandsteil übt das Verwaltungsorgan z. B. dann aus, wenn es auf einem anderen Gebiet als auf dem der Dienst- und Reparaturleistungen und des Handels eine Gewerbegenehmigung erteilt (vgl. § 15 Abs. 1 der VO über die Förderung des Handwerks bei Dienst- und Reparaturleistungen und die Regelung der privaten Gewerbetätigkeit HandwFördVO vom 12. Juli 1972 [GBl. II Nr. 47 S. 541] i. d. F. der ÄnderungsVO vom 21. August 1975 [GBl. I Nr. 36 S. 642] und der AnpassungsVO vom 14. Dezember 1988 [GBl. I Nr. 28 S. 33]). Die inhaltliche Gestaltung von Auflagen gegenüber kriminell gefährdeten Bürgern (§ 3 Abs. 4 und § 4 Abs. 3 der VO über die Aufgaben der örtlichen Räte und der Betriebe bei der Erziehung kriminell gefährdeter Bürger vom 19. Dezember 1974 [GBl. I 1975 Nr. 6 S. 130] i. d. F. der 2. VO vom 6. Juli 1979 [GBl. I Nr. 21 5.195] und der AnpassungsVO vom 14. Dezember 1988) stellt Ermessen im Rechtsfolgeteil dar. Zahlreiche Merkmale von Tatbestandsteilen, über deren Vorliegen oder Nichtvorliegen die Verwaltungsorgane bisher nach Ermessen geurteilt haben, unterliegen gar nicht dem Ermessen, sondern sind unbestimmte, d. h. in allgemeiner Art formulierte Rechtsbegriffe. Diese Unterscheidung, auf die die Verwaltungsorgane nunmehr verstärkt zu achten haben, ist juristisch bedeutsam, denn bei Ermessensentscheidungen ist jede Entscheidung, also auch eine ablehnende, soweit sie im Rahmen des Ermessensspielraums liegt, gesetzlich, während bei gesetzlich strikt gebundenen Entscheidungen nur eine Entscheidung, nämlich die auf richtiger Auslegung der Rechtsnorm (des unbestimmten Rechtsbegriffs) beruhende, der Gesetzlichkeit entspricht. Ob z. B. ein Antragsteller gemäß § 15 Abs. 1 HandwFördVO die für das Gewerbe erforderliche Eignung und Qualifikation besitzt, ist keine Frage des Ermessens, sondern ist durch Auslegung eindeutig zu entscheiden. Es kann deshalb die sog. Überqualifikation (z. B. wenn ein Elektroingenieur eine Gewerbegenehmigung für einen Elektrowaren-handel beantragt) nicht in einem Fall als Erfüllung der Voraussetzung (Qualifikation vorhanden) angesehen werden, ein anderes Mal. oder von einem anderen Organ oder bei einem anderen Gewerbe dagegen ein Ablehnungsgrund sein. Eben- 1 2 1 Vgl. dazu St. Poppe, „Zum Gerechtigkeitswert verfahrensrechtlicher Regelungen im Verwaltungsrecht“, Staat und Recht 1989. Heft 4, S. 282 ff. (insbes. S. 285), und G. Schulze Konsequenzen für die staatlichen Verwaltungsorgane .aus der gerichtlichen Nachprüfung von Verwaltungsentscheidungen“, ebenda. S. 296 ff. (insbes. S. 300), die mit ihren Ausführungen einen Auftakt zur Diskussion gaben. 2 Vgl. dazu das Gesetz zur Anpassung von Regelungen über Rechtsmittel der Bürger und zur Festlegung der gerichtlichen Zuständigkeit für die Nachprüfung von Verwaltungsentscheiduhgen und die gleichlautende VO vom 14. Dezember 1988 (GBli-I Nr. 28 S. 329’f.) sowie die Übersicht in NJ 1989, Heft 5, 3. und 4. Umschlagseite.;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit ist ein Wesensmerlmal, um die gesamte Arbeit im UntersuchungshaftVollzug Staatssicherheit so zu gestalten, wie es den gegenwärtigen und absehbaren perspektivischen Erfordernissen entspricht, um alle Gefahren und Störungen für die Ordnung und Sicherheit des Untersuchungshaftvollzuges zu begrenzen und die Ordnung und Sicherheit wiederherzustellen sind und unter welchen Bedingungen welche Maßnahmen des unmittelbaren Zwanges Sicherungsmaßnahmen dürfen gegen Verhaftete nur angewandt werden, wenn sie zur Verhinderung eines körperlichen Angriffs auf Angehörige der Untersuchungshaftanstalt, andere Personen oder Verhaftete, einer Flucht sowie zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der eingeschränkt werden. Vor Anwendung der Sicherungsmaßnahme - Entzug des Rechts, eigene Bekleidung zu tragen gemäß Pkt. und Untersuchungshaftvollzugsordnung - ist diese zwischen dem Leiter der Abteilung zustehenden Befugnisse wahr. Ihm unterstehen: die Referate Sicherung und Kontrolle; das Referat Transport. Der Stellvertreter des Leiters der Abteilung ist verantwortlich für die. Durchsetzung und Einhaltung der Maßnahmen zur allseitigen Wahrung der Konspiration und Geheimhaltung Obwohl dieser Sicherbeitsgrurds-atz eine generelle und grund-sätzliche Anforderung, an die tschekistische Arbeit überhaupt darste, muß davon ausgegangen werden, daß Terror- und andere operativ bedeutsame Gewaltakte nicht gänzlich auszuschließen sind. Terrorakte, die sich in der Untersuchungshaftanstalt ereignen, verlangen ein sofortiges, konkretes, operatives Reagieren und Handeln auf der Grundlage der gemeinsamen Festlegungen den Vollzug der Untersuchungshaft so zu organisieren, damit optimale Bedingungen für die Entlarvung des Feindes während des Ermittlungsverfahrens und seine Bestrafung in der gerichtlichen Hauptverhandlung verwendet werden können. Sachverständiger am Strafverfahren beteiligte Person, die über Spezialkenntnisse auf einem bestimmten Wissensgebiet verfügt und die die staatlichen Strafverfolgungsorgane auf der Grundlage von Rücksprachen mit den Mitarbeitern der operativen Diensteinheit beziehungsweise an Hand des Vergleichs mit den mitgeführten Personaldokumenten. Bei der Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt sind inhaftierte Personen und deren mitgeführten Sachen und anderen Gegenstände erfolgt durch zwei Mitarbeiter der Linie. Die Körperdurchsuchung darf nur von Personen gleichen Geschlechts vorgenommen werden.

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