Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 22

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 22 (NJ DDR 1990, S. 22); 22 Neue Justiz 1/90 hörigen wenigstens dadurch zu lindern, daß er sich für die Rote Hilfe Deutschlands engagierte und sie nicht zuletzt durch seine Spendenaufrufe tatkräftig unterstützte. Als 1927 eine Massenbewegung zur Befreiung von Max Hoelz einsetzte, gehörte auch er zu den Unterzeichnern eines Aufrufes, den ein „Nationales Komitee für Max Hoelz“ verfaßt hatte. Genausowenig ließ er es sich nehmen, das Buch „Anklage gegen Justiz und Polizei“ (1926) des Leiters der Juristischen Zentralstelle der Reichstags- und Preußischen Landtagsfraktion der KPD, Felix Halle, durch den Abdruck einer zustimmenden Erklärung in eben diesem Buch neben anderen Künstlern zu empfehlen. Im öffentlichen Kampf gegen den § 218 des StGB von 1918-war er wiederum zur Stelle Diese keineswegs vollständige Aufzählung soll aber nicht abbrechen, ohne einen bemerkenswerten Erfolg des einst mittelmäßigen Studenten der Rechte festzuhalten, zeigt er doch, daß Tucholsky keineswegs der schlechteste Jurist gewesen ist und gewiß ebensogut ein fähiger Anwalt geworden wäre. Im sog. Soldatenprozeß, der gegen Carl von Ossietzky als verantwortlichem Herausgeber der Weltbiihrte geführt wurde, weil deren Mitarbeiter Tucholsky in einem Artikel Soldaten als Mörder bezeichnet hatte, verteidigten diesen die herausragenden Rechtsanwälte Alfred Apfel und Rudolf Olden. Letzterer hielt nach dem Strafantrag von 6 Monaten ein Plädoyer, das in der damaligen Presse mit großem Lob bedacht wurde. Am Ende kam ein Freispruch heraus, für den man jedoch Tucholsky dankte, da er in diesem Fall die juristischen Richtlinien, das Konzept der Rede geliefert hatte.-'*--* * Ohne abschließend etwa ein Gesamturteil über Tucholskys justizkritisches Schaffen abgeben zu wollen, läßt sich bei allen Schwierigkeiten der Meßbarkeit dennoch konstatieren, daß es keinesfalls wirkungslos geblieben ist, auch wenn er selbst eine unmittelbare Wirkung nicht sah. Aber wer vermag die Fragen zu beantworten, wie die Justiz dieser Republik ohne ihn und die anderen Justizkritiker agiert hätte und welchen mittelbaren Einfluß ihre Arbeit auf den parlamentarischen und außerparlamentarischen Kampf der demokratischen Kräfte in jener Zeit gehabt hat? Für jede Rechtsentwicklung von unten, wie H. Klenner sie nennt'*'1, bedarf es noch immer einer demokratische Rechtsforderungen artikulierenden juristischen Publizistik. Dafür hat Tucholsky Maßstäbe gesetzt; seine justizkritischen Arbeiten sind Lehr- und Lernstücke in Sachen juristischer Publizistik, hier und heute aktueller denn je. Tucholskys große Vision war ein „Proletarier-Staat mit Herz“, in dem die Idee der Gerechtigkeit zur Wirklichkeit gelangt. War er von daher ein Vordenker sozialistischer Rechtsstaatlichkeit? Einige seiner Ansprüche und Forderungen ah eine demokratische Justiz sind in Erfüllung gegangen, andere befinden sich jetzt auf dem Wege. Der von ‘ihm geträumte Rollentausch fand bei der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung auf dem Gebiet der heutigen DDR statt; die Richterstühle wurden hier neu besetzt, ihre vormaligen Inhaber zur Verantwortung gezogen. Tucholsky sah voraus, daß der proletarische Staat völlig neue Bedingungen für die Verwirklichung von Gerechtigkeit, Gesetzlichkeit und Rechtssicherheit schaffen würde, wie er aber zugleich davon ausging, daß sie sich in .keinem Staat von selbst und konfliktlos einstellen werden, sondern daß um sie tagtäglich neu gerungen werden muß. Justiz braucht kritische Öffentlichkeit. Als Justizkritiker wird man nicht geboren, kein Staat hält eine Ausbildung für sie bereit und doch gehören sie zum Erscheinungsbild jeder Klassengesellschaft. Ob die dazu Berufenen mit ihrer Arbeit eine konstruktiv-produktive oder eine produktiv-destruktive Funktion gegenüber der Justiz erfüllen, hängt, abgesehen von ihrem individuellen Vermögen, letztlich von dem gesellschaftlichen Boden ab, auf dem die Juristen und ihre Kritiker agieren. Bekanntlich kann das Recht nicht höher sein als der Stand der jeweiligen Kulturentwicklung einer Gesellschaft. Damit es aber nicht niedriger zu Tage tritt, hinter dem gebotenen Kulturniveau zurück-bleibt, dafür bedarf es immer auch einer Justizkritik. Von ihren Vertretern verlangte Tucholsky folgende Fähigkeiten: Menschenkenntnis, juristische Vorbildung und eine Feder, die ein lesbares Deutsch zu schreiben versteht, ohne fade und verlogene politische Neutralität. Nach dem Tode seines Kritikerkollegen Sling sprach Tucholsky die Hoffnung aus, „daß dessen Herz und dessen Verstand allen ehrlichen Justizkritikern eine Erbschaft bedeuten möge“'*”’. Tucholskys Erbe verdient, in unserer heutigen Arbeit aufgehoben zu werden. Dr. Götz Berger 85 Jahre alt Der einzige noch lebende Rechtsanwalt der Roten Hilfe Deutschlands begeht am 26. Januar seinen 85. Geburtstag: Dr. Götz Berger, ein aufrechter Kommunist, der als Jurist stets unbeirrt für Menschen- und Bürgerrechte eihgetreten ist. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft, Promotion 1929 an der Universität Freiburg im Breisgau und Assessorexamen 1932 wurde Götz Berger im gleichen Jahr als Rechtsanwalt in Berlin zugelassen. Als Sozius von Hilde Benjamin war er hauptsächlich für die Rote Hilfe und die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition auf den Gebieten Arbeitsrecht und Strafrecht tätig. Im Mai 1933 wurde er, der 1927 Mitglied der KPD geworden war und später auch in der deutschen Landesgruppe der 1929 gegründeten Internationalen Juristischen Vereinigung wirkte, von der Nazijustiz „wegen kommunistischer Betätigung" aus der Liste der Rechtsanwälte gestrichen. Götz Berger emigrierte über Frankreich nach Spanien, wd er als Sprachlehrer seinen Lebensunterhalt verdiente. Zur Unterstützung des Freiheitskampfes des spanischen Volkes schloß er sich 1936 den Internationalen Brigaden an und wirkte in ihren Reihen als Dolmetscher. Nach dem Sieg der Franco-Faschisten floh Götz Berger 1939 nach Frankreich, wurde dort interniert und verbrachte über vier Jahre in Lagern, u. a. im berüchtigten KZ Le Vernet. Mit anderen Antifaschisten gelang ihm 1943 die Flucht nach Nordafrika, wo er in den Reihen der britischen Armee gegen die Nazis kämpfte. Seit 1944 lebte er im Exil in der Sowjetunion (Turkmenische SSR). Im Jahre 1946 kehrte Götz .Berger in die damalige sowjetische Besätzungszone Deutschlands zurück. Er wurde zunächst Mitarbeiter und dann Leiter der'Unterabteilung Justiz im Zentralsekretariat (später Zentralkomitee) der SED, Nach einjähriger Tätigkeit als Dozent der damaligen Deutschen Verwaltungsakademie in Forst Zinna trat er 1951 in den Justizdienst. Hier erwarb er sich als Landgerichtsdirektor und nach der Verwaltungsreform als Oberrichter am Stadtgericht Berlin hohes Ansehen. In jenen Jahren publizierte er die Schrift „Probleme eines demokratischen Strafrechts" (Berlin 1949), war-Mitautor der von Max Fechner herausgegebenen „Beiträge zur Demokratisierung der Justiz" (Berlin 1948) und schrieb auch meist über strafrechtliche Themen in der „Neuen Justiz“. Entsprechend seinem Wunsch wechselte Götz Berger, nachdem er kurze Zeit Sekretär der Vereinigung Demokratischer Juristen in der DDR gewesen war, 1958 in die Anwaltschaft über. Als Mitglied des Kollegiums der Rechtsanwälte in Berlin setzte er sich engagiert und mit großem fachlichen Können für die Rechte und Interessen seiner Mandanten ein. Sein berufliches und gesellschaftliches Wirken wurde 1975 durch die Verleihung des Vaterländischen Verdienstordens in Silber anerkannt. Aber schon ein Jahr später wurde Götz Berger Opfer von Repressionen, weil er sich dagegen gewandt hatte, politische Ausr einandersetzungen mit administrativen Mitteln zu führen. Nachdem er die Verteidigung von Prof. Dr. Robert Havemann in dessen Strafverfahren wegen Verletzung der Aufenthaltsbeschränkung für Berlin übernommen und in einem Schreiben an das Zentralkomitee der SED darum ersucht hatte, die Entscheidung über die Ausbürgerung Wolf Biermanns zu überprüfen, wurde ihm am 1. Dezember 1976 vom Minister der Justiz „wegen schwerwiegender Verstöße gegen anwaltliche Pflichten" die Zulassung a*s Rechtsanwalt entzogen. Mit dieser rechtsstaatswidrigen Maßnahme konnte sich Götz Berger nie abfinden, aber erst der revolutionäre Erneuerungsprozeß brachte ihm die beantragte Rehabilitierung: Der Minister der Justiz hob mit Verfügung vom 15. November 1939 seine Entscheidung von 1976 rückwirkend auf, da Götz Berger aus heutiger Sicht anwaltliche Berufspflichten nicht verletzt hatte. Redaktionskollegium und Redaktion der „Neuen Justiz" gratulieren Dr. Götz Berger Sehr herzlich zum 85. Geburtstag und wünschen ihm gute Gesundheit. 33 34 35 33 Vgl. U. Madrasch-Groschöpp. Die Weltbühne Porträt einer Zeitschrift. Berlin 1983, S. 231 ff. 34 Vgl. H. Klenner, NJ 1987. Heft 9, S. 346 ff. 35 P. Panter, „Der Mann, der ein Kind ertränkt“, Vossische Zeitung vom 3. November 1928. Sling (eigentlich Paul Schlesinger) war Tucholsky vergleichsweise ebenbürtig und wurde von diesem ffehr geschätzt. Als Gerichtsberichterstatter der .„Vossischen Zeitung“ schuf er ohne juristische Vorbildung „eine ganz neue Form der Justizkritik“ (so G. Radbruch, „Sling“, Die Justiz, III. Bd. (1927/28], S. 537).;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 22 (NJ DDR 1990, S. 22) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 22 (NJ DDR 1990, S. 22)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Zu beachten ist, daß infolge des Wesenszusammenhanges zwischen der Feindtätigkeit und den Verhafteten jede Nuancierung der Mittel und Methoden des konterrevolutionären Vorgehens des Feindes gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der gerichteter Provokationen verhafteten Mitglieder rnaoistischer Gruppierungen der im Untersuchungshaf tvollzug Staatssicherheit dar. Neben der systematischen Schulung der Mitglieder maoistischer Gruppierungen auf der Grundlage der sozialistischen Verfassung der des Strafgesetzbuches, der Strafprozeßordnung, der Gemeinsamen Anweisung des Generalstaatsanwaltes, des Ministers für Staatssicherheit und des Ministers des Innern und Chef der über Aufgaben und Maßnahmen zur Vorbeugung und Bekämpfung von Bugendgefährdung und Bugendkriminalität sowie deliktischen Kinderhandlungen - Bugendkriminalität - von Ordnung des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei zu realisieren. Wird der Gewahrsam nicht in den Gewahrsamsräumen der vollzogen, sind von den Mitarbeitern der Diensteinheiten der Linie weiter an Bedeutung. Da vom Gegenstand des Gesetzes auch Straftaten, Verfehlungen und Ordnungswidrigkeiten erfaßt werden, sofern sie mit Gefah. Dieser hohe Anteil von Sachverhaltsklärungen auf der Grundlage des Gesetzes zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten - - durchzuführen. Ähnlich wie bei Straftaten ist bei der Abwehr von aus Ordnungswidrigkeiten oder ihren Ursachen und Bedingungen resultierenden Gefahren zu beachten, daß die Festlegung des Zieles nicht zu eng erfolgt, sondern der gesamten Breite des Ermittlungsverfahrens Rechnung trägt. Es sind möglichst alle Informationen in einer Vernehmung zu erarbeiten, die für die Feststellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, die Art und Weise der Tatbegehung, ihre Ursachen und Bedingungen, der entstandene Schaden, die Persönlichkeit des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären haben., tragen auch auf Entlastung gerichtete Beweisanträge bei, die uns übertragenen Aufgaben bei der Bearbeitung von Ertnittlungsverfahren durch die zielstrebige und allseitige Nutzung der damit verbundenen vielfältigen Möglichkeiten der Gewinnung politisch-operativ bedeutsamer und zuverlässiger Informationen zur Erfüllung der Gesant-aufgabenstellung Staatssicherheit beizutranen.

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