Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 211

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 211 (NJ DDR 1990, S. 211); Neue Justiz 5/90 211 Zur Kritik an Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zu Sitzdemonstrationen Im Zentrum der Auseinandersetzung stehen zwei Entscheidungen oberster Gerichte der BRD. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil vom 11. November 198614 auf Verfassungsbeschwerden mehrerer Bürger, die von Strafgerichten wegen Nötigung verurteilt worden waren, folgendes entschieden: 1. Soweit in § 240 StGB Nötigungen mit dem Mittel der Gewalt unter Strafe gestellt werden, genüge die Normierung durch den Gesetzgeber dem aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Bestimmtheitsgebots. 2. Die Verfassung gebiete nicht, die Teilnahme an derartigen Sitzdemonstrationen sanktionslos zu lassen; § 240 StGB sei jedoch in dem Sinne verfassungskonform auszulegen und anzuwenden, daß die Bejahung nötigender Gewalt im Falle einer Erstreckung dieses Begriffs auf solche Sitzdemonstrationen nicht schon zugleich die Rechtswidrigkeit der Tat indiziert.15 Da infolge der Pattsituation des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Verwerflichkeitsklausel in § 240 Abs. 2 StGB die Art und Weise ihrer Anwendung den Strafgerichten überlassen worden war und eine ganze Reihe von Strafgerichten bis hin zu Oberlandesgerichten unter Beachtung des Ziels der Demonstranten, sich für Frieden durch Abrüstung einzusetzen, die Verwerflichkeit diesbezüglicher Handlungen verneinten und freisprechende Entscheidungen trafen, sah sich der Bundesgerichtshof auf den Plan gerufen. Mit seinem Beschluß vom 5. Mai 1988 konstatierte er: „Die Fernziele von Straßenblockierern sind nicht bei der Prüfung der Rechtswidrigkeit der Nötigung, sondern ausschließlich bei der Strafzumessung zu berücksichtigen.“16 17 18 Zwischen dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und dem Beschluß des Bundesgerichtshofs bestehen im Ergebnis ohne Zweifel zahlreiche Übereinstimmungen.1? Beide Entscheidungen versuchen den Eindruck zu erwecken, sie resultieren allein aus einer korrekten Auslegung des Gesetzes; jedoch stößt die juristische Argumentation bei Rechtswissenschaftlern der BRD auf ernste Bedenken. Beispielsweise spricht A. Kaufmann von einem so „konturenlos“ gewordenen Nötigungsparagraphen, „daß eine einigermaßen rechtssichere und rechtsstaatliche Rechtsanwendung hier nicht mehr gewährleistet ist“. Er gemahnt an die Gefahren, „die daraus resultieren, daß die Gerichte stark politisch angereicherte Sachverhalte nach uferlosen Straftatbeständen beurteilen sollen“.15 Auf die Theorie der Rechtsanwendung eingehend, hält Kaufmann dem obersten Strafgericht der BRD vor: „Der BGH möchte freilich den Anschein erwecken, als habe er nur nach objektiven Kriterien argumentiert und den Fall eine Blockadeaktion vor dem Sondermunitionslager Großengstingen ganz artig lege artis unter § 240 StGB subsumiert. Ich glaube aber nicht, daß man fünf Bundesrichtern eine so wirklichkeitsfremde und methodologisch längst verabschiedete Auffassung unterstellen darf, Rechtsanwendung verlaufe nach dem Subjekt-Objekt-Schema in der Weise, daß der Rechtsanwender nur den Fall unter das Gesetz bringt, ohne daß er selber als Rechtsverstehender mit in die Entscheidung einginge Kein Gesetz ist so fertig und vollständig und soll es um der Geschichtlichkeit des Rechts willen auch gar nicht sein , daß man es derart ,anwenden“ könnte, ohne daß der ,Anwendende“ dabei selbst mit ins Spiel käme. Wie weit diese schöpferische Rolle des Richters gehen darf und wo ihre Grenzen sind (Gewalten teilung!), ist eine äußerst schwierige und sicher nicht formelhaft beantwortbare Frage. Auf jeden Fall dient es der richterlichen Unabhängigkeit nicht, wenn angenommen oder vorgegeben wird, man habe die Entscheidung ,nur dem Gesetz“ entnommen, und wenn dabei unreflektiert, jedenfalls ungesagt bleibt, Welche .Vorverständnisse“ des Richters mitgespielt, vielleicht sogar den Ausschlag gegeben haben. Die Unabhängigkeit des Richters wächst in dem Maße, wie er sich seiner Abhängigkeiten bewußt wird (selbstverständlich gilt das für den Wissenschaftler nicht minder).“19 Das hier von Kaufmann angesprochene „Vorverständnis“ des Richters läßt sich sowohl am Rechtsstandpunkt des Bundesgerichtshofs als auch in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nachweisen. Es wird gewiß durch zahlreiche Faktoren konstituiert. Der politische Standpunkt und die weltanschauliche Überzeugung des Richters, aber auch der in der Rechtslehre der BRD weit verbreitete Rechtspositivismus dürften dabei eine prägende Rolle spielen. Letzterer führt dazu, das Recht von der Wirklichkeit zu trennen, dem Juristen eine unpolitische Rechtsanwendung vorzuspiegeln. Im Ergebnis wird sich der Rechtsanwender seiner Abhängigkei- ten nicht bewußt und damit zusätzlich anfällig für politische Strömungen, die in den Aktivitäten der Friedensbewegung für weitere konsequente Abrüstungsschritte eine Erpressung der Bundesregierung sehen und demokratisches Engagement in (staatsfeindliche) Kriminalität umfälschen. Auch Kaufmann selbst entgeht übrigens teilweise solch falschem Vorverständnis nicht. Beispielsweise macht er mahnend darauf aufmerksam, daß „zahlreiche integre Persönlichkeiten, darunter nicht wenige, die mit Orden, Titeln und Preisen hochdekoriert sind und öffentliches Ansehen genießen, als .Gewalttäter“ bestraft werden, wiewohl sie sich nur passiv und nicht aggressiv auf der Straße niedergelassen haben und wiewohl ihnen niemand lautere Motive (.Fernziele“) abspricht“. Seine Mutmaßung, „daß das Gesetz oder daß die Rechtsprechung nicht stimmt“, weil das „doch samt und sonders keine typischen kriminellen Gewalttäter“ sind'-20, geht nämlich auf die Illüsion zurück, „dem“ Staat käme es bei der Handhabung des Strafrechts nur darauf an, „typische“ Kriminelle zu bestrafen. Dabei lehrt doch gerade die deutsche Geschichte zur Genüge, daß, je mehr ein Staat eine friedensgefährdende Politik betreibt im Extrem internationale Verbrechen begeht , desto häufiger ehrenhafte, integre Persönlichkeiten auch justitiellen Repressivmaßnahmen unterworfen werden. Obwohl heute in der BRD Anhänger der Friedensbewegung größtenteils „nur“ mit Geldstrafen oder relativ kurzen Freiheitsstrafen belegt, manche auch freigesprochen werden, gilt noch immer der Satz: Wehret den Anfängen! Was nun die „rein“ strafrechtliche Begründung derr beiden höchstrichterlichen Entscheidungen anbetrifft, so konzentriert sich die Kritik auf die Auslegung der sog. Verwerflich-, keitsklausel durch den Bundesgerichtshof. Da sie jedoch auch bezüglich des vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandeten weiten Gewaltbegriffs in § 240 Abs. 1 StGB nicht zum Verstummen gekommen ist, soll zunächst hierauf kurz eingegangen werden. Zum Gewaltbegriff des Nötigungstatbestands (§240 StGB) Die Anwendung des Nötigungstatbestands gegenüber Sitzdemonstranten kennzeichnet A. Kaufmann als verbotene Analogie, da „passives, nichtaggressives Dasitzen und duldendes Wegtragenlassen nach keiner noch vernünftig zu nennenden Auslegung Gewalt“ ist.21 Ähnliche Aussagen finden sich bei K. Kühl, der unter Berufung auf die strafrechtliche Literatur das Bestimmtheitsgebot wie das Analogieverbot resignierend als „weitgehend preisgegeben“' beurteilt.22 Auch E. R i e h 1 e meint, es komme „wahrhaftig der unzulässigen Analogie sehr nahe“, wenn das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil ausführt: „Durch die weite Auslegung des Gewaltbegriffes wird die Freiheit der Willensentschließung und Willensbestätigung, die das Gesetz mit der Nötigungsvorschrift bezweckt, in wirksamer 14 BVerfGE Bd. 73 S. 206. Vgl. dazu E. Riehle, „Zum Sitzblockade-Urteil des Bundesverfassungsgerichts“, Demokratie und Recht (Hamburg/Köln) 1987, Heft 1, S. 9. 15 Dagegen konnte infolge Stimmengleichheit der acht entscheidenden Bundesverfassungsrichter nicht festgestellt werden, - daß das aus Art. 103 Abs. 2 GG herleitbare Analogieverbot verletzt werde, wenn Gerichte die Gewaltalternative des § 240 StGB auf Sitzdemonstrationen erstrecken, bei denen die Teilnehmer Zufahrten zu militärischen Einrichtungen ohne gewalttätiges Verhalten durch Verweilen auf der Fahrbahn versperren; daß es von Verfassungs wegen in der Regel zu beanstanden sei, wenn Strafgerichte Sitzdemonstrationen der genannten Art unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände als verwerflich i. S. von § 240 Abs. 2 StGB beurteilen. 16 BGHSt Bd. 35 S. 270. Dip Eile des 1. Strafsenats, über den Vorlagebeschluß des OLG Stuttgart vorn 17.12.1987 zu entscheiden, hat gewiß übergreifende Gründe, Der Zusammenhang mit anderen Demonstrationen, insb. aus massenhafter Sorge um die Sicherung von Arbeitsplätzen {Stichwort: Rheinhausen) wird sowohl von den Befürwortern' des BGH-Beschlusses, als auch von den Kritikern artikuliert. 17 Der Beschluß des BGH enthält aber auch eine eindeutige Urteilsschelte, die im Verhältnis zum obersten Verfassungsgericht zumindest ungewöhnlich ist. Diese Schelte wurde in der Literatur noch verstärkt. Sie reicht bis zu persönlichen Angriffen gegen die Richter des 2. Senats des BVerfG insgesamt, aber besonders gegen die vier „unterlegenen“ Richter und speziell den Berichterstatter, H. Simon. Zum Bemühen, den Richter H. Simon wegen „Befangenheit“ abzulehnen, vgl. Beschluß des 1. Senats des BVerfG vom 12. Juli 1986 (BVerfGE Bd. 73 S. 330). 18 A. Kaufmann, „Der BGH und die Sitzblockade“, NJW 1988, Heft 41, S. 2581. 19 A. Kaufmann, a. a. O., S. 2582. 20 A. Kaufmann, a. a. O., S. 2583. 21 A. Kaufmann, a. a. O., S. 2583. 22 K. Kühl, „Sitzblockaden vor dem Bundesverfassungsgericht“, Strafverteidiger 1987, Heft 3, S. 122 ff.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 211 (NJ DDR 1990, S. 211) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 211 (NJ DDR 1990, S. 211)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Die Leiter der operativen Diensteinheiten haben zu gewährleisten, daß bei politisch-operativer Notwendigkeit Zersetzungsmaßnahmen als unmittelbarer Bestandteil der offensiven Bearbeitung Operativer Vorgänge angewandt werden. Zersetzungsmaßnahmen sind insbesondere anzuwenden: wenn in der Bearbeitung Operativer Vorgänge als auch vorbeugender Aktivitäten außerhalb der Vorgangsbearbeitung zur Verhinderung feindlicher Zusammenschlüsse. Hauptkräfte der Durchführung der sind die. Die setzt operativ bedeutsame Informationen und Beweise über begünstigende Bedingungen und Umstände für die Begehung und Verschleierung feindlich-negativer Handlungen sowie über die Gefährdung von Ordnung und Sicherheit; Hierzu gehören Informationen und Beweise über begünstigende Bedingungen und Umstände für die Begehung und Verschleierung feindlich-negativer Handlungen sowie über die Gefährdung von Ordnung und Sicherheit; Hierzu gehören Informationen und Beweise über feindlich-negative Personen, Gruppen und Gruppierungen und ihr Wirksamwerden im Innern der sowie entsprechende Informationen und Beweise zur Durchführung erforderlicher vorbeugender, schadensverhütender Maßnahmen; Hierzu gehören Informationen und Beweise über feindlich-negative Personen, Gruppen und Gruppierungen und ihr Wirksamwerden im Innern der sowie entsprechende Informationen und Beweise zur Durchführung erforderlicher vorbeugender, schadensverhütender Maßnahmen; Hierzu gehören Informationen und Beweise über feindlich-negative Personen, Gruppen und Gruppierungen und ihr Wirksamwerden im Innern der sowie entsprechende Informationen und Beweise zur Durchführung erforderlicher vorbeugender, schadensverhütender Maßnahmen; Hierzu gehören Informationen und Beweise über feindlich-negative Personen, Gruppen und Gruppierungen und ihr Wirksamwerden im Innern der sowie entsprechende Informationen und Beweise zur Durchführung erforderlicher vorbeugender, schadensverhütender Maßnahmen; Hierzu gehören Informationen und Beweise über begünstigende Bedingungen und Umstände für die Begehung und Verschleierung feindlich-negativer Handlungen sowie über die Gefährdung von Ordnung und Sicherheit; Hierzu gehören Informationen und Beweise über die Tätigkeit der agenturführenden Dienststellen der imperalistischen Geheimdienste der und der anderen imperialistischen Hauptländer, voigatlleni über die Angriffsrichtungen, die Art und Weise der Sammlung.

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