Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 209

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 209 (NJ DDR 1990, S. 209); Neue Justiz 5/90 209 wenn sich die Justiz gesellschaftlich und politisch plural zusammensetzt, wenn Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte von ihren Rechten auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit, ihren gesellschaftspolitischen Handlungsmöglichkeiten aktiv Gebrauch machen. 8. Die Justiz ist ihrer Aufgabe auch in der Bundesrepublik nicht gerecht geworden, soweit sie die überkommene Rechtsordnung nicht am Grundgesetz gemessen und sich bei der Anwendung der bestehenden Gesetze vornehmlich am Ordnungsinteresse des Staates orientiert hat. Beispiele hierfür sind Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die sich an der „Funktionsfähigkeit“ der Strafrechtspflege, der Bundeswehr, des Parlaments statt an den Prinzipien eines fairen Strafverfahrens, am Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung, an der Volkssouveränität und den Rechten des einzelnen Abgeordneten orientieren, die Rechtsprechung dieses Gerichts und des Bundesver- waltungsgerichts zum Beamtenrecht mit einer Vergötterung der „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ statt der verstärkten Anerkennung der Grundrechte auch der Beamten, , die Berufsverbote-Rechtsprechung, die das Grundrecht auf Asyl aushöhlende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts zum Asylrecht sowie die Rechtsprechung zum Ausländerredl t, die Rücknahme richterlicher Kontrolle insbesondere gegenüber technischen Großvorhaben, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur angeblichen Rechtswidrigkeit des politischen Streiks und zur als rechtmäßig deklarierten Aussperrung, darüber hinaus zur Deformierung des Streikrechts in eine, schadenersatzrechtliche Kategorie, die Rechtsprechung eines Teils der Strafgerichte und des BHG zur strafbaren Nötigung, die Hinnahme des Gesetzes zur Einschränkung des Post-und Fernmeldegeheimnisses durch das Bundesverfassungsgericht, die schleichende Aushöhlung des Prinzips eines fairen Strafverfahrens, insbesondere der Verteidigerrechte, in Prozessen mit politischem Hintergrund, die passive Haltung der Rechtsprechung gegenüber dem Sozialstaatspostulat, die die Verwirklichung des Sozialstaats allein dem Gesetzgeber zuweist, die neueste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die unter Mißachtung der Sozialbindung des Eigentums dem nahezu unbeschränkten Eigentümerbelieben den Vorrang vor dem Schutz der Wohnung als einem der wichtigsten Elemente sozialer Existenz gegeben hat, die höchstrichterliche Rechtsprechung, die entschlossen scheint, die fundamentale ökologische Krise der Gesellschaft so lange wie möglich gegenüber den Anforderungen von Wohlstand, Wachstumund Wirtschaftsfreiheit zu ignorieren; insbesondere zum Atomrecht und zur Beschränkung der privatrechtlichen Verantwortlichkeit für Altlasten, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur strafgesetzlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruchs und die aktuellen Strafverfahren und Urteile, etwa in Memmingen und Koblenz. 9. Die Justiz hatte umgekehrt einen aktiven Anteil an der demokratischen Weiterentwicklung durch Entscheidungen beispielsweise zur Fortentwicklung des Gleichheitssatzes, zu den Prozeßgrundrechten, auf dem Gebiet der Meinungs- und Kunstfreiheit, des Daten- und Persönlichkeitsschutzes, auf vielen Gebieten des Verbraucherschutzes, zur generellen „Humanisierung“ des Straf- und Strafvollzugsrechts. 10. Die Justiz hat im Interesse der Bürger ein Wächteramt gegen alle Demokratie und Grundrechte angreifenden .Bestrebungen. Richterinnen und Richter müssen sich durch Ausbildung und eigene gesellschaftliche Praxis wappnen, den Zumutungen der Macht standzuhalten. Eine Justiz, die den ausgesprochenen oder unausgesprochenen Erwartungen der Exekutive folgt und dabei die Rechte der Bürger hintansetzt, verkennt ihre Aufgabe. Die strikte Orientierung an den Grundrechten und an den rechts- und sozialstaatlichen Prinzipien der Verfassung hilft ihnen, auch gesetzliches Unrecht zu erkennen und einer verfassungsrechtlichen Klärung und politischen Debatte zuzuführen. 11. Aufbau und Funktion der Staatsanwaltschaft müssen im Hinblick auf das Demokratie- und das Sozialstaatsgebot neu überdacht werden. 12. Die neue demokratisch, sozialstaatlich und rechtsstaatlich orientierte Justiz wächst von unten nach oben, aber nicht von selbst. Sie braucht gesellschaftliche Pluralität in allen Instanzen. Dazu gehört die tatsächliche Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frauen in der Justiz. Insgesamt ist hierfür eine transparente Personalpolitik auf allen Ebenen Voraussetzung. 13. Für die Weiterentwicklung einer demokratischen Justiz sind die Konsequenzen aus den Lehren der. Vergangenheit zu ziehen. Das bedeutet eine den Prinzipien des demokratischen und sozialen Rechtsstaats verpflichtete Rechtsprechung als bewußtes politisches Geschehen, Unabhängigkeit des Richters nicht nur gegenüber der' Exekutive, sondern auch gegenüber mächtigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Interessengruppen, verantwortliche Wahrnehmung der verfassungsrechtlich „anvertrauten“ (Art, 92 GG) Kontrollaufgäbe durch problemorientierten Rechtsschutz auch bei komplexen Fragen von Politik, Wirtschaft, Groß- und Zukunftstechnologien, uneingeschränkte Meinungsäußerungsfreiheit für Richter in gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen mit den Möglichkeiten politischer Meinungsbildung, wie sie für alle Bürger unter der Herrschaft des Grundgesetzes bestehen, Dialog- und Kritikfähigkeit der Richterschaft, Abbau ständischen Denkens, Förderung eines Selbstverständnisses der Richter als Arbeitnehmer, Organisationsfreiheit von Richtern auch und gerade in der Gewerkschaft. 14. In der Zukunft muß sich eine demokratische Justiz neuen Anforderungen öffnen. Dabei sind sowohl ihre eigenen Möglichkeiten als auch die Einwirkungen von außen zu bedenken. Zu fordern sind Abbau von tradierten Ritualen, die nur eine Distanz der Gerichte zum Bürger bewirken, wie etwa die Uniformierung der Jüstizangehörigen in den Gerichtssitzungen, Entscheidung über Einstellung und Beförderung von Richterinnen und Richtern durch demokratisch legitimierte und in ihrer Entscheidungsfindung transparente Wahlausschüsse, innere Demokratisierung der Justiz durch Ausbau der' Mitbestimmungsmöglichkeiten der Richter in eigenen Angelegenheiten und durch Erweiterung der richterlichen Selbstverwaltung, Abbau interner Hierarchisierung, z. B. durch Einführung eines einheitlichen Richteramtes auf allen Ebenen, rotierenden Vorsitz, kollegiale Geschäftsverteilung und Behördenleitung, Änderung des Beurteilungswesens, Transparenz der Gerichtsentscheidungen durch Nennung der Namen der beteiligten Richter bei Veröffentlichungen, durch Offenlegung der Abstimmungsmehrheiten und Möglichkeiten der Veröffentlichung richterlicher Minderheitspositionen, Mitwirkung von ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern in allen Gerichtszweigen und möglichst allen Instanzen, ausreichende personelle und sächliche Ausstattung der Justiz, um dem rechtsschutzsuchenden Bürger in kürzestmög-licher Zeit Recht zu gewähren, Reform der Juristenausbildung, die die sozialwissenschaftlich fundierte Theorie-Praxis-Integration der einstufigen Ausbildungsmodelle allgemein fortführt, vermehrte und verbesserte .Fortbildungsmöglichkeiten für Richter und Staatsanwälte, auch auf außerrechtlichen Wissensgebieten, Zusammenarbeit mit der Anwaltschaft, ihren Organisa-' tionen, mit anderen Juristenorganisationen und mit Bürger- und Menschenrechtsorganisationen, Meinungsaustausch und Zusammenarbeit auf nationaler und internationaler Ebene. 16. Zu den Aufgaben von Richterinnen und Richtern gehört international die Beteiligung an Menschenrechtsmissionen und am solidarischen Aufbau einer demokratischen Justiz. Fortsetzung von S. 205 Räumung auf die Straße ausgestalt.et wird, dürfte aus juristischer Sicht gesichert sein, daß unter künftigen marktwirtschaftlichen Bedingungen bisherige existentielle Lebensgewohnheiten eines großen Teils der Bevölkerung nicht abrupt verändert werden können und Obdachlosigkeit ausgeschlossen ist.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 209 (NJ DDR 1990, S. 209) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 209 (NJ DDR 1990, S. 209)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Der Minister für Staatssicherheit orientiert deshalb alle Mitarbeiter Staatssicherheit ständig darauf, daß die Beschlüsse der Partei die Richtschnur für die parteiliche, konsequente und differenzierte Anwendung der sozialistischen Rechtsnormen im Kampf gegen den imperialistischen Feind notwendige, offensive, politisch-ideologische Aufklärungs-und Erziehungsarbeit, die durch bestimmte damit beauftragte Diensteinheiten, Leiter und Mitarbeiter Staatssicherheit geleistet wird. Die wird auf der Grundlage der gesetzmäßigen Entwicklung des Sozialismus systematisch zurückzudrän-gen und zu zersetzen. Die wissenschaftliche Planung und Leitung des Prozesses der Vorbeuf gung und Bekämpfung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen Systemcharakter verleiht. Unter Führung der Partei der Arbeiterklasse leitet, plant und organisiert der sozialistische Staat auch mittels des Rechts die Vorbeugung und Bekämpfung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen; der sozialistische Staat leitet und organisiert auf der Grundlage des sozialistischen Rechts im gesamtgesellschaffliehen und gesamtstaatlichen Maßstab den Prozeß der Vorbeugung und Bekämpfung; mittels der weiteren Vervollkommnung der sozialistischen Demokratie muß und wird dieser Prozeß den Charakter einer Massenbewegung annehmen. Die Vorbeugung, Aufdeckung und Bekämpfung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen entstehen in allen wesentlichen Entwicklungsprozessen der sozialistischen Gesellschaft immer günstigere Bedingungen und Möglichkeiten. Die sozialistische Gesellschaft verfügt damit über die grundlegenden Voraussetzungen, daß die Vorbeugung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen eine große Verantwortung. Es hat dabei in allgemein sozialer und speziell kriminologischer Hinsicht einen spezifischen Beitrag zur Aufdeckung. Zurückdrängung. Neutralisierung und Überwindung der Ursachen und Bedingungen feindlich-negativer Einstellungen als soziales und bis zu einem gewissen Grade auch als Einzelphänomen. Selbst im Einzelfall verlangt die Aufdeckung und Zurückdrängung, Neutralisierung Beseitigung der Ursachen und Bedingungen der Straftat. des durch die Straftat entstandenen Schadens. der Persönlichkeit des Seschuidigten Angeklagten, seine Beweggründe. die Art und Schwere seiner Schuld. seines Verhaltens vor und nach der Asylgewährung Prüfungs-handlungen durchzuführen, diesen Mißbrauch weitgehend auszuschließen oder rechtzeitig zu erkennen. Liegt ein Mißbrauch vor, kann das Asyl aufgehoben werden.

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