Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 206

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 206 (NJ DDR 1990, S. 206); 206 Neue Justiz 5/90 Dokumentation Dr. Wolfgang Harlch, Dr. Bernhard Steinberger und Manfred Hertwig durch Kassationsurteil des Obersten Gerichts freigesprochen Urteil des Präsidiums des Obersten Gerichts vom 30. März 1990 Pr OSK 1/90. Das Urteil des 1. Strafsenats des Obersten Gerichts der DDR vom 9. März 1957 1 Zst (I) 1/57 wird aufgehoben. Die Angeklagten Dr. Wolfgang Harich, Dr. Bernhard Steinberger und Manfred Hertwig werden freigesprochen. Die Auslagen des Verfahrens einschließlich der im Verfahren erster Instanz entstandenen Auslagen trägt der Staatshaushalt. Begründung: Der 1. Strafsenat des Obersten Gerichts der DDR hat durch Urteil vom 9. März 1957* wegen Verbrechens nach Art. 6 der Verfassung der DDR vom 7. Oktober 1949 folgende Strafen ausgesprochen: gegen Dr. Wolfgang Harich 10 Jahre Zuchthaus, gegen Bernhard Steinberger 4 Jahre Zuchthaus und gegen Manfred Hertwig 2 Jahre Zuchthaus. Außerdem durften sie weder im öffentlichen Dienst noch in leitenden Stellen im wirtschaftlichen und kulturellen Leben tätig sein und verloren das Recht, zu wählen und gewählt zu werden. In der Entscheidung wurde zur persönlichen Entwicklung der Angeklagten im wesentlichen festgestellt: Der 33jährige Dr. Wolfgang Harich wurde infolge des frühzeitigen Todes seines Vaters, eines Literaturhistorikers und Schriftstellers, von der Mutter im demokratischen Sinne erzogen. Im Jahre 1940 kam er nach Berlin, wo er einen illegal arbeitenden sozialdemokratischen Funktionär ken-neniernte, der ihn mit marxistischem Gedankengut vertraut machte und für den er illegal Botengänge ausführte. Als er im Oktober 1942 zur faschistischen Wehrmacht eingezogen wurde, meldete er sich zu einem Offizierslehrgang, täuschte jedoch danach eine Krankheit vor, um sich dem Dienst wieder zu entziehen. Wegen Desertion erhielt er eine Freiheitsstrafe mit anschließender Frontbewährung. Dieser konnte er jedoch entgehen. Schließlich wurde er im Sommer 1944 an die Ostfront versetzt. Nach einem Lazarettaufenthalt gelangte er nach Berlin, wo er bis zum Kriegsende illegal lebte. In dieser Zeit bekam er Verbindung zu einer antifaschistischen Widerstandsgruppe, für die er arbeitete. Ab Mai 1945 war er Verwaltungsangestellter, Referent des Präsidenten der Kammer für Kunstschaffende, danach Theaterkritiker bei verschiedenen Zeitungen und schließlich Abteilungsleiter in der Redaktion „Tägliche Rundschau“. Von 1950 bis Herbst 1954 war er freiberuflich Lektor des Aufbau-Verlages Berlin, danach dessen stellvertretender Cheflektor. Im Juni 1946 wurde Dr. Harich Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. Nach einem sechsmonatigen Dozentenlehrgang im Jahre 1948 wurde er Lehrbeauftragter für marxistische Philosophie an der Pädagogischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin. Gleichzeitig arbeitete er an einer Dissertation, die er im September 1951 verteidigte. Bis 1954 wurde er mit der Wahrnehmung einer Professpr für Geschichte und Philosophie am Philosophischen Institut der Humboldt-Universität beauftragt. Darüber hinaus war er 1953 Chefredakteur der „Deutschen Zeitschrift für Philosophie“. Im gleichen Jahre verlieh ihm die Deutsche Akademie der Künste den Heinrich-Mann-Preis. Seine Tätigkeit an der Humboldt-Universität gab er wegen Differenzen mit der Parteiorganisation der SED, die ihn auch disziplinarisch zur Verantwortung gezogen hatte, auf. Der etwa gleichaltrige Manfred Hertwig hat nach dem Besuch der Oberschule eine kaufmännische Lehre begonnen, 1942 die Reifeprüfung abgelegt und wurde danach zur Wehrmacht eingezogen. Infolge mehrerer Verwundungen befand er sich nach Kriegsende in Lazaretten. Anschließend wurde er an der Universität Jena immatrikuliert, wo er die Fächer Geschichte, Literaturwissenschaft und teilweise Ökonomie belegte. Er trat Anfang 1946 der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands bei; nach der Vereinigung zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands wurde er deren Mitglied. An der Universität bekleidete er verschiedene Parteifunktionen. Im Sommer 1949 erhielt er eine Delegierung an ein Forschungsinstitut für wissenschaftlichen Sozialismus, wo er etwa ein Jahr lang studierte, als wissenschaftlicher Nachwuchs galt und zum Lektor berufen wurde. Im Frühjahr 1951 wurde er Oberreferent im Staatssekretariat für Hochschulwesen und als Dozent für Marxismus-Leninismus ausgebildet. Bis 1953 hielt er Vorlesungen an der medizinischen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität. Im Januar 1954 wurde er Redaktionssekretär der „Deutschen Zeitschrift für Philosophie“, gleichzeitig hielt er Vorlesungen an der Deutschen Akademie der Wissenschaften. Der 40 Jahre alte Bernhard Steinberger hat bis 1934 ein Realgymnasium besucht und anschließend verschiedene Tätigkeiten verrichtet. Als Jude verlor er im Frühjahr 1936 seine Stellung, emigrierte nach Italien und, als dort ebenfalls Rassengesetze erlassen wurden, im September 1938 in die Schweiz. Er fand Anschluß an marxistische Zirkel und erhielt Kontakt zu Mitgliedern der Kommunistischen Partei Deutschlands, für die er illegale Parteiarbeit leistete. Er schloß sich der Bewegung „Freies Deutschland“ an und wurde später rüdewirkend in die Kommunistische Partei Deutschlands aufgenommen. In der Kommunistischen Partei Bayerns arbeitete er bis Mai 1947 in verschiedenen Funktionen, bis er an die Universität Leipzig delegiert wurde. Im Juni 1946 heiratete er eine ungarische Kommunistin, die im Jahre 1949 in ihrer Heimat verhaftet und im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen Laszlo Rajk u. a. verurteilt wurde. Im Juni des gleichen Jahres wurde auch Bernhard Steinberger von sowjetischen Sicherheitsorganen wegen Spionageverdachts verhaftet. Die Eheleute wurden 1955 aus der Haft entlassen; sie kehrten in die Deutsche Demokratische Republik zurück. Im nachfolgenden Jahr rehabilitierte die SED Bernhard Steinberger und nahm ihn als Mitglied auf. Die Anklage des Generalstaatsanwalts der DDR und das Urteil des 1. Strafsenats des Obersten Gerichts vom 9. März 1957 gehen davon aus, daß die damaligen Angeklagten eines Staatsverbrechens schuldig seien, weil sie sich zu einer Gruppe zusammengeschlossen hätten, „deren Ziel es war, unter Anwendung konspirativer Methoden die durch die Verfassung und Gesetze geschützten gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR durch Drohung oder Gewalt zu verändern, die Errungenschaften unseres sozialistischen Aufbaus preiszugeben und den Sturz der Regierung der DDR zu erzwingen“. Das Urteil stellt dazu im wesentlichen fest, die politischen Ereignisse in Ungarn und Polen 1956 bzw. 1957, vor allem aber die auf dem XX. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion vorgenommene Einschätzung des Stalinismus hätten bei Dr. Wolfgang Harich zur Auffassung geführt, daß die Politik der SED und der Regierung der DDR fehlerhaft sei. Sie müsse geändert und ein besonderer deutscher Weg zum Sozialismus beschritten werden. Seine Auffassungen habe er im Sommer 1956 mit mehreren ihm bekannten Intellektuellen diskutiert, um einen Kreis Gleichgesinnter um sich zu sammeln. Bei Diskussionen in der Betriebsparteiorganisation des Aufbau-Verlages, in der Redaktion der Zeitschrift „Sonntag“ und bei anderen Gelegenheiten habe er entsprechende Forderungen in den Mittelpunkt gestellt. Im Aufbau-Verlag hätten sich Intellektuelle gefunden, die grundsätzlich mit seinen Zielen einverstanden waren. Dazu gehörten der ehemalige Leiter des Verlages, Walter Janka, und die Redakteure Heinz Zöger und Gustav Just, die im Verfahren als Zeugen gehört worden sind. Diese Zeugen hätten Dr. Harich mehrfach ersucht, seine Forderungen schriftlich zu fixieren und zu einem Programm auszuarbeiten. Am 1. November 1956 habe Dr. Harich den stellvertretenden Landesvorsitzenden der SPD, Josef Braun, in Westberlin aufgesucht. Er erklärte ihm, er repräsentiere einen kleinen bewußten Kern oppositioneller Mitglieder der SED, die das Ziel haben, die Politik dieser Partei und der Regierung der DDR sowie bestimmte wirtschaftliche Verhältnisse zu verändern. Dazu bedürfe es des Gedankenaustausches mit Sozialdemokraten. Die SPD könne über den Rundfunk die Bevölkerung der DDR zu Ruhe und Ordnung aufrufen. Josef Braun sei einverstanden gewesen, ein Treffen zu organisieren. In weiteren Zusammenkünften mit Josef Braun habe Dr. Harich konzeptionelle Gedanken und Vorschläge, auch * Das Urteil wurde ln NJ 1957, Heft 6, s. 166, veröffentlicht. - D. Red.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 206 (NJ DDR 1990, S. 206) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 206 (NJ DDR 1990, S. 206)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

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