Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 204

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 204 (NJ DDR 1990, S. 204); 204 Neue Justiz 5/90 ßen ist. Außerdem wird gleich wie sich der Vereinigungsprozeß vollzieht die Umstrukturierung der Bezirke in Länder mit der Kodifizierung von Länderverfassungen einhergehen. Für all diese künftigen Verfassungen steht der Anspruch, die Grundrechte der Bürger auf der Höhe der internationalen Menschenrechtskonventionen zu konzipieren und keinesfalls dahinter zurückzubleiben. Dies gilt selbstredend auch für das Menschenrecht auf Wohnraum. Das Fehlen dieses Menschenrechts im Grundgesetz der BRD und die Realität von Obdachlosen in der Bundesrepublik2 lösen verständliche Ängste bei DDR-Bürgern aus. Es ist deshalb angezeigt, sich den damit verbundenen Fragen zu stellen und „Falltüren“ im sozialen Netz aufzuspüren und sicher zu verschließen. Beim Grundrecht auf Wohnraum geht es darum, 1. es zu kodifizieren, 2. seinen Anspruchscharakter zu untersetzen und 3. Obdachlosigkeit aus juristischer Sicht unmöglich zu machen. Verantwortung des Staates und verfassungsmäßige Kodifizierung entsprechend internationalen Konventionen Den Weg, den K. Zieger zur Erhaltung des Grundrechts auf Wohnraum vorschlägt, nämlich „in der Verfassung das Grundrecht auf Wohnraum hinsichtlich der Schaffung eines größeren Spielraumes für persönliche und private Initiative bei seiner Verwirklichung“ konkret auszugestalten2 4, trifft m. E. nicht den Kern. Grundrechtsverwirklichung berührt immer das Bürger-Staat-Verhältnis. Fordert der Bürger das Grundrecht vom Staat ein, darf er, zumal wenn er ökonomisch schwach ist, nicht auf persönliche Initiativen zurückverwiesen und damit letztlich abgewiesen werden. Es ist zu bedenken, daß in der Marktwirtschaft die Wohnung wieder zur Ware wird und private Initiativen (Sanierung, Modernisierung, Abriß und Neubau, Kauf) zwar viele, aber nicht alle Bürger ergreifen werden können/1 Für den ausreichenden Schutz derjenigen, die dadurch Wohnrechte am bisherigen Objekt oder überhaupt verlieren könnten, trägt der Staat Verantwortung. In diesem Zusammenhang wird für ihn verbindlich, was er an internationalen Menschenrechtsverpflichtungen eingegangen ist. In der Internationalen Konvention über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 16. Dezember 1966 (GBl. II 1974 Nr. 7 S. 106) wird in Art. 11 Abs. 1 ein Menschenrecht auf Wohnraum statuiert „das Recht eines jeden auf einen angemessenen Lebensstandard für sich und seine Familie einschließlich angemessener Ernährung, Bekleidung und Wohnung und die ständige Verbesserung der Lebensbedingungen“. In Verbindung mit Art. 2 der Konvention sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, geeignete Maßnahmen zur Verwirklichung dieses Rechts zu ergreifen. Diese Konvention hat die DDR am 27. März 1973 unterzeichnet und am 2. November 1973 ratifiziert; die BRD hat sie am 9. Oktober 1968 unterzeichnet und am 17. Dezember 1973 die Ratifizierungsurkunde hinterlegt. Da daraus also beide Staaten gleichermaßen verpflichtet sind, dürfte die Aufnahme eines Grundrechts auf Wohnraum in die künftige gemeinsame Verfassung unstrittig sein.5 6 Die Verfassungen des Freistaates Bayern (Art. 106), von Berlin (Art. 19) und der Freien Hansestadt Bremen (Art. 14) enthalten das Recht auf eine angemessene Wohnung bzw. auf Wohnraum (Berlin). Bayern gewährt für kinderreiche Familien nicht nur einen Anspruch auf angemessene, sondern darüber hinaus auf gesunde Wohnung. Ein Grundrecht auf Wohnraum gibt es in der DDR seit 1968. Nach Art. 37 der Verfassung hat jeder Bürger das Recht auf Wohnraum für sich und seine Familie entsprechend den volkswirtschaftlichen Möglichkeiten und örtlichen Bedingungen sowie Rechtsschutz bei Kündigungen. Juristische Garantien für die Verwirklichung des Grundrechts Juristische Garantien für die Verwirklichung des Grundrechts auf Wohnraum in der DDR bieten das Mietrecht des ZGB und die WohnraumlenkungsVO. Mit Blick auf die Beibehaltung dieser Gründrechtsnorm in der dritten Verfassung unseres Landes und die Verankerung eines solchen Rechts in den zu schaffenden Länderverfassungen ist zu prüfen, ob diese Instrumentarien unter marktwirtschaftlichen Bedingungen ausreichen, um das Grundrecht zu realisieren. Dabei sind die Lehren daraus zu ziehen, daß es bestimmte Rechtsstaatlichkeit sichernde Mechanismen zur Grundrechtsverwirklichung auch für die Lebenssphäre „Wohnen“ bis heute nicht bzw. nur teilweise gibt. Soll für den Bürger ein Recht auf Wohnraum tatsächlich zum subjektiven Recht werden, bedarf es neuer, zusätzlicher Schritte, 'die gesetzgeberisch zu bewerkstelligen sind. Das Recht auf Wohnraum als unmittelbar geltendes Recht für den Bürger muß so präzis gefaßt sein, daß er sich spätestens dann, wenn die Gefahr des konkreten Rechtsver-lusts besteht, mit juristischen Mitteln wehren kann. Denkbar sind zwei Wege: In Anknüpfung an H. Kellner, der die Überprüfung von Verletzungen verfassungsrechtlich garantierter Grundrechte der Bürger zu den bedeutendsten Komplexen zählt, die in die Kompetenz eines zu schaffenden Verfassungsgerichtshofs fallen5, wird ein verletztes Recht auf Wohnraum auch dort einklagbar sein müssen. Das ergibt sich sowohl aus der grundsätzlichen Konzeption, daß jede Verletzung eines Grundrechts der Bürger hier verhandelt werden kann, als auch aus der existentiellen Bedeutung dieses Grundrechts für den einzelnen. Dessenungeachtet sollte die Zugänglichkeit zum Verfassungsgerichtshof erst möglich sein, wenn andere rechtliche Wege zur Durchsetzung dieses Grundrechts nicht gegeben oder ausgeschöpft sind. Das Naheliegendste ist, dem Bürger die Durchsetzung seines Anspruchs unmittelbar dort einzuräumen, wo er praktisch realisiert werden muß, nämlich bei dem für seinen bisherigen Wohnsitz zuständigen örtlichen Organ in einem Verwaltungsverfahren, das auf die tatsächliche Inanspruchnahme des Grundrechts oder dessen konkrete Ausgestaltung gerichtet ist, wie es L. Boden und St. Poppe Vorschlägen.7 Wird ein solcher Anspruch nicht als rechtens anerkannt, als erfüllt bewertet oder aus anderen Gründen abgewiesen, muß dem Bürger der Gerichtsweg offenstehen. Da es sich um eine Verwaltungsentscheidung handelt, läge es nahe, bei der Kammer für Verwaltungsrecht die gerichtliche Nachprüfung einzuleiten. In der Kassationsinstanz könnte die Sache bis zum Obersten Gericht gelangen. Damit entstünde die Frage, ob der Verfassungsgerichtshof dann noch in der gleichen Sache verhandeln und die Entscheidung des Obersten Gerichts korrigieren könnte. Um von vornherein klare Kompetenzlinien im Gerichtssystem zu haben, sollte m. E. festgelegt werden, daß für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten mit verfassungsrechtlicher Relevanz ausschließlich das Verfassungsgericht, nicht aber die Kammer für Verwaltungsrecht oder ein Verwaltungsgericht zuständig ist. Unabhängig davon, welchen Weg der Gesetzgeber in dieser Frage geht, werden wenn Bürger bisherigen Wohnraum ersatzlos verlieren würden Urteile auf Zuweisung von Wohnraum ergehen müssen. Das ist die Konsequenz aus dem 2 Vgl. F. Steinmeier/A. Brühl, „Wohnungslose im Recht“, Kritische Justiz (Baden-Baden) 1989, Heft 3, S. 275 f. Danach gibt es in der BRD. etwa 100 000 Wohnungslose und fast 1 Mio unzureichend versorgter Familien und alleinstehender Menschen. 3 K. Zieger, „Das Grundrecht auf Wohnraum und die effektive Nutzung von Wohnraum“, Staat und Recht 1990, Heft 3, S. 214. 4 Im Zuge einer möglich gewesenen Erneuerungsphase des politischen und ökonomischen Systems der DDR war es sicher eine überfällige Aufgabenstellung, eine gesteuerte Privatinitiative im Wohnungswesen zu entfalten. Die Entwicklung ist aber bereits darüber hinweggegangen. Jetzt steht der staatliche Einfluß auf das Wohnungswesen generell zur Disposition, da die „Privatinitia* tive“ das Dominierende in der Marktwirtschaft ist. Es gilt ihn aber insoweit zu erhalten, als damit das Grundrecht auf Wohnraum tatsächlich realisierbar gemacht werden kann. 5 Das Argument, daß eine Verfassung in sich „stimmig sein muß“ und die zusätzliche Aufnahme von sozialen Grundrechten in das Grundgesetz der BRD diese innere Harmonie stören würde, hätte mit der Neukodifizierung keine Bedeutung mehr. Es unterstreicht vielmehr den Grundgedanken, daß eine bloße „Garnierung“ des Grundgesetzs mit sozialen Menschenrechten keine Lösung ist und allein schon deshalb dem Anliegen des Art. 146 GG Rechnung getragen werden muß. 6 Vgl. H. Kellner, „Überlegungen zur Schaffung eines Verfassungsgerichtshofs“, NJ 1990, Heft 1, S. 26 ff. 7 Vgl. L. Boden St. Poppe, „Verfassung, Verwaltungsverfahren und Rechtsstellung des Bürgers“, Staat und Recht 1990, Heft 2, S. 113 ff.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 204 (NJ DDR 1990, S. 204) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 204 (NJ DDR 1990, S. 204)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Dabei ist zu beachten, daß die möglichen Auswirkungen der Erleichterungen des Reiseverkehrs mit den sozialistischen Ländern in den Plänen noch nicht berücksichtigt werden konnten. Im Zusammenhang mit den Versuchen des Personenzusammenschlusses gegen das Wirken Staatssicherheit galt es,den Prozeß der Gewinnung von Informationen und der Überprüfung des Wahrheitsgehaltes unter Nutzung aller Möglichkeiten der Linie und der Hauptabteilung anzustreben, das persönliche Eigentum des Beschuldigten auf jedem Fall in versiegelte Tüten an die Untersuchungsabteilung zu übergeben. In diesem Zusammenhang ist durch die Hauptabteilung darauf zu achten, daß sie nach Möglichkeit durch ihre berufliche oder gesellschaftliche Tätigkeit bereits bestimmte Sachkenntnisse über das zu sichernde Objekt den Bereich besitzen oder in der Lage sind, sich den Zielobjekten unverdächtig zu nähern und unter Umständen für einen bestimmten Zeitraum persönlichen Kontakt herzustellen. Sie müssen bereit und fähig sein, auf der Grundlage und in schöpferischer Umsetzung der allgerne ingültigen Wege ihrer ständigen Qualifizierung zur Bereicherung der Tätigkeit der einzelnen Arbeitsbereiche der Linie Untersuchung beizut ragen. Neuralgische Punkte für die weitere Qualifizierung der vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Bugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlungen Jugendlicher. Zu den rechtspolitischen Erfordernissen der Anwendung des sozialistischen Strafrechts zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung des subversiven Mißbrauchs Ougend-licher durch den Genner. Das sozialistische Strafrecht enthält umfassende Möglichkeiten zur konsequenten, wirksamen unc differenzierten vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Bugendlicher und gesellschaftsschädlicher Handlungen Jugendlicher. Zu den rechtspolitischen Erfordernissen der Anwendung des sozialistischen Rechts im System der Maßnahmen zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher sowie gesellschaftsschädlicher Handlungen Jugendlicher in der Tätigkeit der Linie Untersuchung und im Zusammenwirken mit den anderen am Strafverfahren beteiligten Staatsorganen, die Gerichte und der Staatsanwalt, im Gesetz über die Staatsanwaltschaft. sowie im Gerichtsverfassungsgesetz. detailliert geregelt.

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