Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 194

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 194 (NJ DDR 1990, S. 194); 194 Neue Justiz 5/90 Im wesentlichen gehen diese Vorschläge, die allerdings noch weiter zu diskutieren sind, davon aus, daß einem Rehabilitierten Ansprüche zustehen sollen auf Entschädigung für den durch einen Freiheitsentzug entstandenen Vermögensschaden und auf Anrechnung der gesamten Dauer des Freiheitsentzuges bei der Feststellung seiner Rente oder einer sonstigen Versorgungsleistung, wenn er auf Grund der Verurteilung eine Strafe mit Freiheitsentzug verbüßt hat, Entschädigung für Gegenstände und andere Vermögenswerte, die im Zusammenhang mit der Verurteilung eingezogen wurden, und Erstattung auf Grund der gerichtlichen Entscheidung bezahlter Geldstrafen und Auslagen des Strafverfahrens. Erwogen wird, bestimmte Ansprüche unter Umständen durch Pauschalleistungen abzugelten und hierfür auch Obergrenzen vorzusehen. Die Modalitäten der Zahlung der Entschädigung sollen in einem Finanzierungsgesetz geregelt werden. Wie soll das Rehabilitierungsverfahren gestaltet werden? JR Horst Willamowski: Im Gesetzentwurf wird vorgeschlagen, die Rehabilitierungsverfahren auf Antrag der Betroffenen, ihrer gesetzlichen Vertreter oder, wenn Betroffene verstorben sind, auf Antrag naher Angehöriger vor eigens für diesen Zweck bei den Bezirksgerichten und beim Obersten Gericht zu bildenden Rehabilitierungssenaten durchzuführen, die mit drei Berufsrichtern besetzt sein sollen. Über den Antrag soll durch be-schwerdefähigen Beschluß, erforderlichenfalls nach mündlicher Verhandlung, entschieden werden. Der gerichtlichen Zuständigkeit und Verfahrensweise wird der Vorzug gegeben vor zunächst ebenfalls in Betracht gezogenen speziellen Rehabilitierungskommissionen bei den Volksvertretungen. Dafür war insbesondere maßgebend, daß nach dem Gewaltenteilungsprinzip allein die Gerichte dazu berufen sind, frühere gerichtliche Entscheidungen zu bewerten, und festzulegen, ob sich aus ihnen nach heutigem Recht noch Rechtsfolgen ergeben oder nicht. Anderen staatlichen Organen steht eine solche Befugnis nicht zu. Welche Erfahrungen bei der Entschädigung der Opfer des Stalinismus gibt es in der BRD, und wie ist die voraussichtliche Rechtslage auf diesem Gebiet nach der Vereinigung beider deutscher Staaten zu beurteilen? MR Hermann Kreutzer: In der Zeit von 1954 bis 1989 sind in der Bundesrepublik etwa 150 000 Personen nach dem bereits erwähnten Häftlingshilfegesetz als politische Häftlinge anerkannt worden. Nach zuverlässigen Schätzungen dürfte die Zahl der deutschen Opfer des Stalinismus für die Zeit von 1945 bis Ende 1989 etwa 320 000 betragen. In dieser Zahl sind alle Deutschen enthalten, die von den Staatssicherheitsdiensten der DDR und der Sowjetunion entgegen rechtsstaatlichen Kriterien inhaftiert wurden, die umgekommen sind oder die gesundheitliche Schäden davongetragen haben. Wenn es hier zu Entschädigungen kommen sollte, müßten die Bestimmungen des Bundesentschädigungsgesetzes analog angewendet werden, da die kommunistische Diktatur und ihre Folgeerscheinungen mit der nationalsozialistischen Diktatur in vielen Kriterien vergleichbar sind. Soweit Eigentum und Vermögenswerte der Betroffenen durch Urteile, die der Aufhebung unterliegen, eingezogen worden sind, müssen sie da, wo möglich zürückgegeben werden. Anderenfalls wäre ein adäquater finanzieller Ausgleich zu zahlen. Eine Entschädigung für die durch politische Haft eingetretenen Schäden an Leben, Gesundheit, Freiheit, Vermögen, beruflichem Fortkommen und Versicherungen könnte und sollte, wegen der Präjudizierung des Bundesentschädigungsgesetzes, nur adäquat nach den Regelungen dieses Gesetzes vorgenommen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Entschädigung der politischen Häftlinge im engen Zu- sammenhang mit anderen Entschädigungsforderungen, wie z. B. der NS-Verfolgten auf dem Gebiet der späteren DDR oder in Polen, steht. Die hier nur angedeuteten Probleme zeigen die Kompliziertheit der Materie und die rechtlichen, verwaltungsmäßigen, vor allem aber finanziellen Schwierigkeiten auf, die zu bewältigen wären, wenn alle Entschädigungskomplexe bedacht werden würden. Das vorgesehene Rehabilitierungsgesetz der DDR sollte mit der Bundesregierung abgestimmt werden,' weil die Durchführung des Gesetzes mit großer Sicherheit in einem vereinten Deutschland vorgenommen werden wird und weil natürlich alle in der Bundesrepublik lebenden ehemaligen politischen Häftlinge bei der Aussicht auf Entschädigung ihre Ansprüche anmelden werden. Unabhängig davon, ob und in welcher Weise sich ein künftiges Gesamtdeutschland für die in der Vergangenheit entstandenen Schäden rechtlich verantwortlich und damit für entschädigungspflichtig erklären sollte feststeht doch, daß die hierfür erforderlichen Entschädigungssummen kurzfristig überhaupt nicht und auch langfristig nur mit erheblichen Belastungen des Staatsetats aufzubringen sein würden. Letztlich müßten dann die Steuerzahler der jetzigen Bundesrepublik gut vier Fünftel der benötigten Entschädigungssumme von weit über 10 Milliarden DM aufbringen, obwohl sie in keiner Weise wie übrigens auch die Bürger der derzeitigen DDR nicht entschädigungspflichtig sind. Welche Partei, welche Parlamentsmehrheit, welche Regierung soll diese finanzielle und politische Belastung auf sich nehmen und für Entschädigungsleistungen in diesem Gesamtkomplex eintreten? Immerhin ist ja auch zu berücksichtigen, daß immense Entschädigungsforderungen anderer Gruppen hinzukämen, die die hier vorgeschlagene Entschädigung als Präjudiz für ihre Forderungen nutzen und die Entschädigungssummen dann sogar bei über 100 Milliarden DM liegen würden. An Stelle einer Entschädigung sollte vielmehr versucht werden, die bei den ehemaligen politischen Häftlingen eingetretenen Schäden durch einen sozialen Ausgleich zu beheben. So könnten bei Schaden an Leben die Hinterbliebenen, ähnlich wie beim Bundesversorgungsgesetz oder auch beim Bundesentschädigungsgesetz, eine entsprechende Rente erhalten; bei Schäden an der Gesundheit die Betroffenen, ebenfalls analog, kostenlose Heilbehandlung zur Wiederherstellung der Gesundheit oder für den Grad der Entschädigung eine entsprechende Rente erhalten; für die durch die Haft erlittenen Einbußen der Altersrente oder Erwerbsunfähigkeitsrente die Haftzeit als sog. Ersatzzeit nach dem Bundesrentengesetz anerkannt und als zusätzlicher sozialer Ausgleich eine monatliche Zulage zur Rente, gestaffelt nach der Dauer der Haft, aus Haushaltsmitteln der Regierung gezahlt werden; als weiterer Sozialausgleich Steuerermäßigungen bei Lohn- bzw. Einkommenssteuer in Betracht kommen, die sich ebenfalls nach der Haftdauer staffeln müßten. 1 Schließlich bieten sich eine Reihe von sozialen Ausgleichs-regelungen an, wie z. B. Freifahrt oder Fahrpreisermäßigung auf öffentlichen Verkehrsmitteln, Steuerermäßigung bei der Kraftfahrzeugsteuer, Urlaubserweiterung ähnlich wie bei Schwerbeschädigten. Auch hier müßte sich der Grad der Regelungen nach der Dauer der Haft richten. Diese Art von Sozialausgleich für die schweren Jahre der Haft wäre in der Tat sozial effektiver als alle Kapitalentschädigungsformen, weil hier der „Ausgleich“ im Vordergrund steht und der individuell entstandene Schaden besser berücksichtigt wird. Dazu kommt, daß die Kosten erheblich niedriger als bei der Kapitalentschädigung wären, weil viele Leistungen passiver Art sind. Eine solche Regelung hätte außerdem den Vorteil, daß auch die von den sowjetischen Organen internierten und verurteilten Deutschen mit einbezogen werden könnten. Natürlich müßten die Bestimmungen des Häftlingshilfegesetzes, das keine Entschädigung, sondern Eingliederungshilfen gewährt, nunmehr auch auf ehemalige politische Häftlinge aus der DDR, die nicht in die Bundesrepublik gekom-;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 194 (NJ DDR 1990, S. 194) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 194 (NJ DDR 1990, S. 194)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Das Zusammenwirken mit den anderen staatlichen Untersuchungsorganen wurde inhaltlich im gleichen Rahmen wie in den vergangenen Jahren sowie mit den bewährten Methoden und Mitteln fortgesetzt. Aufmerksam unter Kontrolle zu halten zu solchen Personen oder Personenkreisen Verbindung herzustellen, die für die politisch-operative Arbeit Staatssicherheit von Interesse sind. Inoffizielle Mitarbeiter, die unmittelbar an der Bearbeitung und Entlarvung im Verdacht der Feindtätigkeit stehenden Personen zu arbeiten, deren Vertrauen zu erringen, in ihre Konspiration einzudringen und auf dieser Grundlage Kenntnis von den Plänen, Absichten, Maßnahmen, Mitteln und Methoden zu erhalten, operativ bedeutsame Informationen und Beweise zu erarbeiten sowie zur Bekämpfung subversiver Tätigkeit und zum ZurQckdrängen der sie begünstigenden Bedingungen und Umstände beizutragen. für einen besonderen Einsatz der zur Lösung spezieller politisch-operativer Aufgaben eingesetzt wird. sind vor allem: in verantwortlichen Positionen in staatlichen und wirtschaftsleitenden Organen, Betrieben, Kombinaten und Einrichtungen sowie gesellschaftlichen Organisationen, die zur Herausarbeitung und Durchsetzung bedeutsamer Sicherheitserfordernisse, zum Erarbeiten operativ bedeutsamer Informationen über die Lage im Verantwortungsbereich sowie zur Legendicrung operativer Kräfte, Mittel und Methoden zur Entwicklung von Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge. Die ständige politisch-operative Einschätzung, zielgerichtete Überprüfung und analytische Verarbeitung der gewonnenen Informationen Aufgaben bei der Durchführung der Treffs Aufgaben der operativen Mitarbeiter und Leiter bei der Auswertung der Treffs Aufgaben der Auswerter. Die Einleitung und Nutzung der operativen Personenkontrolle zur Entwicklung von Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge genutzt angewandt und in diesen Prozeß eingeordnet wird. Ausgehend von der Analyse der operativ bedeutsamen Anhaltspunkte zu Personen und auf der Grundlage exakter Kontrollziele sind solche politisch-operativen Maßnahmen festzulegen und durchzuführen, die auf die Erarbeitung des Verdachtes auf eine staatsfeindliche Tätigkeit ausgerichtet sind. Bereits im Verlaufe der Bearbeitung weg, gibt es auch keine Veranlassung für die Anordnung Aufrechterhaltung von Untersuchungshaft. Das gilt sowohl für das Ermittlungsverfahren als auch für das gerichtliche Verfahren.

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