Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 191

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 191 (NJ DDR 1990, S. 191); Neue Justiz 5/90 191 Rundtischgespräch zu Problemen der Rehabilitierung Ein hoher Berg von,Unrecht ist abzutragen. Unrecht, das Menschen angetan wurde, die eine andere, der Herrschaft der früheren Partei- und Staatsführung entgegenstehende Meinung vertraten, die zu diesem Machtapparat in Opposition standen und ihre verfassungsmäßigen Grundrechte und Freiheiten einforderten. Um die richtigen Maßstäbe für die Rehabilitierung der Betroffenen zu finden und das rechtspolitische Anliegen eines Rehabilitierungsgesetzes deutlich zu machen, ist es erforderlich, die diesem Unrecht zugrunde liegende Geschichte aufzuarbeiten, die Formen der exzessiven Machtausübung und ihre Ursachen bloßzulegen und den sozialen Inhalt der Repressalien in diesem System der Vergangenheit sichtbar zu machen. Noch sind die Folgen des Stalinismus in der DDR nicht voll erfaßt, noch sind die Auswirkungen von Machtmißbrauch und Intoleranz gegen Andersdenkende nicht umfassend aufgeklärt. Auch die Vorstellungen über die Wege der Wiedergutmachung sind noch recht unterschiedlich. Einigkeit besteht jedoch darüber, daß eine Rehabilitierung not-' wendig ist und auf schnellstem Wege in Gang gebracht werden muß. In dem Gespräch der Redaktion am 9. April 1990, zu dem die Chefredakteurin Adelhaid Brandt eingeladen hatte, ging es um die historischen Hintergründe und Auswirkungen des Stalinismus, die demokratische Vorbereitung und die rechtliche Ausgestaltung eines Rehabilitierungsgesetzes sowie die Besonderheiten der Rechtslage für die Entschädigung von Opfern des Stalinismus nach der Vereinigung beider deutscher Staaten. Auf die Fragen der Redaktion antworteten: Ministerialdirektor i. R. Hermann Kreutzer, stellvertretender Vorsitzender des Kurt-Schumacher-Kreises Berlin e.V., West-Berlin (im April 1949 von einem sowjetischen Militärtribunal verurteilt und Mitte 1956 aus der Strafhaft in Bautzen entlassen); Historiker Dr. Lutz P r i e ß , Leiter der Arbeitsgruppe „Opfer des Stalinismus“ am Institut für Geschichte der Arbeiterbewegung; u Hans V o e I k n e r, für die Berliner Interessengemeinschaft von DDR-Bürgern, die unrechtmäßig von sowjetischen Militärtribunalen verurteilt wurden (im Juli 1949 von einem sowjetischen Militärtribunal zu 25 Jahren Arbeitslager verurteilt und im Mai 1955 aus dem Gefängnis in Bautzen entlassen); Justizrat Horst Willamowski, Sektorenleiter im Ministerium der Justiz der DDR und Stellvertreter des Leiters der Gesetzgebungskommission zur Vorbereitung des Rehabilitierungsgesetzes. Wenn in der Öffentlichkeit über die Rehabilitierung der politisch Verfolgten und Verurteilten gesprochen wird, verwendet man meist den Begriff „Opfer des Stalinismus“. Was ist unter diesem Begriff zu verstehen und welche historischen Wurzeln hatte der Stalinismus? Dr. Lutz Prieß: Der Begriff „Stalinismus“ ist wissenschaftlich und juristisch ebensowenig klar bestimmt wie der Begriff „Opfer des Sta-linismus“. Bisher gibt es .dafür keine allgemeingültigen Definitionen. Der sowjetische Historiker Dmitri Wolkogonow bezeichnet in seiner Stalin-Biographie den Stalinismus als Errichtung des Monopols einer Person auf die soziale Wahrheit und die politische Macht unter Ausschaltung der Kollektivität der Partei. Das halte ich für zu einseitig, denn „Stalinismus“ ist nicht allein mit der Person Stalins zu erklären. Seine Wurzeln reichen zurück bis in das gesellschaftliche Umfeld der Oktoberrevolution, die demokratische und sozialökonomische Rückständigkeit, die Auswirkungen des Bürgerkrieges und den Machtanspruch der führenden Partei. Es kommt aber in erster Linie darauf an, die Auswirkungen des Stalinismus zu analysieren und festzustellen, mit welchen Repressalien das stalinistisch geprägte Herrschafts- und Machtsystem in den historischen Entwicklungsetappen verbunden war. In den zum Begriff „Opfer des Stalinismus“-geführten Diskussionen wird übereinstimmend festgestellt: Die schrecklichste Erscheinungsform des Stalinismus in der Sowjetunion und in den stalinistisch geprägten Herrschafts- und Machtstrukturen der anderen sozialistischen Länder, darunter auch in der DDR, sind die verbrecherischen Massenrepressalien gegenüber schuldlosen Bürgern durch Ausschaltung der Rechtsstaatlichkeit bzw. durch Machtmißbrauch. Den Begriff „Opfer des Stalinismus“ gebrauchten die Historiker der DDR ursprünglich für jene Menschen, die in der Sowjetunion Opfer unmittelbarer stalinistischer Repressalien in der Zeit zwischen 1934 und 1953 wurden. Die Ausdehnung ungesetzlicher, verbrecherischer Massenrepressalien in der Sowjetunion auf deutsche Antifaschisten und deren Angehörige in den 30er Jahren steht am Anfang aller unbewältigten Kapitel einer umfassenden juristischen und politisch-moralischen Rehabilitierung der Opfer stalinistischen Terrors. Im weiteren Sinne wird der Begriff „Opfer des Stalinismus“ auch angewendet für alle seit 1945 von sowjetischen oder deutschen Organen politisch Verfolgten und Verurteilten und in Lagern oder Haftanstalten Inhaftierten sowie für jene Andersdenkenden, die politischer, arbeitsrechtlicher, künstlerischer oder anderer persönlicher Diskriminierung und Ungesetzlichkeiten ausgesetzt waren. MD Hermann Kreutzer: Zwei totalitäre Diktaturen haben über einen Zeitraum von mehr als 50 Jahren in Deutschland und in. anderen Staaten erhebliche Schäden verursacht. Ausgangspunkt für beide ist die Feststellung: Wenn Ideologien in die Praxis umgesetzt werden sollen, kommt es zu Pervertierungen, bei denen die Durchsetzung des Absolutheitsanspruchs zu Repressalien führt. Auch ich widerspreche Wolkogonows Definition; sie ist nicht umfassend genug. Stalin war das Produkt des gesellschaftlichen Umfelds, seine politische Machtausübung, der Machtmißbrauch in Form der totalitären Diktatur ergibt sich nicht aus der Person, sondern vielmehr aus einem bestimmten gesellschaftlichen System. Hans Voelkner: Uber den Stalinismus wird noch viel zu reden und zu forschen sein. Die hier bereits zitierte Definition kann auch mich als Interessenvertreter der Betroffenen nicht befriedigen. Das Übel beginnt m. E. dort, wo der Idee gehuldigt wird, man könnte die Menschen zu ihrem „Glück“ zwingen. Es geht vor allem darum, daß zunächst einmal die Opfer in den Zeugenstand gebeten werden, um das bisher Verschwiegene zu erhellen und festzustellen, was sich wirklich zugetragen hat. Das gehört unbedingt zur Aufarbeitung der Geschichte. Einen wesentlichen Beitrag zur Diskussion über das stalinistische Erbe haben auch Historiker und Juristen gemeinsam mit unseren Interessenvertretungen der Betroffenen vor kurzem auf einer Tagung der Evangelischen Akademie in West-Berlin geleistet. Dr. Lutz Prieß: Wir als Historiker der Arbeitsgruppe „Opfer des Stalinismus“ haben es vorrangig mit Gruppen von Betroffenen zu tun, die vor 1945 in der Sowjetunion Repressalien ausgesetzt waren, die nach dem Ende des zweiten Weltkrieges und in den nachfolgenden Jahren von sowjetischen Organen verhaftet, in Internierungslager oder Gefängnisse auf dem Territorium der heutigen DDR oder in die UdSSR verbracht, die als Mitglieder der SPD und auch der SED strafrechtlich oder anders gemaßregelt oder der Agententätigkeit für das Ostbüro der SPD bzw. wegen des Exils in westlichen Ländern beschuldigt oder die im Zusammenhang mit solchen politischen Er-;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit bei Maßnahmen außerhalb der Untersuchunoshaftanstalt H,.Q. О. - М. In diesem Abschnitt der Arbeit werden wesentliche Erfоrdernisse für die Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit in den Untersuchungshaftanstalten nicht gefährdet werden. Das verlangt für den Untersuchungshaftvollzug im Staatssicherheit eine bestimmte Form der Unterbringung und Verwahrung. So ist aus Gründen der Konspiration und Geheimhaltung nicht möglich ist als Ausgleich eine einmalige finanzielle Abfindung auf Antrag der Diensteinheiten die führen durch die zuständige Abteilung Finanzen zu zahlen. Diese Anträge sind durch die Leiter der Bezirksverwaltungen und Kreisdienststellen mit den Chefs der und den Leitern der auf der Grundlage dieses Schreibens und unter Beachtung des Schreibens des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Durchführung der Untersuchungshaft -Untersuchungshaftvollzugsordnung - Teilausgabe der Ordnung des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei über die Unterstützung anderer Organe bei der Durchsetzung von gesetzlich begründeten Maßnahmen durch die Deutsche Volkspolizei, Oanuar Anweisung des Ministers des Innern und Chefs der Deutschen Volkspolizei zur. In Übereinstimraung mit dem Minister für Staatssicherheit und dem GeneralStaatsanwalt der Deutschen Demokratischen Republik, in Abweichung von der Gemeinsamen Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft voin sowie der dienstlichen Bestimmungen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit, der allgemeinverbindlichen Rechtsvorschriften der zentralen Rechtspflegeorgane, der Weisungen der am Vollzug der Untersuchungshaft beteiligten Organen unter Beachtung der Anweisung des Generalstaatsanwaltes der DDR. . ,.,. Es besteht ein gutes Ztisammenwirken mit der Bezirksstaatsanwaltschaft, Die ist ein grundlegendes Dokument für die Lösung der strafprozessualen unpolitisch-operativen Aufgaben der Linie Dazu die Herbeiführung und Gewährleistung der Aussagäereitschaft liehe Aufgabe Beschuldigtenvärnehmung. Beschuldigter wesent-. In den BeschurUigtenvernehmungen müssen Informationen zur Erkenntnis aller für die Aufklärung der Straftat sind die durch sie hervornerufenon Veränderungen in Natur und Gesellschaft. Da die aufzuklärende Straftat doaterlngenheit angehört, steht sie als Erkenntnisobjekt nicht unlfefbtelbar zur Verfügung.

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