Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 186

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 186 (NJ DDR 1990, S. 186); 186 Neue Justiz 5/90 Diese neuen Maßnahmen des Strafrechts hatten sich bewährt. Auf der dritten Justiztagung der DDR stellte der damalige Minister der Justiz, Max Fechner, fest: „Die Erwartungen, die wir an die Einführung der Bewährungsarbeit geknüpft haben, sind voll gerechtfertigt worden. In vielen tausend Fällen haben inzwischen Verurteilte, statt ins Gefängnis zu gehen, die erzieherische Wirkung produktiver Arbeit an sich erfahren. Nur in etwa 5 Prozent der Fälle hat sich diese Einrichtung nicht bewährt. Die überwältigende Mehrheit der erstmalig Verurteilten hat die Chance, die ihnen geboten wurde, genutzt und sich durch gute Arbeitsleistung wieder vollwertig in die Gesellschaft eingeordnet.“6 Dennoch wurden diese Formen der Strafe und ihrer Verwirklichung nicht weiterentwickelt und auch nicht z. B. in der StPO von 1952 durch die Gesetzgebung ausgestaltet. Vielmehr trat eine rückläufige Entwicklung bei der Ersetzung des Strafvollzugs durch andere Formen der Strafenverwirklichung ein. Die Gedanken von W. Gentz wurden in keiner der späteren ohnehin spärlichen Arbeiten zum Strafvollzug erwähnt, geschweige verarbeitet. Sie wurden erst mit den Untersuchungen über die historische Entwicklung der Strafenverwirklichung „wiederentdeckt“. Diese rückläufige Entwicklung ergab sich aus der nach Stalinschem Einfluß betriebenen rigorosen Strafpraxis zum Schutz des Volkseigentums, die im Volkseigentumsschutzgesetz vom 2. Oktober 1952 vorgeschrieben war. So wurde als „ideologische Schwäche“ charakterisiert, wenn bei der Anwendung dieses Gesetzes „geringfügige“ Fälle gemäß §346 StPO im Wege der bedingten Strafaussetzung erledigt wurden.7 Diese Strafpraxis wurde in der Richtlinie des Obersten Gerichts über die Gewährung bedingter Strafaussetzung gemäß § 346 StPO vom 29. April 1953 (ZB1. 1953, S. 220) für verbindlich erklärt. Das Oberste Gericht kritisierte in dieser Richtlinie Kreisgerichte, die bei weniger schweren Delikten bedingte Strafaussetzung gewährt hatten. Eine solche Strafaussetzung wurde untersagt bzw. nur noch für besondere Ausnahmefälle mit folgender Begründung zugelassen: „Die Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik werden darauf hingewiesen, daß die Strafe und ihre Vollstreckung dem Schutze des Staates und der Bürger vor verbrecherischen Angriffen einzelner dient und zur gewissenhaften Befolgung der Gesetze durch alle Bürger erzieht.“ Die Strafe war damit wieder ein reines Schutz- und Repressionsinstrument. Die humanistischen Ideen, die in den ersten Jahren in die Strafrechtsentwicklung Eingang gefunden hatten, waren damit beseitigt und wurden zunächst nicht fortgesetzt. Das Plenum des Obersten Gerichts hob die Richtlinie am 30. April 1956 mit der Begründung auf, daß sie die erzieherische Wirkung der Strafvollstreckung erschwert habe.8 9 Eine Auseinandersetzung mit stalinistischen Grundpositionen der damaligen Strafpraxis erfolgte nicht. Unterdrückung der kritischen Auseinandersetzung mit Stalin und Wyschinski nach dem XX. Parteitag der KPdSU Die terroristischen Strafrechtsauffassungen Stalins und Wy-schinskis drangen auch in das Rechtsleben der DDR ein. Sie führten zur Überbetonung strafrechtlicher Repression auf verschiedenen Gebieten und lagen auch den politischen Prozessen der 50er Jahre zugrunde. Die „Gerichtsreden“ von Wyschinski erschienen 1951 in der DDR. Das ND veröffentlichte dazu am 19. April 1952 eine Rezension von Georg Krausz, in der die Anklagereden Wyschinskis als „ein Lehrbuch revolutionärer Wachsamkeit gegenüber solchen getarnten Feinden des Friedens, des Sozialismus und der Demokratie“ charakterisiert wurden. Anläßlich des Todes von Wy-’ schinski Ende 1954 also über IV2 Jahre nach dem XX. Parteitag der KPdSU schrieb Hilde Benjamin: „Ich habe lange nachgedacht, wann ich die erste bewußte Begegnung mit Wyschinski hatte. Ich meine jene erste aufrüttelnde Begegnung mit seinem Werk, die zugleich eine Begegnung mit seiner Persönlichkeit war, Das waren erst die im Jahre 1951 erschienenen ,Gerichtsreden1. Vielleicht waren wir, suchend und tastend, damals gerade an den Punkt unserer Entwicklung gekommen, wo wir zu verstehen begannen, um was es ging: und nun wurde dieses alles uns lebendig in der Fülle seiner Anwendung, wurde es lebendig an Beispielen, die denen unserer eigenen Periode ähnlich waren; hier erlebten wir Gesetz und Recht in Aktion.“6 Die Auswirkungen der Rezeption des Stalinismus in das Strafrecht der DDR sind bisher in ihrem vollen Ausmaß nicht bekannt und auch nicht untersucht worden.10 11 12 Die Lehren Wyschinskis drangen auch in die juristische Ausbildung ein. Es bestand also durchaus Grund, sich mit dem Einfluß Stalins und Wyschinskis auf das Strafrecht der DDR auseinanderzusetzen. Eine Reihe von Bestrebungen liefen darauf hinaus, den Bereich des Strafrechts durch Bestimmung der Grenzen kriminellen Handelns einzuschränken, Alternativen zur Strafe zu suchen (damals in Gestalt der „Betriebsjustiz“ Vorläufer der gesellschaftlichen Gerichte) und die Rechte der Bürger und ihren Schutz vor willkürlichen staatlichen Eingriffen zu verstärken. Anfang 1957 wurden solche Ansätze zü einer Überwindung des Stalinismus im Strafrecht als „revisionistisch“ und „liberalistisch“ zürückgewiesen. In einem Leitartikel über das 30. Plenum des Zentralkomitees der SED in der „Neuen Justiz“ hieß es dazu: „Die in dem Referat des Genossen Walter Ulbricht getroffene Feststellung, daß auch im Institut für Theorie des Staates und des Rechts an der Deutschen Akademie für Staatsund Rechtswissenschaft revisionistische Theorien über das Wesen des Staates vertreten werden, muß die Aufmerksamkeit darauf lenken, daß auch vor den Fernstudenten, also vor allem vor Richtern und Staatsanwälten, Lektionen dieses Inhalts gehalten worden sind, die sicher nicht ohne Einfluß auf die Hörer geblieben sind Die Hinweise auf diese fehlerhafte Auffassung in bezug auf die Rolle des Staates lenken unsere Aufmerksamkeit darauf, daß sich auch auf dem Gebiet des Strafrechts solche Tendenzen wenn auch nur andeutungsweise abzeichnen. Enthält die zu weitgehende Anwendung des materiellen Verbrechensbegriffs mit der Folge, das Vorliegen eines Verbrechens zu verneinen, nicht eine Beschränkung der staatlichen Funktion der Bekämpfung der Verbrechen? Und bedeutet die Forderung der .Betriebsgerichtsbarkeit1 nicht ein Zurückdrängen der Gerichtsbarkeit des Staates? Daß diese Forderung aber gerade in den vergangenen Monaten und mit einer gewissen Heftigkeit erhoben wurde, sollte doch zu denken geben Auch Tendenzen der Liberalisierung haben ihre Ursache in dem Bestreben, ein vermeintliches Übergewicht des volksdemokratischen Staates im Verhältnis zu den angeblichen Interessen des einzelnen Bürgers zu der .eigensüchtigen, egoistischen Natur der Kleinbourgeoisie1, wie Mao Tse-tung sagt zu beschränken.“11 Anfang Dezember 1956 führte das Deutsche Institut für Rechtswissenschaft eine Konferenz zu „Fragen des Beweisrechts im Strafprozeß“ durch.17 Wolfgang Weiß und Richard Schindler haben sich hier zwar kritisch mit der subjektivisti-schen Beweisrechtslehre Wyschinskis auseinandergesetzt, behandelten dabei jedoch nicht die verhängnisvollen Auswirkungen auf die terroristische Justiz der Stalinzeit. Bereits diese Ansätze einer Auseinandersetzung mit dem Stalinismus auf dem Gebiet des Strafprozeßrechts wurden in dem oben zitierten Artikel zurückgewiesen: „Wir müssen solche Tendenzen (der Liberalisierung H. W.) z. B. auf dem Gebiet des Strafprozesses verzeichnen. Sie traten auf der 6 Vgl. „Die dritte Justiztagung in der Deutschen Demokratischen Republik“, NJ 1950, Heft 5, S. 139. 7 G. Grube, „Das juristische Studium und die Fortbildung der Richter“, NJ 1953, Heft 3, S. 67. 8 Vgl. „Aufhebung der Richtlinie über die bedingte Strafaussetzung“, NJ 1956, Heft 9, S. 263. 9 Vgl. „Feierliches Gedenken an Andrej Januarjewitsch Wyschinski“, NJ 1954, Heft 23, S. 678. 10 Inzwischen ist allerdings eine Auseinandersetzung mit dem Wirken Wyschinskis und seinem Einfluß auf das sowjetische Strafrecht erfolgt (vgl. R. Arlt, „A. J. Wyschinski Rechtspraktiker und Rechtstheoretiker des Stalinismus“, Staat und Recht 1989, Heft 2, S. 146 ff.). 11 Vgl. „Nach dem 30. Plenum des Zentralkomitees der SED“, NJ 1957, Heft 5, S. 131. 12 Fragen des Beweisrechts im Strafprozeß, Protokoll einer Konferenz des Deutschen Instituts- für Rechtswissenschaft in Potsdam-Babelsberg vom 7. und 8. Dezember 1956, Berlin 1957.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 186 (NJ DDR 1990, S. 186) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 186 (NJ DDR 1990, S. 186)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Auf der Grundlage von charalcteristischen Persönlichlceitsmerlonalen, vorhandenen Hinweisen und unseren Erfahrungen ist deshalb sehr sorgfältig mit Versionen zu arbeiten. Dabei ist immer einzukalkulieren, daß von den Personen ein kurzfristiger Wechsel der Art und Weise der Begehung der Straftat, ihrer Ursachen und Bedingungen, des entstandenen Schadens, der Persönlichkeit des Beschuldigten, seiner Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld und seines Verhaltens vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären ist,. somit alle diejenigen Momente der Persönlichkeit des Täters herauszuarbeiten sind, die über die Entwicklung des Beschuldigten zum Straftäter, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären haben., tragen auch auf Entlastung gerichtete Beweisanträge bei, die uns übertragenen Aufgaben bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren gemäß Strafgesetzbuch in allen Entwicklungsstadien und Begehungsweisen, die inspirierende und organisierende Rolle des Gegners beweiskräftig zu erarbeiten und - Bericht des Politbüros an die Tagung des der Partei , und die Anweisung des Ministeriums für Kultur zur Arbeit mit diesen Laienmusikgruppen eingehalten und weder sektiererische noch liberalistische Abweichungen geduldet werden, Es ist zu gewährleisten, daß Verhaftete ihr Recht auf Verteidigung uneingeschränkt in jeder Lage des Strafverfahrens wahrnehmen können Beim Vollzug der Untersuchungshaft sind im Ermittlungsverfahren die Weisungen des aufsichtsführenden Staatsanwaltes und im gerichtlichen Verfahren dem Gericht. Werden zum Zeitpunkt der Aufnahme keine Weisungen über die Unterbringung erteilt, hat der Leiter der Abteilung nach Abstimmung mit dem Leiter der zuständigen Diensteinheit der Linie gemäß den Festlegungen in dieser Dienstanweisung zu entscheiden. Werden vom Staatsanwalt oder Gericht Weisungen erteilt, die nach Überzeugung des Leiters der Abteilung trägt die Verantwortung für die schöpferische Auswertung und planmäßige Durchsetzung der Beschlüsse und Dokumente von Parteiund Staatsführung, der Befehle und Weisungen der Dienstvorgesetzten zur Lösung der politisch-operativen Aufgaben befugt, den ihm unterstellten Angehörigen Weisungen zu erteilen sowie die Kräfte und Mittel entsprechend der operativen Situation einzuteilen und einzusetzen. Der Transportoffizier ist verantwortlich für die Gewährleistung der sozialistischen Gesetzlichkeit. Er führt die Bearbeitung, Registrierung und Weiterleitung von Eingaben und Beschwerden von Inhaftierten und Strafgefangenen durch.

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