Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 148

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 148 (NJ DDR 1990, S. 148); 148 Neue Justiz 4/90 Verwaltung und Gesetzlichkeit Unbestimmte Rechtsbegriffe und Ermessensentscheidungen im Verwaltungsrecht unter dem Aspekt der gerichtlichen Nachprüfung Dozent Dt. sc. STEFAN POPPE, Sektion Rechtswissenschaft der Karl-Marx-Universität Leipzig In seinem Beitrag „ Ermessensentscheidungen der Verwaltungsorgane“ (NJ 1990, Heft 1, S. 23 f.) unterscheidet K. B ö n -n i n g e r zwischen Ermessensspielraum und der Auslegung unbestimmter Recht'sbegriffe. Er kommt zu dem Ergebnis, daß Ermessensentscheidungen, die im Rahmen der pflichtgemäßen Ausübung des Ermessens von den Verwaltungsorganen getroffen wurden, nicht der gerichtlichen Nachprüfung unterliegen, während die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe allein dem Gericht obliegt. In der Tat erlangen erst unter dem Aspekt der gerichtlichen Nachprüfung Entscheidungen auf der Grundlage unbestimmter Rechtsbegriffe und Ermessensentscheidungen im Verwaltungsrecht zunehmende Bedeutung. Schon jetzt regelt die Mehrzahl der in der VO zur Anpassung von Regelungen über Rechtsmittel der Bürger und zur Festlegung der gerichtlichen Zuständigkeit für die Nachprüfung von Verwaltungsentscheidungen vom 14. Dezember 1988 (GBl. I Nr. 28 S. 330) genannten Rechtsvorschriften Ermessensentscheidungen und/oder enthält unbestimmte Rechtsbegriffe. Die angestrebte wesentliche Erweiterung der gerichtlichen Nachprüfung von Verwaltungsentscheidungen1 unterstreicht die Notwendigkeit, eine exakte Abgrenzung zwischen Ermessensentscheidungen und Entscheidungen auf der Grundlage unbestimmter Rechtsbegriffe vorzunehmen. Sie gleichzusetzen oder als Synomyme zu verwenden* 2 wäre falsch. Zwischen beiden bestehen prinzipielle und rechtlich beachtliche Unterschiede. Umfang der gerichtlichen Nachprüfung von Ermessensentscheidungen Ob eine Entscheidung im Ermessen des Verwaltungsorgans liegt, ist in der Regel schon dem Wortlaut der Rechtsnorm zu entnehmen: Wenn die Rechtsfolge nicht zwingend in Form der Muß-, Ist-zu- oder Darf-nicht-Regelung vorgesehen ist, sondern auf Grund einer Kann-, Darf-, Ist-berechtigt-, Soll-Regelung bzw. eines nur allgemein vorgegebenen Rahmens möglicher Rechtsfolgen der Entscheidung des Verwaltungsorgans obliegt, ist ein Ermessensspielraum gegeben. Ermessensentscheidungen begründen grundsätzlich keinen Anspruch auf eine bestimmte inhaltliche Entscheidung. Jedoch müssen auch sie den Anforderungen der Gesetzlichkeit genügen. Hinsichtlich dieser Anforderungen, also der Frage, ob das Ermessen pflichtgemäß ausgeübt wurde, unterliegen sie der Nachprüfung durch die Gerichte.2 Den Verwaltungsorganen wird bei Ermessensentscheidungen auf Grund ihrer Praxisnähe die rechtliche Möglichkeit eingeräumt, aus einem Kreis mehrerer rechtlich zulässiger, durch die Norm als rechtlich gleichwertig und vertretbar anerkannter Rechtsfolgen diejenige zu finden, die im Rahmen des Anliegens (Ziels) der rechtlichen Regelung bzw. der verfassungsrechtlichen Grenzen der Ermessensausübung und entsprechend den konkreten Bedingungen des Sachverhalts am zweckmäßigsten erscheint. Insofern ist die Ermessensentscheidung zwar keine strikt gebundene'1, aber auch keine völlig freie Entscheidung, da mit ihr stets nur die rechtlich gebundene Wahlmöglichkeit und eine entsprechende Entscheidung gerechtfertigt und geschützt ist. Soweit sich die Entscheidung innerhalb dieses Rahmens bewegt, d. h. dem Anliegen der Rechtsvorschrift entspricht und ihr nicht sachfremde Erwägungen zugrunde liegen, alle Tatbestands- merkmale bzw. rechtlich beachtlichen Merkmale des Sachverhalts bei der Entscheidungsfindung beachtet und zutreffend gewichtet wurden bzw. umgekehrt keine unzutreffenden oder unbeachtlichen objektiven oder subjektiven Merkmale einbezogen wurden und dem Verfassungsgrundsatz der Gleich,-behandlung der Bürger entsprochen wurde, ist durch das Gericht nicht zu prüfen, ob diese Entscheidung tatsächlich die zweckmäßigste ist. Wichtige Hinweise für die richtige, d. h. rechtmäßige und sachgerechte Wahrnahme des Ermessens können sich aus der Begründung der Verwaltungsentscheidung ergeben. Fehlt diese gänzlich oder ist sie so wenig aussagefähig (weil sie z. B. nur die Mitteilung der angewandten Rechtsnormen ohne einen konkreten inhaltlichen Bezug zum jeweiligen Einzelfall beinhaltet), daß faktisch von ihrem Fehlen ausgegangen werden muß, ist das ein Indiz für eine mögliche fehlerhafte Wahr-nahme des Ermessens. Insofern kann m. E. die Möglichkeit des Gerichts, das Verwaltungsorgan im Ergebnis seiner Feststellungen zu verpflichten, die Verwaltungsentscheidung mit Gründen zu versehen (§ 10 Abs. 1 Ziff. 2 GNV), nur dann die Beendigung des Nachprüfungsverfahrens bedeuten, wenn das Gericht zu der Überzeugung gelangt, daß die Gesetzlichkeit der Entscheidung gewahrt ist. Ergeben .sich dagegen erst aus der nachgereichten Begründung Hinweise für mögliche oder tatsächliche Gesetzlichkeitsverstöße wegen unzureichender Sachverhaltsaufklärung oder Verstosses gegen Rechtsvorschriften, so hat das Gericht m. E. gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 1 GNV die Sache an das Verwaltungsorgan zurückzuverweisen, verbunden mit der Verpflichtung, den Sachverhalt umfassend aufzuklären bzw. eine der Gesetzlichkeit entsprechende Entscheidung zu treffen. Gerichtliche Nachprüfung der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe Während bei Ermessensentscheidungen das Verwaltungsorgan die Möglichkeit hat, eine zutreffende Entscheidung unter mehreren Rechtlich generell möglichen und gleichwertigen zu finden,, kann es bei unbestimmten Rechtsbegriffen lediglich eine Bewertung vornehmen, nicht aber eine Auswahl treffen. Das unterscheidet beide Entscheidungsarten inhaltlich. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, wie- z. B. „öffentliche Ordnung und Sicherheit“, „Gemeinwohl“, „gesellschaftliches Interesse“, „Gefährdung“, „Eignung“, „Qualifikation“, „Beeinträchtigung“, „Modernisierung“ usw., trägt dem praktischen Bedürfnis Rechnung, eine Vielzahl von Sachverhalten, die trotz rechtlich irrelevanter Unterschiedlichkeit bestimmte wesentliche, gleiche und einheitliche Merkmale haben, mit einem Rechtsbegriff zu erfassen und damit perspektivisch zugleich auch gesellschaftlichen Entwicklungen, Veränderungen von Wissenschaft und Technik usw. zu entsprechen, ohne dabei immer auf eine Neuregelung der Rechtsvorschrift angewiesen zu sein. Unbestimmte Rechtsbegriffe sind folglich normative Begriffe, bei deren Regelung bzw. Anwendung von bestimmten rechtlich unwesentlichen Merkmalen abstrahiert wird bzw. werden muß, während andere X Vgl. „Vorschläge zum Ausbau der Rechtsordnung und zur Erhöhung der Rechtssicherheit in der DDR“ (Erklärung des Rates der Vorsitzenden der Kollegien der Rechtsanwälte in der DDR). NJ 1989, Heft 12, s. 480 f.; „Zu einigen Grundfragen sozialistischer Rechtsstaatlichkeit“ (Standpunkt des Ministeriums der Justiz), ebenda. S. 478. 2 Vgl. z. B. G. Schulze, „Konsequenzen für die staatlichen Verwaltungsorgane aus der gerichtlichen Nachprüfung von Verwaltungsentscheidungen“. Staat und Recht 1989, Heft 4, S. 296 ff. (300), wo es u. a. heißt: „Viele für die Verwaltungsorgane geltenden Rechtsvorschriften enthalten . oftmals umfangreiche Ermessensregelungen, beispielsweise die Verpflichtung, bei bestimmten Verwaltungsentscheidungen örtliche Bedingungen zu berücksichtigen.“ 3 Vgl. K. Bönninger. a. a. O S. 24. 4 Eine strikt gebundene Entscheidung regelt beispielsweise § 11 Abs. 1 der AO über das Forschungsstudium vom 29. Dezember 1978 (GBl. I 1979 Nr. 3 S. 26; Ber. GBl. I 1979 Nr. 9 S. 80) i. d. F. der AO Nr. 2 vom 1. Juli 1981 (GBl. I Nr. 24 s. 301): „Forschungsstudenten erhalten ein Grundstipendium in Höhe von 500 Mark monatlich.“ Ermessensentscheidung ist dagegen die Gewährung und konkrete Höhe eines Leistungsstipendiums gemäß § 11 Abs. 3 der AO.;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Von besonderer Bedeutung ist die gründliche Vorbereitung der Oberleitung des Operativen Vorgangs in ein Ermittlungsverfahren zur Gewährleistung einer den strafprozessualen Erfordernissen gerecht werdenden Beweislage, auf deren Grundlage die Entscheidung über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu einer öffentlichkeitswirksamen und häufig auch politisch brisanten Maßnahme, insbesondere wenn sie sich unmittelbar gegen vom Gegner organisierte und inspirierte feindliche Kräfte richtet. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, eine Person, die sich an einem stark frequentierten Platz aufhält, auf Grund ihres auf eine provokativ-demonstrative Handlung. hindeutenden Verhaltens mit dem Ziel zu vernehmen Beweise und Indizien zum ungesetzlichen Grenzübertritt zu erarbeiten Vor der Vernehmung ist der Zeuge auf Grundlage des auf seine staatsbürgerliche Pflicht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich ist. Die gesetzlich zulässigen Grenzen der Einschränkung der Rechte des Verhafteten sowie ihre durch den Grundsatz der Unumgänglichkeit zu begründende Notwendigkeit ergeben sich vor allem daraus, daß oftmals Verhaftete bestrebt sind, am Körper oder in Gegenständen versteckt, Mittel zur Realisierung vor Flucht und Ausbruchsversuchen, für Angriffe auf das Leben und die Gesundheit anderer Personen und für Suizidhandlungen in die Untersuchungshaftanstalten einzuschleusen. Zugleich wird durch eins hohe Anzahl von Verhafteten versucht, Verdunklungshandlungen durchzuführen, indem sie bei Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt und auch danach Beweismittel vernichten, verstecken nicht freiwillig offenbaren wollen. Aus diesen Gründen werden an die Sicherung von Beweismitteln während der Aufnahme in der Untersuchungshaftanstalt und auch danach, insbesondere während der Körperdurchsuchung und der Durchsuchung der Bekleidung sowie der mitgeführten Gegenstände verhafteter Personen, hohe Anforderungen gestellt.

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