Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 145

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 145 (NJ DDR 1990, S. 145); Neue Justiz 4/90 145 „Als Richter politisch nicht tragbar" Ehemalige Richter berichten über ihren Fall Die Aufarbeitung der Geschichte der DDR, die konsequente Aufdeckung zentralistisch administrativer Strukturen erfordert zwangsläufig eine Auseinandersetzung mit der Rolle der Justiz in diesem System. Dabei ist insbesondere die Tätigkeit der Richter einer differenzierten Bewertung zu unterziehen. In diesem Zusammenhang werden Fragen aufgeworfen: War die Rolle des Richters nur die eines Vollstreckers des Partei- und Staatswillens? Hat der Richter „lediglich“ auf der Grundlage geltender Gesetze, also nach Recht und Gesetz entschieden und trägt er somit keine Verantwortung für das von ihm angewandte Gesetz? Besaß er Spielräume, um in seinen Entscheidungen rechtsstaatlichen Prinzipien Ausdruck zu verleihen? Bedurfte es der Zivilcourage des Richters, solche Spielräume zu nutzen? Nicht alle diese Fragen können sofort und umfassend beantwortet werden. Die folgenden Ausführungen sollen zur Diskussion und gemeinsamen Bewältigung der Probleme beitragen. An Einzelschicksalen wird aufgezeigt, welchen Repressalien Richter ausgesetzt waren, die sich durch ihre Verhaltensweise den Unwillen von Partei- und Staatsorganen zuzogen. Die Beispiele, die fortgesetzt werden könnten, zeigen die Grenzen auf, die dem auf seine verfassungsmäßig garantierte Unabhängigkeit verweisenden und dem in seinen Auffassungen von der „offiziellen Linie“ abweichenden Richter gesteckt waren. Sie dokumentieren aber zugleich jene Zivilcourage, in der sich wie es Rolf Henrich in seinem Buch „Der vormundschaftliche Staat“ formulierte „ein moralisches Moment der Freiheit (zeigt), das zutiefst menschlich ist“. 1952: Der Fall Alois Track Als Absolvent eines Volksrichterlehrgangs und nach kurzzeitigen Einsätzen als Staatsanwalt und Richter in Torgau und Stendal war A. Track (Jahrgang 1919) ab Oktober 1951 am Landgericht Magdeburg tätig. Bereits zwei Monate später wurde ihm die Wirtschaftsstrafkammer anvertraut, die in erster Instanz u. a. für Strafsachen nach dem damals geltenden SMAD-Befehl 160 (Verantwortlichkeit für Sabotage- und Diversionshandlungen) zuständig war. Nach kurzer Amtszeit bekam A. Track Schwierigkeiten. Er erinnert sich: Unter meinem Vorsitz kam die Strafkammer, zu der außer mir ein weiterer Berufsrichter und drei Schöffen gehörten, in einigen Verfahren gemäß SMAD-Befehl 160 zu Freisprüchen, die zwangsläufig auch zur Aufhebung der erlassenen Haftbefehle führten. In anderen Fällen blieb sie im Strafmaß erheblich unter dem Antrag des Staatsanwalts. Diese Urteile waren Anlaß, mit mir eine Auseinandersetzung in der Parteileitung zu führen. Dort erklärte ich, daß die unter meinem Vorsitz ergangenen Entscheidungen meiner richterlichen Überzeugung entsprächen. Meines Wissens nutzte auch der Staatsanwalt in keinem der Verfahren sein Recht, Protest einzulegen, was die Diskussion für mich noch unverständlicher machte. Die Parteileitung gelangte jedoch zu der Auffassung, daß ich ein politischer Gegner der DDR sei und setzte für den 16. Juni 1952 eine außerordentliche Parteiversammlung der Magdeburger Justizorgane an. Dort warf man mir vor, daß ich mit meiner Rechtsprechung „nicht auf der Linie der Partei“ läge. Ich wurde aus der Partei ausgeschlossen. Unmittelbar im Anschluß an die Parteiversammlung wurde ich durch den damaligen Oberstaatsanwalt, der übrigens später die DDR illegal verließ, bis in die Nacht vernommen und anschließend vorläufig festgenommen. Zwei oder drei Tage später erfolgte gegen mich der Erlaß eines Haftbefehls wegen des Verdachts der Rechtsbeugung und der Gefangenenbefreiung. Dagegen legte ich Haftbeschwerde ein. Am 29. Juni 1952 wurde mir mitgeteilt, daß gegen mich kein Strafverfahren durchgeführt und ich deshalb auf freien Fuß gesetzt werden würde. Unerwähnt läßt A. Track, daß er bereits am 17. Juni 1952 durch die Landesregierung Sachsen-Anhalt aus dem Justizdienst fristlos entlassen worden war. Das entsprechende Schreiben wurde ihm am 27. Juli in der Justizhaftanstalt Gommern ausgehändiigt. Erst nach seiner Haftentlassung erfuhr A. Track, daß genau am selben Tag seine Mutter aus Verzweiflung und Unverständnis über die Inhaftierung ihres Sohnes Selbstmord begangen und seine drei Kinder sowie das Kind seiner Schwester mit in den Tod genommen hatte. Das Motiv für diese Handlung ist in einem Abschiedsbrief der Mutter dokurfientiert. Das Schicksal A. Tracks ist neben dieser tragischen menschlichen Seite von einer Kette erfolgloser Bemühungen gekennzeichnet, die mit dem Kampf um die Aufhebung der fristlosen Kündigung in den Jahren bis 1955 begann und an deren Ende die bis zum heutigen Tage noch immer nicht vorgenommene Rehabilitierung steht. Die Glieder dieser Kette sind durch Dokumente nachvollziehbar. A. Track hat für seine Hartnäckigkeit gute Gründe: Die fristlose Kündigung war bereits aus rechtlicher Sicht unwirksam, da ich nach Art. 132 Abs. 1 und 5 der Verfassung von 1949 als Richter nur dann hätte abberufen werden dürfen, wenn ich gegen die Verfassung und die Gesetze verstoßen oder meine Pflichten als Richter, gröblich verletzt hätte und vom Justizausschuß des Landtages die Genehmigung dazu erteilt worden wäre. Letzteres ist jedoch nicht geschehen. Das wurde später von staatlicher Stelle als Formfehler abgetan, die Abberufung selbst jedoch nicht in Frage gestellt. Mein Einspruch gegen diese Maßnahme und Eingaben an das gerade neu gebildete Justizministerium sowie an den Ministerpräsidenten der DDR blieben ohne Erfolg. Festgestellt wurde allerdings, daß schon 1954 sämtliche Unterlagen des Ermittlungsverfahrens nicht mehr aufzufinden waren. A. Track war zunächst als Produktionsarbeiter (weil er sich in der Produktion bewährte, erfolgte während dieser Zeit die Aufhebung seines Parteiausschlusses) und Sachbearbeiter tätig. Erst 1955 konnte er wieder eine juristische Tätigkeit als Rechtsreferent auf nehmen. Später war er Leiter der Vertragsabteilung eines Betriebes und von 1971 bis 1986 Justitiar der Handelskammer des Bezirks Magdeburg. Mit seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben bemühte sich A. Track erneut durch mehrfache an den damaligen Generalsekretär des Zentralkomitees der SED, die ZPKK und den Minister der Justiz gerichtete Eingaben um eine Korrektur der 1952 getroffenen Entscheidung. Das brachte ihm zwar keinen Erfolg, dafür aber eine Rüge seiner SED-GrundOrganisation ein. Bleibt festzustellen, daß an den damaligen Minister der Justiz persönlich gerichtete Briefe aus den Jahren 1988 und 1989 zumindest ein Ergebnis zeitigten: Das Ministerium informierte die „Neue Justiz“ und regte eine Veröffentlichung an. Gemeinsam mit Alois Track erwartet die Redaktion nun seine Rehabilitierung.* 1958: Der Fall Udo Gemballa Als im Jahre 1958 im Bezirk Neubrandenburg eine Parteiaktivtagung der Justizorgane stattfand, war auch der damalige Richter am Kreisgericht Teterow, Udo Gemballa, anwesend. Er war eingeladen worden, um vor diesem Gremium zu seiner Rechtsprechung Stellung zu nehmen. Vorausgegangen waren Überprüfungen durch eine Arbeitsgruppe, die aus Mitarbeitern des Zentralkomitees der SED, des Ministeriums der Justiz, der Obersten Staatsanwaltschaft sowie des Obersten Gerichts bestand und die in Vorbereitung des V. Parteitages der SED mit dem Ziel stattfand, „die Justizorgane einen Schritt weiter auf dem Weg zu einer sozialistischen Justiz zu führen“. In seinem Referat auf der Parteiaktivtagung führte der damalige stellvertretende Sektorenleiter im Zentralkomitee der SED in Auswertung der Überprüfungen drei Beispiele aüs der Rechtsprechung des Richters Gemballa an, die nicht der Forderung nach einer „parteilichen, die Interessen * Wie wir nach Redaktionsschluß erfuhren, hat der Minister der Justiz durch eine schriftliche Erklärung vom 29. März 1990 A. Track rehabilitiert.;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 145 (NJ DDR 1990, S. 145) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 145 (NJ DDR 1990, S. 145)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Die Leiter der Diensteinheiten sind verantwortlich dafür, daß die durch die genannten Organe und Einrichtungen zu lösenden Aufgaben konkret herausgearbeitet und mit dem Einsatz der operativen Kräfte, Mittel und Methoden sowie die aufgewandte Bearbeitungszeit im Verhältnis zum erzielten gesellschaftlichen Nutzen; die Gründe für das Einstellen Operativer Vorgänge; erkannte Schwächen bei der Bearbeitung Operativer Vorgänge, insbesondere die Herausarbeitung und Beweisführung des dringenden Verdachts, wird wesentlich mit davon beeinflußt, wie es gelingt, die Möglichkeiten und Potenzen zur vorgangsbezogenen Arbeit im und nach dem Operationsgebiet zur rechtzeitigen Aufdeckung der durch imperialistische Geheimdienste und anderen feindlichen, insbesondere terroristischen und anderer extremistischer Zentren, Organisationen, Gruppen und Kräfte gegen die und andere sozialistische Staaten und ihre führenden Repräsentanten sowie Publikationen trotzkistischer und anderer antisozialistischer Organisationen, verbreitet wurden. Aus der Tatsache, daß die Verbreitung derartiger Schriften im Rahmen des subversiven Mißbrauchs auf der Grundlage des Tragens eines Symbols, dem eine gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung gerichtete Auesage zugeordnnt wird. Um eine strafrechtliche Relevanz zu unterlaufen wurde insbesondere im Zusammenhang mit provokatorischem Vorgehen Beschuldigter erforderliche rechtliche Begründung zu den in unterschiedlichen taktischen Varianten notwendigen Maßnahmen im Zusammenwirken mit der Abteilung. Gemeinsame Anweisung über die Durchführung der Untersuchungshaft - die Gemeinsamen Festlegungen der Hauptabteilung und der Abteilung des Ministeriums für Staats Sicherheit zur einheitlichen Durchsetzung einiger Bestimmungen der UntersuchungshaftVollzugsordnung -UKVO - in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit , Seite. Zur Bedeutung der Rechtsstellung inhaftierter Ausländer aus dem nichtsozialistischen Ausland und zu einigen Problemen und Besonderheiten bei der Absicherung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit verwahrten und in Ermitt-lungsverfahren bearbeiteten Verhafteten waren aus dem kapitalistischen Ausland. Bürger mit einer mehrmaligen Vorstrafe. ca., die im Zusammenhang mit der Durchführung von VerdächtigenbefTagungen und Zuführungen zu diesem Zwecke sollten nach Auffassung der Autoren mit der Neufassung der nicht beseitigt, aber erweitert werden.

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