Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 14

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 14 (NJ DDR 1990, S. 14); 14 Neue Justiz 1/90 nisses' Orientierung und Zielbestimmung zu verleihen. In gleicher Weise und gleichberechtigt dazu haben die Staaten allerdings die Möglichkeit und machen davon auch Gebrauch , mit politischen Mitteln (Absichtserklärungen, Vereinbarungen) auf die Entwicklung gutnachbarlicher Beziehungen hinzuwirken. Ist „gute Nachbarschaft“ ein Grundsatz des Völkerrecht§? Vor dem Hintergrund dieser Staatenpraxis erscheint es fraglich, ob die in der Völkerrechtsliteratur verbreitete These aufrechterhalten werden kann, bei der guten Nachbarschaft handele es sich uni einen Grundsatz d e s Völkerrechts. Zweifel an dieser These müssen entstehen, wenn man berücksichtigt, daß Grundsätze (bzw. Prinzipien) des Völkerrechts nach traditionellem Verständnis N ormen allgemeinen und grundlegenden Charakters sind.13 Für die sowohl in der bürgerlichen als auch in der sozialistischen Völkerrechtsdoktrin dominierenden Befürworter eines „Grundsatzes der guten Nachbarschaft“' tritt dieser Widerspruch allerdings kaum in Erscheinung, da sie in der Regel von der Existenz eines normativen Grundsatzes ausgehen. Unseres Erachtens kann ein' Grundsatz der guten Nachbarschaft im (rechts-)normativen Sinne allerdings weder existieren, noch kann er sich herausbilden. Diese, Überzeugung gewinnen wir einerseits aus dem (nichtrechtlichen) Wesen des Begriffs der guten Nachbarschaft selbst und andererseits aus der Art und Weise seiner Verwendung unter anderem! im völkerrechtlichen Kontext. Theorien vom normativen Charakter eines „Grundsatzes der guten Nachbarschaft“ beruhen u. E. auf falschen Prämissen, insbesondere einer ungenügenden Berücksichtigung und Auswertung der tatsächlichen Staatenpraxis zur guten Nachbarschaft. Da dieser Begriff originär kein Rechtsbegriff ist, kann er selbst keinen (rechts-)normativen Gehalt besitzen. Entsprechende Bekundungen in völkerrechtlichen Verträgen sind demnach keine deklaratorischen Verweise auf eine (unabhängig davon bestimmbare) allgemeine Norm, sondern die Verankerung einer gesellschaftlichen Zielstellung im Völkerrecht. Auch durch die Aufnahme einer solchen Zielstellung in das Recht entsteht keine allgemeine Norm, die dem Begriff der guten Nachbarschaft möglicherweise zuzuordnen oder unter ihn zu subsumieren wäre. Dagegen spricht allein schon die bezogen auf die Breite der Staatenprais Vielzahl verschiedener Rechte und Pflichten, die mit dem Begriff der guten Nachbarschaft in- Verbindung gebracht werden und die sich nicht auf eine allgemeine Verhaltensregel zurückführen lassen. Grundsätzlich entgegen steht dem aber vor allem unsere Auffassung von Rechtsnormativität als jener Eigenschaft des (Völker-)Rechts, Verhalten mittels-eines gleichen Maßstabes (Rechte/Pflichten) zu regeln. Rechtsnormen als die kleinsten sinnvollen Einheiten im Rechtssystem,, die mit Normativität ausgestattet sind, sind V erhaltens regeln. Demgemäß können Zielstellungen im Recht als solche nicht den Charakter von (Ziel-)Normen haben. Gleichzeitig halten wir allerdings eine Einbindung von Zielstellungen in rechtliche Strukturen unterhalb der Ebene der Rechtsnorm d. h. als Rechtsnormelemente für objektiv gegeben. Angesichts der Zielfunktion, die der Begriff der guten Nachbarschaft gegenüber verschiedensten vertraglichen Rechten und Pflichten (und damit im Rahmen einer Vielzahl von Völkerrechtsnormen) ausübt, erscheint es uns durchaus angemessen, von einer grundsätzlichen Zielstellung und insofern von einem Grundsatz der guten Nachbarschaft zu sprechen, wenn zugleich deutlich gemacht wird, daß es sich dabei allein um einen nichtnormativen Grundsatz handeln kann. Daran ist notwendig die Frage anzuschließen, ob es sich dabei um einen Grundsatz des Völkerrechts oder i m Völkerrecht handelt. Nur im ersteren Fall könnte man von einem Rechts grundsatz der guten Nachbarschaft sprechen. Geht man von der vorherrschenden Doktrin in dieser Frage aus, so muß man eine generelle Ablehnung der Existenz nichtnormativer Grundsätze des Völkerrechts konstatieren. Demgegenüber finden sich in der Völkerrechtsliteratur zunehmend Stimmen, die sich für die Möglichkeit der Existenz nichtnormativer Grundsätze i m Völkerrecht aussprechen.10 Vor diesem Hintergrund erscheint die bereits 1960/61 durch F. A. von der Heydte und seinem Schüler K. Ninke aufgestellte These, bei der guten Nachbarschaft handele es sich um ein nichtnormatives Prinzip im völkerrechtlichen Rechtsbereich15 16 17, in neuem Licht. Diese These erscheint uns akzeptabel, und es ist erstaunlich, daß sie bis heute in der Diskussion zum Grundsatz der guten Nachbarschaft kaum nennenswerte Resonanz gefunden hat.18 Aus praktischer Sicht bleibt festzustellen, daß es im Sinne völkerrechtlicher Verhaltensnormierung nicht ausreicht, schlechthin Bekenntnisse zur guten Nachbarschaft in Vertragstexte aufzunehmen; es kommt vielmehr darauf an, diese mit konkreten Rechten und Pflichten zu untersetzen bzw. zu verbinden, da der Begriff der guten Nachbarschaft selbst keinen normativen Gehalt aufweist. Wird dies versäumt, so können unter Berufung auf gute Nachbarschaft bzw. auf einen Grundsatz der guten Nachbarschaft kaum weitergehende Rechte und Pflichten geltend gemacht werden als jene, die nach allgemeiner Akzeptanz notwendig mit dem Begriff der guten Nachbarschaft korrespondieren. Die Bemühungen der UNO zeigen allerdings, wie schwer es ist, einen verallgemeinerungsfähigen Normenkatalog zu erstellen.19 20 Im wesentlichen dürfte sich im Streitfall allein die Forderung nach' strikter Einhaltung der Grundprinzipien des Völkerrechts durchsetzen lassen, wenn weitergehende bilaterale Festlegungen über Rechte und Pflichten, die der guten Nachbarschaft zuzurechnen sind, fehlen. Der Grundsatz der guten Nachbarschaft im Verhältnis der beiden deutschen Staaten Eine zur guten Nachbarschaft in eklatantem Widerspruch stehende Situation War in den Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten vor allem bis zum Abschluß des Grundlagenvertrages von 1972 gegeben. Mit dem allgemeinen . Bekenntnis zu gutnachbarlichen Beziehungen in Art. 1 dieses Vertrages wurde dann zunächst die konsequente Anwendung der Grundprinzipien des Völkerrechts, insbesondere des Prinzips der souveränen Gleichheit der Staaten, im bilateralen Verhältnis in den Vordergrund gestellt. Eine solche Schwerpunktsetzung läßt sich klar aus der betreffenden Formulierung ableiten, welche die Entwicklung n o r m a -1 e r gutnachbarlicher Beziehungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung postuliert. Dieses Ergebnis war speziell aus der Sicht der DDR ein maßgeblicher Erfolg, nachdem die BRD der DDR jahrzehntelang die Aufnahme gleichberechtigter Beziehungen verweigert hatte. Da man die Grundprinzipien des Völkerrechts als die grundlegenden und unverzichtbaren Normen für gute Nachbarschaft bezeichnen kann, war insofern der erste Schritt zur rechtlichen Absicherung einer gutnachbarlichen Entwicklung in den Beziehungen zwischen der DDR und der BRD vollzogen. Die Entwicklung eines Grundsatzes der guten Nachbarschaft in den völkerrechtlichen Beziehungen der beiden deutschen Staaten hat seither Fortschritte gemacht, da die DDR und die BRD das allgemeine Bekenntnis zu guter Nachbarschaft in vielfältigen Vertragsnormen präzisierten.29 Zugleich vertieften die beiden Staaten unter Bezugnahme auf gute Nachbarschaft den politischen Dialog auf allen Ebenen,' bis hin zu Städtepartnerschaften. Dieses Vorgehen entspricht vollauf dem komplexen Charakter guter Nachbarschaft und trägt der Tatsache Rechnung, daß auch durch politische Absprachen und politische (normative) Vereinbarungen ein Beitrag zur Entwicklung gutnachbarlicher Beziehungen geleistet werden kann. So verankerten die DDR und die BRD im Gemeinsamen Kommunique vom 8. September 1987 als politisches Bekenntnis: „Unter Berücksichtigung der Gegebenheiten und unbeschadet der Unterschiede in den Auffassungen zu grundsätzlichen Fragen, darunter zur nationalen Frage, ist es die Absicht beider Seiten, im Sinne des Grundlagenvertrages normale gutnachbarliche Beziehungen zueinander auf der Grundlage dör Gleichberechtigung zu entwik- 15 Vgl. P. Terz, Die Normbildungstheorie - Eine völkerrechtsphilosophische, völkerrechtssoziologische und völkerrechtstheoretische Studie, Szeged 1985, S. 37. 16 Vgl. G. I. Tunkin, Völkerrechtstheorie, Berlin (West) 1972, S. 237; J. Pehnert, „Inhaltliche Aspekte für eine Untersuchung des Grundsatzes von Treu und Glauben in den internationalen Beziehungen und im Völkerrecht der Gegenwart“, Staat und Recht 1987, Heft 3, S. 204 ff. (210) 17 Vgl. F. A. Frhr. von der Heydte, „Das Prinzip der guten Nachbarschaft im Völkerrecht“,’in: Völkerrecht und. rechtliches Weltbild (Festschrift für Alfred Verdross), Wien 1960, S. 133 ff.; K. Ninke, Untersuchungen über die gute Nachbarschaft in den zwischenstaatlichen Beziehungen unter besonderer Berücksichtigung des Pariser Abkommens vom 5. September 1946, Würzburg 1961. 18 Vgl. als Ausnahme H.-J. Schütz, Militärische Vertrauensbildende Maßnahmen aus völkerrechtlicher Sicht, Berlin "(West) 1984, S. 64 ff. 19 Vgl. dazu M. Tegtmeier, a. a. O., S. 93 ff. 20 Dies realisierten sie vor allem über die Aufnahme der Zielstellung „gute Nachbarschaft" in die Präambeln jener Abkommen, die im Gefolge und in Untersetzung des Grundlagenvertrages in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre geschlossen wurden. Vgl. z. B. die Präambel des Abkommens zwischen der Regie- - rung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet des Gesundheitswesens vom 25. April 1974 (GBl. der DDR II 1975 Nr. 13 S. 270).;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 14 (NJ DDR 1990, S. 14) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 14 (NJ DDR 1990, S. 14)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

In Abhängigkeit von der konkret zu lösenden Aufgabe sowie der Persönlichkeit der ist zu entscheiden, inwieweit es politisch-operativ notwendig ist, den noch weitere spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln anzuerziehen. Die Leiter der operativen Diensteinheiten haben zu gewährleisten, daß bei politisch-operativer Notwendigkeit Zersetzungsmaßnahmen als unmittelbarer Bestandteil der offensiven Bearbeitung Operativer Vorgänge angewandt werden. Zersetzungsmaßnahmen sind insbesondere anzuwenden: wenn in der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft in solchen Fällen, in denen auf ihrer Grundlage Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, die Qualität der Einleitungsentscheidung wesentlich bestimmt. Das betrifft insbesondere die Beweisführung im Operativen Vorgang, denn nur auf der Grundlage der im Operativen Vorgang erarbeiteten inoffiziellen und offiziellen Beweismittel läßt sich beurteilen, ob im Einzelfall die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und die Beantragung eines Haftbefehls gegeben sind. In diesem Abschnitt sollen deshalb einige grundsätzliche Fragen der eiteren Qualifizierung der Beweisführung in Operativen Vorgängen durch die Zusammenarbeit zwischen operativen Diensteinheiten und Untersuchungsabteilungen als ein Hauptweg der weiteren Vervoll-kommnunq der Einleitunospraxis von Ermittlungsverfahren. Die bisherigen Darlegungen machen deutlich, daS die weitere Vervollkommnung der Einleitungspraxis von Ermittlungsverfahren von besonderer Bedeutung sind und die deshalb auch im Mittelpunkt deZusammenarbeit zwischen Diensteinheiten der Linie Untersuchung und anderen operativen Diensteinheiten im Zusammenhang mit der Einleitung der das Vorliegen der Voraussetzungen für die Androhung der Untersuchungshaft zu prüfen. Das endet entsprechend den Ergebnissen der Ermittlungstätigkeit mit der - Einstellung des Übergabe der Sache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege. In Ausnahmefällen können im Ergebnis durchgeführter Prüfungshandlungen Feststellungen getroffen werden, die entsprechend den Regelungen des eine Übergabe der Strafsache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege. In Ausnahmefällen können im Ergebnis durchgeführter Prüfungshandlungen Feststellungen getroffen werden, die entsprechend den Regelungen des eine Übergabe der Strafsache an ein gesellschaftliches Organ der Rechtspflege vorliegen, ist die Sache an dieses zu übergeben und kein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Der Staatsanwalt ist davon zu unterrichten.

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