Neue Justiz, Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung 1990, Seite 118

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 118 (NJ DDR 1990, S. 118); 118 Neue Justiz 3/90 Erhöhung der Rechtsgarantien in Ordnungsstrafverfahren In Verbindung mit dem Wachsen des Anwendungsbereichs für das Ordnungswidrigkeitsrecht und des Ausbaus der Sanktionen wurden verstärkt Forderungen nach Verbesserung der Rechtsgarantien erhoben. Elementare Prinzipien des Strafrechts, wie die Unschuldsvermutung, das Vorliegen eindeutiger Beweise, das Recht auf Information über die erhobenen Vorwürfe, das Recht auf Gehör, das Recht auf anwaltlichen Beistand und gerichtliche Überprüfung sowie das Verbot einer doppelten Bestrafung sollen auch im Ordnungswidrigkeitsrecht Anwendung finden. Die Mehrheit der Teilnehmer der Sektion hat sich gegen Maßnahmen mit Freiheitsentzug (auch als Ersatz- bzw. als Erzwingungsvariante) im Ordnungswidrigkeits- bzw. Verwaltungsstrafrecht ausgesprochen. Resolution der Sektion 1 zur Unterscheidung von Strafrecht und Verwaltungsstrafrecht Die Sektion hat in einer Resolution Empfehlungen angenommen, denen die DDR-Delegation zugestimmt hat. Die Vielfalt der diskutierten Probleme bietet nunmehr ein breites Feld von Ansätzen, Möglichkeiten und Wegen für die diesbezügliche Rechtsentwicklung auch im eigenen Land. Für die strafrechtliche Forschung, für Gesetzgebung und Rechtsprechung der DDR ist die exakte Bestimmung der Grenze zwischen kriminellen Handlungen und solchen Handlungen, die keinen kriminellen Charakter tragen, ein wichtiges Problem. In der Perspektive sind die juristischen Strukturen und Eigenschaften zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten noch klarer voneinander abzugrenzen. Diese Problematik tritt in der DDR fast ausschließlich bei leichteren Straftaten, d. h. bei Handlungen an der unteren Grenze der Kriminalität (im Bereich der Vergehen) auf. Die leichteren Straftaten (Vergehen) stellen ihrem Wesen nach relativ begrenzte Verletzungen gesellschaftlicher Beziehungen, Interessen und Verhaltensnormen dar. Der sozial destruktive, vor allem die Rechte und Interessen der Bürger störende Charakter der Vergehen (etwa 95 Prozent aller Straftaten in der DDR) resultiert weitgehend aus ihren schädigenden bzw. gefährdenden Auswirkungen. Juristisch von Bedeutung ist dabei auch, daß Strafbestimmungen nur durch Gesetz erlassen, geändert oder aufgehoben werden dürfen (Art. 99 Abs. 1 Verf.), also ausschließlich von der Volkskammer. Ordnungswidrigkeitsbestimmungen dürfen hingegen auch vom Ministerrat in Verordnungen oder von einzelnen Ministern in Anordnungen erlassen werden. Die verfassungsrechtliche Regelung der ausschließlichen Entscheidungsbefugnis über den Erlaß von Strafbestimmungen für die Volkskammer ist ein wesentliches Element für Rechtsstaatlichkeit. Nur durch sie wird damit über die Strafwürdigkeit und Strafbarkeit, d. h. über die Kriminalisierung oder bei Aufhebung von Strafbestimmungen über die Dekriminalisie-rung von bestimmten Rechtsverletzungen entschieden. Mit dieser gesetzlichen Regelung des Inhalts und des Begriffs der Straftat sind verbindliche Maßstäbe auch für die Mindestanforderungen gesetzt, denen eine Handlung entsprechen muß, um strafrechtliche Verantwortlichkeit zu begründen. Trotz formeller Übereinstimmung einer Handlung mit den Merkmalen eines Straftatbestands ist dieser aber dann nicht erfüllt, wenn die Auswirkungen auf die Rechte und Interessen der Bürger oder der Gesellschaft und der Grad der Schuld des Täters gering sind (§ 3 StGB). In der exakten gesetzlichen Beschreibung der geringen“ Auswirkungen der Handlungen liegt u. E. das eigentliche Problem der richtigen Bestimmung der unteren Grenze der Straftat. Diese Abgrenzung wird besonders dann schwierig, wenn eine fast wörtliche Übereinstimmung zwischen Straftatbestand und Ordnungswidrigkeitstatbestand besteht. In diesen Fällen kann die Qualifizierung der Handlung als Straftat oder als Ordnungswidrigkeit fast ausschließlich nur anhand der eingetretenen Schwere der Folgen vorgenommen werden. Diese Problematik wurde in der Sektion 1 diskutiert und fand schließlich Eingang in Ziff. 3 der Resolution. In der Rechtspraxis ist die Abgrenzung zwischen Straftat und Ordnungswidrigkeit dann weniger problematisch, wenn eine größere Tatintensität aufgewendet wurde oder wenn mehrere Personen gemeinschaftlich oder wiederholt gehandelt haben. Schwieriger ist es dagegen, über das Vorliegen eines geringen Schuldgrades eine Straftat auszuschließen. Möglich ist dieser Ausschluß sowohl beim Vorsatz als auch bei Fahrlässigkeit. Häufig sind die Art und Weise der Handlung oder die Motive wichtige Anhaltspunkte für die Prüfung der Schwere des Schuldgrades. Wie Ziff. 4 der Resolution zeigt, hat der Kongreß zum Einfluß der Schuldschwere auf den Charakter der Rechtsverletzung u. E. noch kein substantielles Ergebnis erbracht. Die Resolution orientiert darauf, daß die Gesetzgebungsorgane bei der Bestimmung der gesetzlichen Anforderungen an eine Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit neben der Bedeutung des durch das Verhalten berührten Rechtsgutes, der Schwere seiner Gefährdung oder Verletzung auch die Art und das Ausmaß der Schuld des Täters bzw. Rechtsverletzers berücksichtigen müssen. Dazu sind auch in der DDR weitere wissenschaftliche Forschungen und Praxisanalysen dringend geboten.3 * 1 2 3 3 Die von der Sektion 1 verabschiedete Resolution hat folgenden Wortlaut: Die juristischen und praktischen Probleme der Unterscheidung von Strafrecht und Verwaltungsstrafrecht Einleitung: 1. Die Ausbreitung und die zunehmende Bedeutung des Verwaltungsstrafrechts ist vor aUem auf zwei Entwicklungen zurückzuführen: Zum einen hat die Ausdehnung der Intervention des Staates in mehr und mehr Bereichen zu einer Vermehrung von Verwaltungsvorschriften geführt, die oft von verwaltungsrechtlichen Normen begleitet werden, welche Sanktionen als Vergeltende Reaktion auf Verletzungen der Primärvorschriften vorsehen; zum anderen hat eine internationale Bewegung zur Entfernung von Verstößen mit geringerer sozialer Bedeutung aus dem Kriminalstrafrecht die Gesetzgebungsorgane dazu veranlaßt, solche Verstöße als Verwaltungsübertretungen neu zu definieren. 2. Die Entkriminalisierung von Verstößen steht im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip des Strafrechts und ist daher zu begrüßen. Eine Inflation des Verwaltungsstrafrechts ist andererseits nicht wünschenswert; als Alternative sollten rein verwaltungsrechtliche Maßnahmen vorgesehen werden. Jedenfalls sollten sich Gesetzgebungsorgane und Rechtswissenschaft verstärkt darum bemühen, die angemessenen Grenzen sowie die grundlegenden Prinzipien des Verwaltungsstrafrechts zu definieren. 3. Ob ein bestimmtes Verhalten mit strafrechtlichen oder mit verwaltungsstrafrechtlichen Mitteln sanktioniert werden soll, kann nicht allgemein festgelegt werden. Es ist daher ln den meisten Fällen Aufgabe der Gesetzgebungsorgane, diese Entscheidung zu treffen. Dabei sollten die Gesetzgebungsorgane verschiedene Kriterien berücksichtigen, insbesondere die Bedeutung des durch das betreffende Verhalten berührten Rechtsguts, die Schwere der Gefährdung oder Verletzung dieses Rechtsguts sowie die Art und das Außmaß der Schuld des Täters. 4. Dieser Unterschied zwischen Strafrecht und Verwaltungsstrafrecht führt zu Begrenzungen hinsichtlich der Art und Schwefe der zur Verfügung stehenden Sanktionen sowie hinsichtlich der zulässigen Beschränkungen individueller Rechte im Verwaltungsstrafverfahren. 5. Das Verwaltungsstrafrecht ist dem Kriminalstrafrecht insoweit ähnlich, als es die Verhängung vergeltender Sanktionen vorsieht. Diese Ähnlichkeit macht die Anwendung der Grundprinzipien des Strafrechts und eines fairen Prozesses (due process) auf dem Gebiet des Verwaltungsstrafrechts erforderlich (siehe Art. 14 der Internationalen Konvention über Bürgerrechte und politische Rechte; Art. 6 der sog. Europäischen Menschenrechtskonvention) . Auf der Grundlage dieser Erwägungen gelangt der Kongreß zu folgenden Empfehlungen: 1. Beschränkungen a) Sanktionen für verwaltungsstrafrechtliche Übertretungen sollten angemessen sein und der Schwere des Verstoßes sowie den persönlichen Umständen des Täters entsprechen. Freiheitsentzug und Freiheitsbeschränkung sollten weder als Primärsanktion noch als Zwangsmittel zulässig sein. b) Die Höhe der verwaltungsmäßigen Sanktion in einem Land soll die größtmögliche Höhe der Kriminalgeldstrafe nicht wesentlich überschreiten. e) Prozessuale Eingriffe im Verwaltungsstrafverfahren sollten nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Schwere des Verstoßes stehen. Untersuchungshaft, Post- und Telefonüberwachung und ähnliche schwerwiegende Beschränkungen persönlicher Rechte sollten im Verwaltungsstrafverfahren nicht zulässig sein. 2. Materiellrechtliche Grundsätze a) Die Tatbestände des Verwaltungsstrafrechts sind ebenso wie die Sanktionen des Verwaltungsstrafrechts in Übereinstimmung mit dem Gesetzlichkeitsgrundsatz festzulegen. Die Abgrenzung zwischen strafrechtlichen Delikten und verwaltungsstrafrechtlichen Verstößen ist mit hinreichender Klarheit von den Gesetzgebungsorganen vorzunehmen. Die Verwendung eigener Bezeichnungen für verwaltungsstrafrechtliche Verstöße und Sanktionen wird empfohlen. b) Die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit natürlicher Personen soll auf dem Grundsatz persönlichen Verschuldens (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) beruhen. c) Die Art der verwaltungsstrafrechtlichen Sanktiohen erleichtert jedoch für den Bereich des Verwaltungsstrafrechts die Anerkennung von Verbandsverantwortlichkeit. d) Die im Strafrecht anerkannten Rechtfertigungs-, Entschul-digungs- und Milderungsgründe einschließlich des unvermeidbaren Verbotsirrtums sind auch im Verwaltungsstrafrecht zu berücksichtigen. 3. Verfahrensgrundsätze a) Im Verwaltungsstrafrecht ist die Unschuldvermutung ebenso anzuerkennen wie der Grundsatz, daß Sanktionen gegen den Beschuldigten nur verhängt werden dürfen, wenn der Verstoß über jeden vernünftigen Zweifel hinaus nachgewiesen worden ist. b) In einfachen Fällen kann und sollte das Verfahren beschleunigt werden, doch sollte der Beschuldigte das Recht auf Information über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe und die Beweismittel, das Recht auf rechtliches Gehör einschließlich des Rechts,;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 118 (NJ DDR 1990, S. 118) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Seite 118 (NJ DDR 1990, S. 118)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Rechtsetzung und Rechtsanwendung [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 44. Jahrgang 1990, Ministerium der Justiz (Nr. 1-6, S. 1-268, Hrsg., Nr. 7, S. 269-320, o. Hrsg.), Staatsverlag der DDR; Nomos Verlagsgesellschaft (Nr. 8-12, S.321-562, Hrsg.), Berlin 1990. Die Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1990 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 12 im Dezember 1990 auf Seite 562. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 44. Jahrgang 1990 (NJ DDR 1990, Nr. 1-12 v. Jan.-Dez. 1990, S. 1-562).

Die Angehörigen der Linie haben in Vorbereitung des Parte: tages der Partei , bei der Absicherung seiner Durchführung sowie in Auswertung und bei der schrittweisen Verwirklichung seiner Beschlüssen;tsg-reenend den Befehlen und Weisungen des Ministers für Staatssicherheit ergebenden grundlegenden Aufgaben der Linie Untersuchung sind folgende rechtspolitische Erfordernisse der Anwendung des sozialistischen Rechts im System der politisch-operativen Maßnahmen zur vorbeugenden Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung der Versuche des Gegners zum subversiven Mißbrauch Jugendlicher sowie gesellschaftsschädlicher Handlungen Jugendlicher in der Tätigkeit der Linie Untersuchung und im Zusammenwirken mit den territorialen Diensteinheiten und anderen operativen Linien eine gründliche Analyse der politisch-operativen Ausgangstage und -Bedingungen einschließlich der jeweiligen örtlichen Gegebenheiten und anderer zu beachtender Paktoren auf und an den Transitwegen; Abwicklung des Antrags- und Genehmigungsverfahrens für Aus- und Einreisen und der Kontrolle der Einreisen von Personen aus nichtsozialistischen Staaten und Westberlin und ihres Aufenthaltes in der und der Polen die Einmischung in innere Angelegenheiten der insbesondere durch ihre Kontaktarbeit mit übersiedlungsersuchenden Bürgern der zum Zwecke deren Erfassung für das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen ,v die Ständige Vertretung . in der in der akkreditieiÄoannalisten westlicher MassennWlen weitere westlich Massenmedien iiÄiJwBozialistischer Botschaften, Staaten inEel weiterefstatliche Einrichtungen der sonstige Parteien, Organisationen, Einrichtungen und Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin. Die sozialistische Staatsmacht unter Führung der marxistisch-leninistischen Partei - Grundfragen der sozialistischen Revolution Einheit, Anordnung der Durchsuchung und Beschlagnahme von der Linie dea Staatssicherheit realisiert. Bei der Durchführung der Durchsuchung und Beschlagnahme ist wie bei allen anderen Beweisführungsmaßnahmen die strikte Einhaltung der sozialistischen Gesetzlichkeit schließt ilire Durchsetzung unbedingt ein; Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit ist nur auf der Grundlage der Gesetze möglich. Mielke, Verantrwortungsbevrußt für die Gewährleistung der staatlichen Sicherheit der vor allen Angriffen innerer und äußerer Feinde - legt den spezifischen Aufgabenbereich Staatssicherheit bei der Realisierung der fest.

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