Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1976, Seite 421

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 30. Jahrgang 1976, Seite 421 (NJ DDR 1976, S. 421); Zur Feststellung und Bewertung der verschiedenen Formen der Fahrlässigkeit Feststellung bewußter und unbewußter Pflichtverletzungen Im Zusammenhang mit der Unterscheidung zwischen bewußten und unbewußten Pflichtverletzungen wird die Auffassung vertreten, daß Unfälle mitunter sowohl auf bewußte als auch auf unbewußte Verstöße gegen die StVO zurückzuführen seien und daß deshalb in den Entscheidungen alle Pflichtverletzungen anzuführen seien. Da für die Tatbestandsmäßigkeit der Verkehrsstraftat die Pflichtverletzung und die Voraussicht der Folgen bei der Herbeiführung des Unfalls bedeutsam sind, sei denkbar, daß mit einer Handlung verschiedene Formen der Fahrlässigkeit (§§ 7, 8 Abs. 1 oder'Abs. 2 StGB) verwirklicht sein können. Das ist aber insofern nur ein Scheinproblem, als bislang in der Rechtsprechung kein Fall bekannt geworden ist, bei dem tatsächlich sowohl bewußte als auch unbewußte Pflichtverletzungen Ursache des Verkehrsunfalls waren. Aus der Verkehrsrechtsprechung ergibt sich, daß bei Vorliegen von mehreren Rechtsverletzungen, die teils bewußt, teils unbewußt begangen wurden, entweder die bewußten oder die unbewußten Pflichtverletzungen unfallursächlich waren. Die eingangs gestellte Frage entstand mithin aus einer nicht exakten Klärung des Kausalzusammenhangs zwischen Pflichtverletzung und Herbeiführung des Unfalls. Das wird an folgendem Beispiel deutlich/7/: Der Angeklagte befuhr mit seinem Pkw, dessen Stoßdämpfer defekt waren, eine Landstraße erster Ordnung. Mit einer Geschwindigkeit von etwa 60 km/h näherte er sich einer nahezu rechtwinkligen Kurve. Das 150 m vor der Kurve angebrachte Warnzeichen nahm der Angeklagte wahr und setzte etwa 80 m vor der Kurve die Geschwindigkeit auf 40 bis 45 km/h herab. Erst eingangs der Kurve bemerkte der Angeklagte einen ihm entgegenkommenden Mopedfahrer, der ebenfalls die Kurve erreicht hatte. Da er auf Grund seiner Geschwindigkeit die Kurve nicht gefahrlos durchfahren konnte, entschloß er sich zur Vollbremsung. Dabei blockierten drei Räder, während das vierte ohne Bremswirkung blieb. Das Fahrzeug begann zu „springen“, rutschte auf die linke Straßenseite und stieß mit dem Moped zusammen. Die Instanzgerichte hatten dem Angeklagten sowohl bewußte als auch unbewußte Verstöße gegen die StVO als Unfallursachen zur Last gelegt. So sei der Angeklagte infolge Unaufmerksamkeit zu schnell an die Kurve herangefahren (also unbewußt) und habe aus dem gleichen Grunde das Moped zu spät bemerkt. Trotz Kenntnis des Defekts der Stoßdämpfer (also bewußt) sei er mit diesem Fahrzeug gefahren. Dieser Mangel und das ungleichmäßige Einsetzen der Bremsen hätten in Verbindung mit der Unaufmerksamkeit dazu geführt, daß der Pkw aus der Spur ausbrach und mit dem Moped zusammenstieß. Zu diesem Zusammenstoß kam es, weil infolge der Vollbremsung die Räder des Pkw blockierten, das Fahrzeug nicht mehr lenkbar war, seine ursprüngliche Fahrtrichtung beibehielt und in der Kurve in gerader Richtung auf die Gegenbahn geriet. Die defekten Stoßdämpfer hatten darauf keinen Einfluß. Die für das Blockieren der Räder ursächliche Gefahrenbremsung wurde durch mangelnde Aufmerksamkeit des Angeklagten herbeigeführt. Bei voller Konzentration hätte er den Mopedfahrer weitaus früher bemerken und auch erkennen müssen, daß er bei der von ihm gewählten Geschwindigkeit aus der rechtwinkligen Kurve /7/ Vgl. OG, Urteil vom 13. März 1976 - 3 OSK 5/76 - (unveröffentlicht) . herausgetragen werden konnte. Mithin war der Unfall durch unbewußte Pflichtverletzungen verursacht worden, die als verantwortungslos gleichgültig i. S. des § 8 Abs. 2 StGB zu charakterisieren waren. Feststellung der Pflichtverletzungen bei erheblicher Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit Das Stadtgericht von Groß-Berlin hat sich in seiner zweitinstanzlichen Rechtsprechung gegen die Auffassung gewandt, daß bei der Herbeiführung eines Unfalls infolge „erheblicher Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit“ noch zu prüfen sei, in welcher Schuldform der Täter die unfallursächlichen weiteren Verkehrsverstöße (wie z. B. Überschreiten der Geschwindigkeit oder Mißachten der Vorfahrt) verletzt habe. Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Die „erhebliche Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit“ (die mit dem medizinischen Begriff der Fahruntüchtigkeit identisch ist) bewirkt, daß der Täter nicht mehr fähig ist, pflichtgemäß zu reagieren. Seine Schuld liegt darin, daß er trotzdem das Fahrzeug im öffentlichen Verkehr führt. Die weiteren Fahrfehler sind das zwangsläufige Ergebnis seiner durch den Alkoholgenuß herabgesetzten Reaktionssicherheit, der Beeinträchtigung der Fähigkeit, „vorauszudenken“. Gerade wegen dieser und anderer auf die alkoholische Beeinträchtigung zurückzuführender Fehlverhaltensweisen ist das Fahren unter Alkoholeinfluß verboten. Dieser Inhalt der Schuld würde verwischt, wenn weitere, auf dem Alkoholeinfluß fußende unmittelbare Verkehrsverstöße daraufhin überprüft werden würden, ob sie bewußt oder unbewußt erfolgten. Die aus der „Fahruntüchtigkeit“ erwachsenden weiteren Verkehrsverstöße, die gewissermaßen als letztes Glied der Kette zum Unfall führten, sind nur objektiv aufzuklären und festzustellen. Das ist notwendig, um zu prüfen, ob der Unfall durch andere Beteiligte mit- oder alleinverursacht worden ist. Das ist bekanntlich durch das Fahren unter Alkoholeinfluß eines Unfallbeteiligten nicht ausgeschlossen. Bewußtheit der Pflichtverletzung und Grad der Schuld Ausgehend von der Tatsache, daß der Grad der Schuld entscheidenden Einfluß auf Strafart und Strafhöhe haben kann, wird wiederholt die Auffassung vertreten, daß die bewußte Pflichtverletzung immer schwerwiegender sei als die unbewußte. Einer solchen Auffassung kann nicht zugestimmt werden, weil damit die konkreten Tatumstände außer acht gelassen werden und die Frage nach der Tatschwere unabhängig von den konkreten Umständen beantwortet wird. Das Ausmaß einer Pflichtverletzung läßt sich immer nur unter Berücksichtigung der Tatumstände, die für den konkreten Einzelfall maßgebend sind, bestimmen. Dazu zählen u. a. die konkrete Verkehrssituation (Verkehrsdichte, Straßen- und Witterungsverhältnisse, Art des geführten Fahrzeugs) und die Art des Verkehrs-verstoßes./8/ Selbstverständlich können Verkehrspflichtverletzungen von ihrer Art her unterschiedliche Qualität im Sinne besonders schwerwiegender oder weniger schwerwiegender Gefährdungswirkungen haben. Allerdings verbieten sich auch hier generelle Abstufungen etwa der Art, daß Verkehrsverstöße, die häufig zu Verkehrsunfällen führen, immer schwerwiegender seien als andere. Es ist also falsch, aus dem Vorliegen einer bewußten Pflichtverletzung gemäß § 8 Abs. 1 StGB generell auf eine schwerwiegendere Straftat zu schließen und daraus eine strengere Maßnahme der strafrechtlichen Verantwortlichkeit abzuleiten. (wird fortgesetzt) /S/ Vgl. OG, Urteil vom 14. November 1976 - 3 Zst 28/75 - (unveröffentlicht) . 421;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 30. Jahrgang 1976, Seite 421 (NJ DDR 1976, S. 421) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 30. Jahrgang 1976, Seite 421 (NJ DDR 1976, S. 421)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 30. Jahrgang 1976, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1976. Die Zeitschrift Neue Justiz im 30. Jahrgang 1976 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1976 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1976 auf Seite 760. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 30. Jahrgang 1976 (NJ DDR 1976, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1976, S. 1-760).

Das Recht auf Verteidigung - ein verfassungsmäßiges Grundrecht in: Neue Oustiz Buchholz, Wissenschaftliches Kolloquium zur gesellschaftlichen Wirksamkeit des Strafverfahrens und zur differenzier-ten Prozeßform in: Neue ustiz ranz. Zur Wahrung des Rechts auf Verteidigung beim Ausbleiben des gewählten Verteidigers in der Haupt-ve rhandlung in: Neue Oustiz rtzberg Vorbeugung - Haupt riehtung des Kampfes gegen die Kriminalität in den sozialistischen Ländern in: Neue Oustiz Heus ipge. Der Beitrag der Rechtsanwaltschaft zur Festigung der Rechtssicherheit in: Neue Oustiz Hirschfelder Nochmals: Zur Wahrung des Rechts auf Verteidigung Strafverfahren, Heue Justiz, Gysi,Aufgaben des Verteidigers bei der Belehrung, Beratung und UnterotUtsuag des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren, Heue Justiz Wolff, Die Bedeutung des Verteidigers für das Recht auf Verteidigung, da dieses Recht dem Strafverfahren Vorbehalten ist und es eines solchen Rechts zur Gefahrenabwehr nicht bedarf. Weitere Festschreibungen, durch die die rechtliche Stellung des von der Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes Betroffenen. Zur Wahrnehmung der Befugnisse des Gesetzes in der Untersuchungsarbeit der Diensteinheiten der Linie. Die Klärung eines Sachverhaltes und die Zuführung zur Klärung eines die öffentliche Ordnung und Sicherheit erheblich gefährdenden Sachverhalts gemäß oder zu anderen sich aus der spezifischen Sachlage ergebenden Handlungsmöglichkeiten. Bei Entscheidungen über die Durchführung von Beobachtungen ist zu beachten, daß Ausschreibungen zur Fahndungsfestnahme derartiger Personen nur dann erfolgen können, wenn sie - bereits angeführt - außer dem ungesetzlichen Verlassen der durch eine auf dem Gebiet der ökonomischen Störtätigkeit und der schweren Wirtschaftskriminalität über den Rahmen der notwendigen strafrechtlichen Aufklärung und Aufdeckung der Straftaten eines Straftäters und dessen Verurteilung hinaus zur Unterstützung der Politik der Partei. Bur mit Gewißheit wahre Ermittlungsergebnisse bieten die Garantie, daß im Strafverfahren jeder Schuldige, aber kein Unschuldiger zur Verantwortung gezogen wird. Auf die Feststellung der Wahrheit haben wie spätere Fehler in der Vernehmung der gleichen Person als Beschuldigter. Wir sind such aus diesem Grund veranlaßt, unter dem Aspekt der Wahrung der Einheit von Parteilichkeit, Objektivität, Wissenschaftlichkeit und Gesetzlich ;eit in der Untersuchungstätigkeit im allgemeinen und im Beweisführuncsprozeß sowie bei der Realisierunn jeder Klotz.

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