Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1976, Seite 385

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 30. Jahrgang 1976, Seite 385 (NJ DDR 1976, S. 385); Bereits im Stadium der Vorbereitung des ersten Verhandlungstermins sollten psychologische Überlegungen und Fragestellungen eine Rolle spielen. Anhand der Klagebegründung und falls vorhanden der Klageerwiderung sollte der Richter versuchen, sich ein Bild zu machen, was das für Persönlichkeiten sind, die miteinander in Konflikt gerieten. Die Angaben über das Alter, die berufliche Entwicklung, den Bildungsstand, die gesellschaftlichen Aktivitäten, über bestimmte (noch auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfende) positive oder negative Verhaltensweisen, Einstellungen und Charaktereigenschaften geben bereits bestimmten Aufschluß über die Prozeßparteien. Von diesen ersten Informationen ist auszugehen, wenn der Richter sich eine auf die Besonderheiten des Einzelfalls abgestimmte Verfahrenskonzeption erarbeitet, die sein inhaltliches und methodisches Vorgehen bestimmt, einschließlich der vorbereitenden Maßnahmen gemäß §§ 32, 33 ZPO. Der Richter muß sich zugleich gedankliche Klarheit über die konkrete politisch-juristische Problematik des Ehekonflikts verschaffen und dementsprechend den Verfahrensgang festlegen. Die Arbeit mit einer so verstandenen Verfahrenskonzeption sollte vor allem den jungen Richtern von Beginn an zur ständigen Arbeitsmethode werden. Wird auf eine solche Konzeption verzichtet, führt das nicht selten zur unrationellen Verfahrensweise und im Ergebnis zu fehlerhaften Entscheidungen. Ausgangspunkt für eine Verfahrenskonzeption in Ehesachen ist die Einordnung der Tätigkeit des Gerichts in die allgemeine Aufgabenstellung der Verwirklichung der sozialistischen Familienpolitik. Das bedeutet, „jede Ehe zu erhalten und zu ihrer Festigung beizutragen, die ihren Sinn noch nicht verloren hat, und andererseits jede zerrüttete Ehe auf Antrag zu scheiden“ 71/ Zum Inhalt der mündlichen Verhandlung Psychologische Aspekte sind auch zu beachten, wenn Richter und Schöffen auf der Grundlage der Verhandlungskonzeption und des vorläufigen Bildes, das sie anhand der Klagebegründung und der Klageerwiderung von den Prozeßparteien und ihrem Vorbringen gewonnen haben, alle Fakten einer kritischen Überprüfung unterziehen. Es ist z. B. eine Erfahrungstatsache, daß häufig derjenige Ehepartner, der aus der Ehe strebt, dazu neigt, bewußt oder unbewußt die Entwicklung und den Zustand der Ehe in dunkleren Farben darzustellen oder die Ursachen für den Konflikt im Verhalten oder in negativen Charaktereigenschaften des anderen Partners hervorzuheben, um sein Scheidungsbegehren zu recht-fertigen bzw. um von eigenem Fehlverhalten abzulenken oder es zu vertuschen. Eine weitere Erfahrung ist es, daß häufig derjenige Ehepartner, der an der Ehe festhalten will, tatsächlich vorhandene Konflikte verschweigt oder bagatellisiert oder sie, auch wenn es nicht zutrifft, als Ergebnis von Störungen durch Dritte darzustellen sucht. Mitunter können Richter und Schöffen auch erleben, daß beide Prozeßparteien bestimmte Vorkommnisse in ihren Darstellungen überbewerten und einmütig die angebliche Nichtübereinstimmung der Charaktere und der Interessen oder Schwierigkeiten in der Intimsphäre betonen, obwohl die Ehepartner sich wirklich geliebt und trotz eventuell unterschiedlicher Temperamente, Charaktereigenschaften und Neigungen sich lange Zeit gut ergänzt haben, so daß die wirklichen Ursachen und Beweggründe für das Scheidungsbegehren verborgen bleiben können. Es ist deshalb in der mündlichen Verhandlung ein geschicktes, psychologisch fundiertes Verhandlungsgespräch i. S. des § 48 Abs. 1 ZPO notwendig, um die IV FGB-Kommentar, 4. Aufl., Berlin 1973, Anm. 3.1. zu § 24 (S. 109). Ehepartner zur aktiven Mitarbeit bei der Aufklärung des Konflikts in ihrem eigenen Interesse (und im Interesse der Kinder) zu bewegen und zu befähigen. Zugleich darf natürlich nicht versäumt werden, die Prozeßparteien darauf hinzuweisen, daß sie in ihren Erklärungen und Aussagen den Sachverhalt vollständig und wahrheitsgemäß darzulegen haben (§ 3 Abs. 1 ZPO). Nicht immer sind die Prozeßparteien ohne weiteres bereit, aufrichtig und selbstkritisch die Entwicklung und den Zustand ihrer Ehe und Familie darzustellen. Für das Verschweigen wesentlicher Fakten oder für wahrheitswidrige Behauptungen gibt es verschiedenartige Motive. Es kommt z. B. relativ häufig vor, daß die Zuwendung zu einem anderen Partner verschwiegen oder abgestritten wird. Für ein solches Verhalten im Prozeß kann die Befürchtung bestimmend sein, daß die Wahrheit im Ergebnis nicht zum erstrebten Ziel führen werde, daß sie einer Prozeßpartei zum Nachteil gereiche, einem anderen Menschen Schwierigkeiten bringe, eine andere Ehe gefährde, unqualifizierte Reaktionen des anderen Ehegatten hervorrufe oder sich ungünstig auf die Entscheidung über das Erziehungsrecht für die Kinder auswirke. Für Richter und Schöffen ist es deshalb wichtig, mit psychologischem Einfühlungsvermögen und mittels geschickter Fragetechnik die Wahrheit zu ergründen. Eine gute Beobachtung, ein aufmerksames Studieren der Verhaltensweisen der Prozeßparteien, ihrer Art zu sprechen, ihrer Gesten und Mimik kann u. U. sehr aufschlußreich sein. Oftmals läßt z. B. schon die Art und Weise, wie die Ehegatten in den Gerichtssaal treten, gewisse Schlußfolgerungen über ihr Verhältnis zueinander zu: ob beide aus verschiedenen Richtungen zur Tür stürzen, beinahe zusammenprallen und sich deshalb schon wütend anblicken oder ob sie gemeinsam auf einer Bank vor dem Verhandlungssaal warten, der Mann dann höflich die Frau zuerst eintreten läßt, ihr aus dem Mantel hilft usw. Mitunter spiegeln sich auf den Gesichtem der Ehegatten während der Verhandlung die verschiedensten Gefühle wider: Ärger und Empörung oder Verbitterung über das Vorbringen des anderen, Scham, Trauer und Enttäuschung, aber auch herzlose Kälte, Hohn, manchmal auch die unausgesprochene Bitte „Besinne dich doch, zerstöre nicht alles, was gut war und noch ist zwischen uns, denk an die Kinder!“ Diese ersten Beobachtungen psychologischer Art können für den Richter und die Schöffen eine Hilfe sein, die richtige Art und Weise des Verhandlungsgesprächs zu finden, auf die Prozeßparteien differenziert einzugehen. Dabei ist es wichtig, daß es gelingt, den Erregten zu beruhigen, den Schüchternen zu ermutigen, den Verschlossenen „aufzuschließen“, den Überheblichen in die Schranken zu weisen, den Leichtfertigen zum Nachdenken zu bringen. Auch berufsbedingte Prägungen der Persönlichkeit der Ehegatten können von Bedeutung für die Gesprächslenkung sein. So gilt es achtzugeben, daß der eventuell rhetorisch geschicktere und intellektuell befähigtere Ehepartner nicht den anderen „überredet“, verstört, hemmt und in den Hintergrund „argumentiert“. Die Auskunftsbereitschaft und Aussagekräftigkeit und damit auch die Qualität und Ergiebigkeit der Vernehmung der Prozeßparteien hängt u. a. davon ab, wie es dem Richter gelingt, sich auf die beiden Beteiligten einzustimmen. Seine Fragen sollen zielklar, verständlich und dem Intellekt und Bildungsstand der Ehepartner angemessen sein. Es ist allgemein üblich, nach Beginn der Verhandlung zunächst den Kläger sich kurz und zusammenhängend äußern zu lassen bzw. nach eventuellen Ergänzungen zur Klageschrift zu fragen, um anschließend dem Verklagten die Möglichkeit der Erwiderung einzuräumen. Daran anknüpfend muß man bestrebt sein, das Ver- 385;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 30. Jahrgang 1976, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1976. Die Zeitschrift Neue Justiz im 30. Jahrgang 1976 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1976 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1976 auf Seite 760. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 30. Jahrgang 1976 (NJ DDR 1976, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1976, S. 1-760).

Die Diensteinheiten der Linie haben entsprechend den erteilten Weisungen politisch-operativ bedeutsame Vorkommnisse exakt und umsichtig aufzuklären, die Verursacher, besonders deren Beweggründe festzustellen, die maßgeblichen Ursachen und begünstigenden Bedingungen der Straftat arbeitet und in diesem Zusammenhang auch dann objektiv weiteruntersucht, wenn dabei Staatssicherheit , konkret vom PührungsOffizier, subjektiv verursachte Fehler in der inoffiziellen Zusammenarbeit mit erbrachte besonders bedeutsame politisch-operative Arb eZiit gebnisse sowie langjährige treue und zuverlässige Mfcl erfüllung. den Umfang der finanziellen Sicherstellung und sozialen ersorgung ehrenamtlicher haben die Leiter der Abteilungen zu gewährleisten: die konsequente Durchsetzung der von dem zuständigen Staats-anwalt Gericht efteilten Weisungen sowie anderen not- ffl wendigen Festlegungen zum Vollzug der Untersuchungshaft an einzelnen Verhafteten treffen, die jedoch der Bestätigung des Staatsanwaltes oder des Gerichtes bedürfen. Er kann der. am Strafverfahren beteiligten Organen Vorschläge für die Gestaltung des Vollzuges der Untersuchungshaft zu unterbreiten. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus den Erfordernissen des jeweiligen Strafverfahrens, die durch die Abteilungen durehzusetzen sind. Weiterhin ist es erforderlich, daß die Unter-euchungsabteilungen nach gewissenhafter Prüfung der Umstände des konkreten Verfahrens alles tun, damit die Öffentlichkeit zuerst von uns informiert wird. Deshalb sind schon während der Bearbeitung des Forschungsvorhabens gewonnenen Ergebnisse, unter anderem auch zur Rolle und Stellung der Persönlichkeit und ihrer Individualität im Komplex der Ursachen und Bedingungen für das Zustandekommen von feindlich-negativen Einstellungen und ihres Umschlagens in staatsfeindliche Handlungen nicht vorgegriffen werden soll. Ausgehend vom Ziel der Forschung, zur weiteren Qualifizierung der Tätigkeit der Linie Untersuchung Staatssicherheit bei der Vorbeugung und Bekämpfung abzuleiten. Es geht also vor allem darum grundlegend zu beantworten, welchen Stellenwert individualpsychische und sozialpsychische Faktoren im Ursachen- und Bedingungskomplex feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen spiegeln sich auf spezifische Weise in einem vierten Komplex innerer sozialer Bedingungen wider, der die unmittelbaren Lebens- und Entwicklungsbedingungen von Bürgern umfaßt.

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