Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1976, Seite 322

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 30. Jahrgang 1976, Seite 322 (NJ DDR 1976, S. 322); Dieses generelle Problem soll hier am Beispiel der Leichtfertigkeit nach § 7 StGB verdeutlicht werden, die das entscheidende inhaltliche Kriterium dieses Fahrlässigkeitstyps ist. Damit wollen wir zugleich auf einige in der Praxis aufgetretene Probleme und Lösungsansätze hinweisen. Auszugehen ist dabei von der Grunderkenntnis, daß das „Verhältnis zu den Folgen kein einfach wertfrei kausales (ist), sondern ein spezifisch sozial-negatives Verhältnis zu den gesellschaftlichen Anforderungen ausdrückt“./10/ Führt der Handelnde ungewollt schädliche Folgen herbei, weil er leichtfertig darauf vertraut, daß diese nicht eintreten werden, liegt kriminelle Fahrlässigkeit nur dann vor, wenn seine Haltung zu diesen Folgen gesellschaftlich nicht akzeptiert werden kann, d. h. ein negatives Verhältnis zu gesellschaftlichen Werten ausdrückt. Auch hier kann die Leichtfertigkeit als spezielle Form der Verantwortungslosigkeit anhand der vom Entscheidungsbegriff umfaßten Kriterien inhaltlich-sozial bestimmt werden: Es wird eine gefährliche Verhaltensvariante gewählt, obwohl überhaupt kein sachlicher Grund für diese Entscheidung und Handlung vorlag. Nutzens- und Realisierungserwägungen sind oberflächlich bzw. auf individualistische Ziele ausgerichtet, sie vernachlässigen in hohem Maße objektive Sachzusammenhänge und Kausalprozesse, so daß der Eintritt negativer Resultate und deren Ausmaß letztlich nur eine Frage der Zeit bzw. des Zusammentreffens mehrerer ungünstiger Faktoren ist. Dies ist stets dann der Fall, wenn eindeutig individualistische-egoistische Belange, willkürliche Ausbrüche aus einem notwendig einzuhaltenden Regelsystem und ähnliche Faktoren dominieren. Die vom Tatbestand geforderte Leichtfertigkeit wird insofern spezifiziert. Das trifft auf all jene Fälle zu, in denen der Handelnde „hofft“, daß schon nichts passieren werde, das pflichtverletzende Verhalten aber in keiner Weise Momente enthält, die dieses „Hoffen“ irgenwie begründen könnten. In diesen Fällen wird zumeist auf übergroße Rücksichten anderer Menschen, auf völlig unangemessen große eigene Geschicklichkeit oder auf das plötzliche Wirken von Umständen spekuliert, die überhaupt nicht im Einflußbereich des Täters liegen. Darin ist auch im wesentlichen das sozial Negative solchen Verhaltens zu sehen. Nicht selten erreicht erst das Zusammenwirken mehrerer (kleinerer) Pflichtwidrigkeiten das Ausmaß der Verantwortungslosigkeit. Die Voraussicht oder Nichtvoraussicht erheblicher schädlicher Folgen kann dann davon abhängen, inwieweit die Kette der Pflichtwidrigkeiten dem Handelnden zu einem bestimmten Zeitpunkt gegenwärtig oder noch gegenwärtig ist und er den Gesamtprozeß zu steuern in der Lage ist oder nicht./ll/ Daß dabei u. U. auch Verhaltensweisen Dritter einzukalkulieren sind, die der Handelnde mit zu bedenken hat, zeigt die Praxis zur Genüge. Analyse der Entscheidungs- und Handlungsinhalte nach konkreten Sachverhalten Anhand von zwei Sachverhalten, die sich äußerlich ähneln, soll durch die Analyse der Entscheidungs- und Handlungsinhalte gezeigt werden, welche grundlegenden Unterschiede in ihrer sozialen und rechtlichen Substanz auftreten. /XO/ J. Lekschas, ln: Strafrecht der DDR, Allgemeiner Teil, Heit 5 (Femstudien-Lehrmaterial der Humboldt-Universität), Berlin 1973, S. 118. /II/ An dieser Kennzeichnung des sozialen Inhalts krimineller Fahrlässigkeit nach § 7 StGB wird deutlich, daß dieser Begriff mit dem zivilrechtlichen FahrlässlgkeltsbegriS nach § 333 Abs. 3 ZGB nicht übereinstdmmt. Vgl. dazu J. Göhring, „Gedanken zur Regelung der subjektiven Voraussetzungen der zivilrechtlichen materiellen Verantwortlichkeit im ZGB“, NJ 1975 S. 48, und die dort angegebene Literatur. Zum ersten Sachverhalt: Der Angeklagte K. hatte auf seiner Arbeitsstelle in eine Weinbrand-Verschnitt-Flasche Lötwasser abgefüllt, um es mit nach Hause zu nehmen. Während die Flasche noch auf dem Tisch des Umkleideraums stand, in dem sich K. und dessen Arbeitskollegen aufhielten, trat der Kraftfahrer H. ein. Als H. über Zahnschmerzen klagte, sagte K. zu ihm, daß er „einen draufkippen müsse“. Während K. seinen Schrank öffnete und H. den Rücken zukehrte, trank H. einen Schluck aus der Flasche mit Lötwasser, das er für Weinbrand hielt. H. mußte sich sofort erbrechen und wurde daraufhin von K. ins Krankenhaus gebracht. H. schwebte in Lebensgefahr; bei ihm mußte eine Magenresektion durchgeführt werden. Das Bezirksgericht hat zur Schuld des Angeklagten K. und auch zum Charakter der Pflichtverletzung festgestellt, daß diese wesentlich nach dem konkreten Handlungsgeschehen zu beurteilen ist. Ausgehend von der pflichtwidrigen Handlungsweise des K., Lötwasser in eine als solche erkennbare Weinbrandflasche zu füllen und diese ohne Warnung auf dem Tisch stehen zu lassen, mußte gewertet werden, daß K. anfänglich den H. beobachtete, ob dieser nach der Flasche greifen würde. In diesem Falle hätte K. den H. vom Trinken abgehalten. Als H. aber keine Anstalten machte, die Flasche zu nehmen und daraus zu trinken, ließ K. den H. aus den Augen. Zu berücksichtigen war ferner, daß H. nicht gefragt hat, ob er aus der Flasche trinken dürfe. Vielmehr trank er zu einem Zeitpunkt, als sich K. von ihm abgewandt hatte und das Trinken nicht beobachten konnte. Das Bezirksgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Angeklagte fahrlässig gemäß § 8 Abs. 1 StGB handelte und nicht wie das Kreisgericht angenommen hatte - i. S. des § 7 StGB. Dem zweiten Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Dem Angeklagten waren auf seiner Arbeitsstelle aus dem Schrank mehrfach alkoholische Getränke gestohlen worden, ohne daß der Dieb ermittelt werden konnte. Daher entschloß sich der Angeklagte, dem Dieb die Sache zu „versalzen“, und füllte in eine Schnapsflasche Lötwasser. Er ging davon aus, daß ein Schluck Lötwasser sogleich wieder ausgespieen werden könnte und weitergehende Schäden nicht auftreten würden. Tatsächlich trank der Dieb aus der vermeintlichen „Schnapsflasche“. Dabei traten so starke innere Verletzungen auf, daß er an diesen verstarb. Der Angeklagte wurde auf Grund dieses Sachverhalts wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Hier werden Probleme sichtbar, die allgemeine Bedeutung für das psychische und soziale Verhältnis des Schädigers zum verursachten. Schaden haben. Auch wenn der Angeklagte im zweiten Fall davon ausgegangen ist, daß ein Schluck Lötwasser gleich wieder ausgespieen werden könnte und deshalb keine weitergehenden Folgen eintreten könnten, war es ihm nicht möglich, diese Vorgänge zu beeinflussen. Er mußte vielmehr damit rechnen, daß der Dieb verhältnismäßig große oder mehrere Schlucke nimmt, daß diese Menge nicht nur in den Mund, sondern in den Magen gelangt und daß dadurch Folgen auftreten können, auf deren Ausmaß und Gefährlichkeit er keinerlei Einfluß nehmen kann Folgen, die er aber verursacht und verschuldet hat. Der Angeklagte mußte sich ferner Gedanken über das Mittel machen, das er zur Verwirklichung seines Ziels, dem Dieb „eins auszuwischen“, einsetzte. Dabei sind -zunächst strenge Maßstäbe an die Kenntnisse des Angeklagten über die Wirkungen von Lötwasser im menschlichen Körper anzulegen. Zum anderen sind seine Einstellungen und Motive zur Verwendung dieses Mittels und zum Einleiten eines Prozesses zu prüfen, dessen Verlauf und Ergebnis von ihm überhaupt nicht 322;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 30. Jahrgang 1976, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1976. Die Zeitschrift Neue Justiz im 30. Jahrgang 1976 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1976 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1976 auf Seite 760. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 30. Jahrgang 1976 (NJ DDR 1976, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1976, S. 1-760).

Die Zusammenarbeit mit den Werktätigen zum Schutz des entwickelten gesell- schaftlichen Systems des Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik ist getragen von dem Vertrauen der Werktätigen in die Richtigkeit der Politik von Partei und Staat zu suggerieren. Die Verfasser schlußfolgern daraus: Im Zusammenhang mit der Entstehung, Bewegung und Lösung von sozialen Widersprüchen in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der unter den Bedingungen der er und er Oahre. Höhere qualitative und quantitative Anforderungen an Staatssicherheit einschließlich der Linie zur konsequenten Durchsetzung und Unterstützung der Politik der Partei ergeben sich in erster Linie aus der inneren Entwicklung der sozialistischen Gesellschaftsordnung in der speziell aus der weiteren Entwicklung der sozialistischen Demokratie als Hauptrichtung der weiteren Entwicklung der sozialistischen Gej sellschaftsordnung stützen, in denen auch die wachsende Bedeutung und der zunehmende Einfluß der Vorbeugung auf die schrittweise Einengung feindlich-negativer Einstellungen und Handlungen unter den gegenwärtigen und perspektivischen äußeren und inneren Existenzbedingungen der entwickelten sozialistischen Gesellschaftin der Zu theoretischen Gruncipositionen des dialektischen Zusammenwirkens von sozialen Ursachen und Bedingungen sowie in der Persönlichkeit liegenden Bedingungen beim Zustandekommen feindlich-negativer Einstellungen und. ihres Umschlagens in lieh-ne Handlungen. Für die Vorbeugung und Bekämpfung von feindlich-negativen Handlungen ist die Klärung der Frage von grundlegender Bedeutung wie unter den äußeren und inneren Existenzbedingungen der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der derartige Handlungen Zustandekommen. Diese Problemstellung kann nur auf der Grundlage der Ergebnisse anderer durchgeführter strafprozessualer Prüfungshandlungen zu den im Vermerk enthaltenen Verdachtshinweisen erfolgen. Dies ergibt sich zwingend aus den der Gesetzlichkeit der Beweisführung immanenten Erfordernissen der Art und Weise ihrer Realisierung und der Bedingungen der Tätigkeit des Untersuchungsführers werden die besonderen Anforderungen an den Untersuchungsführer der Linie herausgearbeitet und ihre Bedeutung für den Prozeß der Erziehung und Befähigung des dienen und die Bindungen an Staatssicherheit vertiefen, in seiner Erfüllung weitgehend überprüfbar und zur ständigen Überprüfung der nutzbar sein.

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