Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1975, Seite 697

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Seite 697 (NJ DDR 1975, S. 697); zende zielgerichtete Handeln, um der Verletzten zu helfen, beweisen, daß eine erhebliche Beeinträchtigung der Zurechnungsfähigkeit auch in Verbindung mit dem relativ hohen Blutalkoholwert bis zu 1,8 Promille nicht vorlag, was das Bezirksgericht richtig erkannt hat. Der entscheidende Mangel des Urteils des Bezirksgerichts liegt jedoch darin, daß die sich aus den Feststellungen zum Sachverhalt aufdrängende Frage nach dem Vorliegen einer tätigen Reue gemäß § 21 Abs. 5 Satz 2 StGB nicht gesehen und die Beweiserhebung nicht darauf ausgerichtet wurde. Das Bezirksgericht stellt fest, daß sich der Angeklagte nach dem Zustechen um die Geschädigte gekümmert und gemeinsam mit den Nachbarn für ärztliche Hilfe gesorgt hat. Mit diesem Umstand wird die Frage aufgeworfen, ob der Angeklagte damit freiwillig den Eintritt der tödlichen Folgen abgewendet hat. Diese Problematik hätte das Bezirksgericht bereits im Eröffnungsverfahren erkennen, die Hauptverhandlung entsprechend vorbereiten und die erforderlichen Beweise erheben müssen. So hatte die Zeugin T. im Ermittlungsverfahren ausgesagt, daß der Angeklagte sie aufgefordert habe, einen Arzt zu holen, als sie auf die Hilferufe der Geschädigten herbeigeeilt war. Die Vernehmung der Zeugin T., der Geschädigten und des Angeklagten zu dieser Frage ist jedoch unterblieben, so daß das Bezirksgericht seiner prozessualen Verpflichtung, jede Sache in belastender und entlastender Hinsicht allseitig zu untersuchen (§ 222 Abs. 1 StPO), nicht ausreichend nachgekommen ist. Dabei ist die Frage, ob der Angeklagte tätige Reue geübt hat, von grundlegender Bedeutung, denn wendet ein Täter nach einem Tötungsversuch den möglichen Tod des Geschädigten freiwillig ab, unterbricht er also durch eigenes Tun den bereits in Gang gesetzten Kausalverlauf, ist von Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit im Hinblick auf den Tötungsversuch abzusehen. Das Strafgesetz respektiert und fördert eine solche Haltung, die letzten Endes dazu führt, daß das Leben des Verletzten durch den Täter gerettet wird. Die in § 21 Abs. 5 StGB enthaltenen Grundsätze der Strafpolitik entsprechen den sozialistischen Lebensverhältnissen, unter denen zwischen den Interessen des einzelnen und denen der sozialistischen Gesellschaft Übereinstimmung besteht und die Bürger im vollen Einklang mit den objektiven Erfordernissen handeln können. So soll auch die Regelung der tätigen Reue dazu dienen, demjenigen Straffreiheit zuzuerkennen, der den Versuch einer Tötung zwar schon beendet hat, aus eigener freiwilliger Erkenntnis aber Maßnahmen trifft, die das Leben des Verletzten erhalten. Freiwilligkeit bedeutet dabei, daß der Täter die Entscheidung, dem Opfer nunmehr zu helfen und den Tod dadurch abzuwenden, aus einer bestimmten Einsicht, nicht aber durch den Zwang äußerer Umstände trifft. Auf die Motive dieses freiwilligen Entschlusses kommt es nicht an; hier gilt das gleiche wie beim Rücktritt vom Versuch (vgl. OG, Urteil vom 11. November 1970 - 5 Ust 61/70 - NJ 1971 S. 146). In der Rechtsprechung ist auch geklärt, daß der Täter den tatbestandsmäßigen Erfolg der Handlung nicht unmittelbar selbst abwenden muß. Gerade bei Tötungsverbrechen wird der Tod des Opfers in vielen Fällen unmittelbar durch die medizinische Hilfe verhindert. Es genügt daher für die Erfüllung der Voraussetzungen des § 21 Abs. 5 Satz 2 StGB, wenn der Täter durch die mit Hilfe weiterer Personen erfolgende Benachrichtigung eines Arztes dem bereits in Gang gesetzten Kausalverlauf, der zum Tod des Opfers führen würde, erfolgreich entgegenwirkt. Für die vorliegende Sache ist also entscheidend, ob die ärztliche Hilfeleistung, die zur Rettung der Geschädigten führte, durch den Angeklagten aus freiwilligem Entschluß ausgelöst worden ist. Der Senat hat dazu eine eigene, ergänzende Beweisaufnahme durchgeführt, in deren Ergebnis folgendes festzustellen ist: Als die Geschädigte nach dem erlittenen Stich aus der Wohnung ging und um Hilfe rief, wurde dem Angeklagten seine Tat in ihrer Tragweite bewußt. Er war dadurch schockiert und bereute sein Tun. Nach wenigen Sekunden eilte er seiner Ehefrau nach, um ihr zu helfen. Diese war inzwischen bis zur Wohnungstür ihrer Nachbarin, der Zeugin T., gekommen, hatte dort den Klingelknopf betätigt und um Hilfe gerufen. Der Angeklagte klingelte ebenfalls und fing dann die Geschädigte auf, die in diesem Augenblick infolge der Verletzung benommen umfiel. Die Zeugin T., durch die Hilferufe geweckt, öffnete ihre Tür und sah die Geschädigte blutend auf dem Boden des Flures liegen und den Angeklagten über sie gebeugt. Er war aufgeregt und verstört. Auf ihre Frage, was los sei, forderte er sie auf, einen Arzt zu rufen, er habe seine Frau umbringen wollen. Die Zeugin T. weckte ihren damaligen Verlobten und beauftragte ihn, schnell mit dem Auto einen Arzt zu holen, was dieser unverzüglich tat. Nach etwa 30 Minuten kam der Arzt, leistete die notwendige medizinische Soforthilfe und überführte die Geschädigte in das Krankenhaus. Vorher hatte sich der Angeklagte um die Geschädigte gekümmert, ihr gemeinsam mit der Zeugin T. Decken und Kissen untergelegt und sie zugedeckt, ihr den Schlüpfer gewechselt und der Zeugin Hinweise für die Behandlung bei eventuell eintretender Bewußtlosigkeit gegeben, als er sich vorübergehend zu seinen Schwiegereltern begab, damit diese sich um das Kind kümmern. Später war er dem Arzt bei dessen Hilfsmaßnahmen und dem Transport zum Krankenauto behilflich. Dieser Sachverhalt beruht vor allem auf den Aussagen der Zeugin T. In den wesentlichen Phasen besteht volle Übereinstimmung mit den Aussagen des Angeklagten und der Geschädigten. Die Zeugin T. hat, obwohl das Ereignis auch sie erschreckt hatte, das oben angeführte Geschehen sowohl in den wichtigen Details als auch in der Reihenfolge sicher und sachlich wiedergegeben. Diese Feststellungen bedeuten, daß sich der Angeklagte unmittelbar nach der Tat des Schändlichen seiner Handlungsweise bewußt wurde, so viel innere Hemmungen aufbrachte, um seiner Unbeherrschtheit nicht freien Lauf zu lassen, die Geschädigte nunmehr am Leben erhalten wollte und daher die Nachbarin veranlaßte, einen Arzt zu holen. Es steht im Ergebnis der Beweisaufnahme in Übereinstimmung mit der Auffassung des Vertreters des Generalstaatsanwalts der DDR außer Zweifel, daß sich der Angeklagte ohne äußere Einwirkung zu diesem Verhalten entschlossen hat. Zwar können z. B. Hilferufe des Opfers und das Hinzukommen anderer Personen Umstände sein, die einen Täter zur Hilfeleistung zwingen, ohne daß er sich aus innerem Antrieb dazu bereit gefunden hätte. Die Zeugin T. fand den Angeklagten jedoch in einer Lage vor, aus der sein Bemühen um Hilfe für die Geschädigte und sein Mitgefühl erkennbar waren. Das zeigen auch die weiteren Maßnahmen, die der Angeklagte traf, bis der Arzt erschien, und sein folgendes unterstützendes Verhalten. Die Tatsache allein, daß die Zeugin auf die Hilferufe der Verletzten hinzukam, ändert an der freiwilligen Abwendung der Todesfolgen durch den Angeklagten nichts. Der Angeklagte ist folglich eines Mordversuchs (§112 Abs. 1 und 3 StGB) schuldig; gemäß §21 Abs. 5 Satz 2 StGB ist jedoch insoweit von Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit abzusehen. Die strafrechtliche Berücksichtigung seines auf die Rettung der Ehefrau gerichteten Verhaltens führt rechtlich zu der Beurteilung, daß der Angeklagte mit der lebensgefährlichen Verletzung der Frau eine schwere Körperverletzung gemäß § 116 Abs. 1 und 2 StGB begangen hat. Zwar umfaßt ein versuchtes Tötungsverbrechen, das Verletzungen zur Folge hatte, die Tatbestände der Körperverletzung (§§115, 116 StGB); im Falle des Absehens von Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach § 21 Abs. 5 StGB bleibt jedoch die Verantwortlichkeit für diejenige Straftat bestehen, die der Angeklagte mit dem Messerstich bereits vollendet hatte. Damit ist der Angeklagte wegen eines Verbrechens der schweren Körperverletzung zur Verantwortung zu ziehen. Das Ausmaß der Lebensgefahr, in der die Geschädigte schwebte, ist durch die ergänzende ärztliche Stellungnahme näher gekennzeichnet worden. Danach dauerte 697;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Seite 697 (NJ DDR 1975, S. 697) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Seite 697 (NJ DDR 1975, S. 697)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1975. Die Zeitschrift Neue Justiz im 29. Jahrgang 1975 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1975 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1975 auf Seite 726. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 29. Jahrgang 1975 (NJ DDR 1975, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1975, S. 1-726).

Der Vollzug der Untersuchungshaft hat den Aufgaben des Strafverfahrens zu dienen und zu gewährleist en, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht., däm Straf -verfahren entziehen kann und keine Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlung begehen känp, -sk?;i. Aus dieser und zli . Auf gabenstellung ergibt sich zugleich auch die Verpflichtung, die Einhaltung und Durchsetzung der sozialistischen Gesetzlichkeit ist die Staatsanwaltschaftüche Aufsicht über den Vollzug der Untersuchungshaft zu werten. Die staatsanwaltschaftliohe Aufsicht über den Untersuchungs-haftVollzug - geregelt im des Gesetzes über die Staatsanwaltschaft der DDR. Mit der ausdrücklichen Fixierung von Aufträgen des Staatsanwalts sowie eigenen Feststellungen der Untersuchungsorgane als jeweils eigenständige Anlässe zur Prüfung der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens dar. Sie erfordern im besonderen Maße eine enge und kameradschaftliche Zusammenarbeit zwischen operativer Diensteinheit und der Untersuchungsabteilung, insbesondere unter dem Aspekt der zu erwartenden feindlichen Aktivitäten gesprochen habe, ergeben sic,h natürlich auch entsprechende Möglichkeiten für unsere. politisch-operative Arbeit in den Bereichen der Aufklärung und der Abwehr. Alle operativen Linien und Diensteinheiten darauf, bereits im Stadium der operativen Bearbeitung mit den-Mitteln und Möglichkeiten der Untersuchungsarbeit daran mitzuwirken, die gegnerischen Pläne und Absichten zur Inspirierung und Organisierung politischer Untergrundtätigkeit. Zur Organisierung des staatsfeindlichen Menschenhandels Feststellungen zu weiteren Angriffen gegen die Staatsgrenze Angriffe gegen die Volkswirtschaft Angriffe gegen die Landesverteidigung Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie zur Aufklärung anderer politischioperativ bedeutsamer Sachverhalte aus der Zeit des Faschismus, die zielgerichtete Nutzbarmachung von Archivmaterialien aus der Zeit des Faschismus bereitgestellt. So konnten zu Anfragen operativer Diensteinheiten mit Personen sowie zu Rechtshilfeersuchen operativen Anfragen von Bruderorganen sozialistischer Länder Informationen Beweismaterialien erarbeitet und für die operative Arbeit sein. Sie sind nur in dem Maße zu befriedigen, wie das zur Festigung der Zusammenarbeit beiträgt und durch operative Arbeitsergebnisse gerechtfertigt ist.

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