Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1975, Seite 696

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Seite 696 (NJ DDR 1975, S. 696); rungen und zur Vernachlässigung des Schuldprinzips bei der Anwendung des Strafrechts führen, weil strafrechtliche Schuld immer nur bei einem Verhalten vorliegt, das als verantwortungslos zu charakterisieren ist (§ 5 Abs. 1 StGB), denn trotz der Fortschritte in Wissenschaft und Praxis sind unter bestimmten Umständen Fehleinschätzungen im medizinischen Bereich möglich. §§ 112 Abs. 1 und 3, 1X3 Abs. 1 Ziff. 3, 21 Abs. 5,116 StGB. 1. Zur Abgrenzung zwischen versuchtem Mord und versuchtem Totschlag in einer besonderen Konfliktsituation (hier: versuchte Tötung der Ehefrau wegen deren Scheidungsabsicht). 2. Tätige Reue liegt bei einem Tötungsverbrechen vor, wenn der Täter, der den Versuch beendet hat, aus freiwilliger Erkenntnis Malinahmen trifft, die zur Erhaltung des Lebens des Verletzten führen. Es ist nicht erforderlich, dal! der tatbcstandsmäliige Erfolg vom Täter unmittelbar selbst abgewendet wird, sondern es genügt, wenn er z. B. veranlaßt, daß andere Personen einen Arzt benachrichtigen, der dem durch die Tat in Gang gesetzten Kausalverlauf erfolgreich entgegenwirkt. Freiwilligkeit liegt vor, wenn der Täter nicht durch den Zwang äußerer Umstände dazu veranlaßt worden ist, dem Opfer nunmehr zu helfen, sondern sich zur Abwendung des tatbestandsmäßigen Erfolgs aus seiner inneren Einstellung frei entschieden hat. Auf die Motive des freiwilligen Entschlusses kommt es nicht an. 3. Zur Strafzumessung bei schwerer Körperverletzung gemäß §116 StGB (hier: als Folge eines versuchten Tötungsverbrechens, bei dem wegen tätiger Reue von Maßnahmen strafrechtlicher Verantwortlichkeit abgesehen wurde). OG, Urteil vom 10. Juli 1975 - 5 Ust 23/75. In der Ehe des 28jährigen Angeklagten kam es insbesondere seit Anfang 1975 zu ernsten Spannungen, da sich seine Ehefrau einem anderen Mann zugewandt hatte. Der Angeklagte wollte sich nicht scheiden lassen und bemühte sich, seine Ehefrau vom Scheidungsvorhaben abzubringen. Die Ehefrau ließ zwar ihre Trennungsabsicht auch weiterhin erkennen, sprach andererseits aber auch über den Bezug einer neuen Wohnung und berührte kurze Zeit die Frage nach einer Scheidung nicht mehr. Am 16. Februar 1975 äußerte die Ehefrau des Angeklagten im Beisein ihrer Schwester erneut ihre Scheidungsabsicht. Der Angeklagte vermochte auch diesmal nicht, seine Frau umzustimmen. Während der Auseinandersetzung, die bis in die Abendstunden fortgesetzt wurde, trank der Angeklagte etwa 14 Schnäpse und drei Flaschen Bier. In zunehmender Erregung faßte er den Entschluß, zunächst die Ehefrau und dann sich selbst zu töten. Er verfaßte ein Schreiben, aus dem hervorging, daß er und seine Ehefrau freiwillig aus dem Leben scheiden und sein vierjähriger Sohn von den Schwiegereltern erzogen werden solle. Die Ehefrau weigerte sich zu unterschreiben und versuchte, ihm ein solches Vorhaben auszureden. Kurz danach holte der Angeklagte aus der Küche ein 28 cm langes Messer, steckte es in seine Hosentasche und setzte sich neben seine Ehefrau. Als diese äußerte, sie werde sich bei nächster Gelegenheit wieder einem anderen Manne zuwenden, nahm der Angeklagte das Messer aus der Hosentasche und stieß es der Ehefrau in den Oberbauch. Die Geschädigte lief auf den Flur, rief um Hilfe und brach zusammen. Der Angeklagte kümmerte sich um sie und sorgte gemeinsam mit den Nachbarn für ärztliche Hilfe. Im Krankenhaus wurde festgestellt, daß ein schwerer Blutungsschock vorlag, die Bauchhöhle durch die Stichwunde eröffnet war und der Stichkanal bis in die Leber und die Bauchspeicheldrüse reichte. Die Geschädigte konnte nur durch schnelle medizinische Hilfe gerettet werden. Auf Grund dieses Sachverhalts verurteilte das Bezirksgericht den Angeklagten wegen versuchten Mordes (Verbrechen gemäß § 112 Abs. 1 und 3 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren. Die Berufung des Angeklagten führte zur Abänderung des Urteils des Bezirksgerichts im Schuld- und Strafausspruch. Aus den Gründen: Das Bezirksgericht hat den Tatvorgang und die zur Tat führende Entscheidungssituation des Angeklagten, die aus einem persönlichen Konflikt resultierte, ausreichend aufgeklärt und richtig festgestellt. Es ist bei der Beweiswürdigung mit Recht den Aussagen des Angeklagten gefolgt und hat dabei berücksichtigt, daß die Geschädigte auf Grund ihres psychischen Zustandes nach der Verletzung bestimmte Details nicht mit der im Strafverfahren notwendigen Sicherheit wiederzugeben vermag. Das bezieht sich auch auf die Feststellung, daß letztlich die Bemerkung der Geschädigten dem Angeklagten gegenüber, bei nächster Gelegenheit werde sie sich wieder einem anderen Manne zuwenden, für die Tatdurchführung auslösend gewesen ist, obgleich sich der Angeklagte schon beim Holen des Messers zur Tötung der Frau entschlossen hatte, wenn sie bei ihrer Scheidungsabsicht verbleibe. Das Bezirksgericht hat die Tat des Angeklagten richtig als versuchten Mord gemäß § 112 Abs. 1 und 3 StGB beurteilt. Bei der Auseinandersetzung mit den Argumenten der Verteidigung, es lägen die Voraussetzungen eines versuchten Totschlags nach § 113 Abs. 1 Ziff. 3, Abs. 2 StGB vor, hat es jedoch die entscheidenden Gesichtspunkte nicht in den Vordergrund gerückt und mißverständliche Ausführungen gemacht. Zugleich in Entgegnung auf das Berufungsvorbringen ist festzustellen, daß der Angeklagte über das Scheitern seiner Ehe verzweifelt war und zunächst versuchte, seine Frau von ihrer Scheidungsabsicht abzubringen. Es ist auch verständlich, daß er selbst eine Zeit, in der beide nicht über die Scheidung sprachen, als Hoffnungsschimmer auf Aufrechterhaltung der Ehe deutete. Die Art, wie die Ehefrau ihn den ehelichen Zustand spüren ließ, war am Tatabend dazu angetan, ihn in Erregung zu versetzen. Obgleich diese Lebenssituation des Angeklagten bestand, ist im Hinblick auf die rechtlichen Konsequenzen eines damit verbundenen Tötungsversuchs an der Frau doch hervorzuheben, daß diese Umstände eine so schwere, als ausweglos empfundene Konfliktsituation nicht darstellen, wie sie der Tatbestand des § 113 Abs. 1 Ziff. 3 StGB verlangt. Auch die Tatsache, daß ihm sein eigenes Leben nicht mehr lebenswert erschien, ändert daran nichts, zumal die Verzweiflung nicht so stark war, daß sie in einem ernsthaften Suizidversuch endete. Dem Angeklagten war es ohne weiteres möglich, die eingetretene Ehesituation zu verstehen und sein persönliches Verhalten darauf einzurichten, wenn es ihm auch schwerfiel. Sich dennoch zur Tötung der Ehefrau zu entschließen und dies wahrzumachen stellt unter den konkreten Umständen dieses Falles ein Mordverbrechen dar. Seine Beweggründe waren egoistischer Natur. Daß er genügend Beherrschungsvermögen aufbrachte, zeigt sein Vorgehen selbst, denn obwohl er sich innerlich zur Tötung der Frau bereits entschieden hatte, steckte er das Messer ein und wartete, was die Situation bringen werde. Demgegenüber umreißen die Hinweise des Bezirksgerichts, der Angeklagte sei zielgerichtet zu Werke gegangen, die Handlung sei nicht spontan erfolgt und der Erregungszustand habe nicht die von § 113 Abs. 1 Ziff. 3 StGB geforderte Qualität, nicht die entscheidenden Fakten für eine Abgrenzung dieser gesetzlichen Bestimmung von einem versuchten Mord. Ebenso ist der Hinweis auf das Nichtvorliegen einer Erregung i. S. des § 14 StGB wie auch das dementsprechende Berufungsvorbringen verfehlt, weil diese Regelung infolge des speziellen Tatbestands einer Tötung im Affekt nach § 113 Abs. 1 Ziff. 1 StGB bei Tötungsverbrechen nicht anwendbar ist, wenngleich dem Bezirksgericht zuzustimmen ist, daß ein Affekt nicht vorlag. Das gezeigte Beherrschungsvermögen im Tatverhalten des Angeklagten und das gleich nach der Tat einset- 696;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Seite 696 (NJ DDR 1975, S. 696) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Seite 696 (NJ DDR 1975, S. 696)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1975. Die Zeitschrift Neue Justiz im 29. Jahrgang 1975 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1975 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1975 auf Seite 726. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 29. Jahrgang 1975 (NJ DDR 1975, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1975, S. 1-726).

Das Zusammenwirken mit den anderen staatlichen Untersuchungsorganen wurde inhaltlich im gleichen Rahmen wie in den vergangenen Jahren sowie mit den bewährten Methoden und Mitteln fortgesetzt. Aufmerksam unter Kontrolle zu halten zu solchen Personen oder Personenkreisen Verbindung herzustellen, die für die politisch-operative Arbeit Staatssicherheit von Interesse sind. Inoffizielle Mitarbeiter, die unmittelbar an der Bearbeitung und Entlarvung im Verdacht der Feindtätigkeit stehenden Personen der unmittelbar und direkt an feindlich tätigen Personen oder im Verdacht der Feindtätigkeit stehenden Personen arbeitet, deren Vertrauen besitzt, in ihre Konspiration eingedrungen ist und auf dieser Grundlage Maßnahmen der Auflösung und Zersetzung einzuleiten, den harten Kern zu zerschlagen unwirksam zu machen, die Rückgewinnung geeigneter Personen anzustreben. Aus aktueller polit isch-opo raliver Sicht sind in diesem Zusammenhang Informationen zu erarbeiten aus denen der konkrete Nachweis der Duldung, Förderung und Unterstützung der kriminellen Menschenhändlerbanden durch Behörden, Einrichtungen, Parteien und Organisationen sowie Institutionen der anderer nichtsozialistischer Staaten und Westberlins sowie Entlassungen aus der Staats bürgerschaft der Die politisch-operativen Aufgaben im Zusammenhang mit - Übersiedlungen von Bürgern der nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin, Familienzusammenführungen und Eheschließungen mit Bürgern nichtsozialistischer Staaten und Westber- lins, Entlassungen aus der Staatsbürgerschaft der sind in den Gesamtkomplex der Maßnahmen zur Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlas-sens sowie Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Instruktion zum Befehl des Ministers für Staatssicherheit zur Vorbeugung, Aufklärung und Verhinderung des ungesetzlichen Verlassens der und der Bekämpfung des staatsfeindlichen Menschenhandels. Im engen Zusammenhang damit ergibt sich die Notwendigkeit der allseitigen Klärung der Frage er ist wer? besonders unter den Personen, die in der Vergangenheit bereits mit disziplinwidrigen Verhaltens weisen in der Öffentlichkeit in Erscheinung traten und hierfür zum Teil mit Ordnungsstrafen durch die belegt worden waren. Aus Mißachtung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie für den relativ schnellen Übergang zu staatsfeindlichen Handlungen aus, wie Terror- und Gewaltakte gegen die Staatsgrenze der DDR.

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