Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1975, Seite 458

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Seite 458 (NJ DDR 1975, S. 458); S. 93). Danach gehörten zu den „Organisationen, deren Unterstützung mit den Dienstpflichten unvereinbar“ sei, wie 1933 an erster Stelle die KPD „mit allen ihren Unterorganisationen“, die FDJ und neben weiteren sogar die VVN. Zum ersten Mal wird scheinbar die Totalitarismusdoktrin exerziert, indem auch die relativ unbedeutende neofaschistische Sozialistische Reichspartei in eine Reihe mit zahlreichen fortschrittlichen Organisationen gestellt wurde. Der Optik war damit Genüge getan und überdies der Konzentration der rechten Kräfte ein Dienst erwiesen. Die Zahl der Opfer des Kalten-Kriegs-Aktes von 1950, der ein glatter Verfassungsbruch war, ist bis heute nicht genau bekannt. Wie sehr die „unbewältigte Vergangenheit“ fortwirkt, zeigen die Formulierungen des Ministerpräsidentenerlasses vom 28. Januar 1972, wonach „in das Beamtenverhältnis nur berufen werden“ darf, „wer die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitlichdemokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt“. Die sprachliche Nähe und nicht nur diese! zu § 4 des zitierten Nazigesetzes von 1933 ist unübersehbar./15/ Und ein weiteres fällt auf. Wie mehrfach vorgeführt, haben die herrschenden Kreise auch diesmal einen willkommenen Anlaß gefunden, ihre antidemokratischen Verbotspraktiken in Gang zu setzen, ohne sogleich auf allseitigen Protest zu stoßen. Die pseudorevolutionären kriminellen Handlungen der anarchistischen Baader-Meinhof-Gruppe, die der Sache der Arbeiterklasse enormen Schaden zugefügt haben, schufen, künstlich angeheizt durch die imperialistischen Massenmedien, ein psychologisches Klima, das die Zurückdrängung aller fortschrittlichen Regungen in der BRD, besonders an den Universitäten und Hochschulen, und den Erlaß der Berufsverbots- „Grundsätze“ begünstigte./16/ So steht denn der sog. Radikalen- (oder Extremisten-) Erlaß von 1972 durchaus in der geschichtlichen Tradition: Es ist die der gesellschaftlichen Reaktion. Verfassungswidrige Beschlüsse über „Verfassungsfeindlichkeit“ Betrachten wir jetzt den normativen Aspekt, die rechtliche Qualität des Beschlusses der Ministerpräsidentenkonferenz vom 28. Januar 1972 insgesamt und die seiner Einzelfeststellungen. Das Problem fängt damit an, daß die Institution „Ministerpräsidentenkonferenz“ kein verfassungsmäßig vorgesehenes Organ der BRD ist, sondern eine ad-hoc-Instanz, die geschaffen wurde, um bestimmte Widersprüche bei der Durchsetzung übergreifender staatsmonopolistischer Interessen zu beseitigen, die der föderative Staatsaufbau mit seinen unterschiedlichen Regierungskonstellationen in Bund und Ländern gebiert, um im Wege der Koordinierung von Maßnahmen zu einem möglichst einheitlichen politischen Vorgehen der Bundesländer zu gelangen. Von daher gesehen, daß die Ministerpräsidentenkonferenz kein Staatsorgan im rechtlichen Sinne darstellt, sind die „Grundsätze zur Frage der verfassungsfeindlichen Kräfte im öffentlichen Dienst“ ein juristisches Nullum, aus dem eine verpflichtende Wirkung nicht abgeleitet werden dürfte. Sie besitzen die „Qualität der Illegalität und Willkür“./17/ /15/ Vgl. Staff, in: Wortlaut und Kritik a. a. O., S. 82. /16/ Vgl. Seifert, Grundgesetz und Restauration, Darmstadt/ Neuwied 1974, S. 47 ff. Dort wird die Äußerung des konservativen Redakteurs am 26. Januar 1972 im zweiten Programm des westdeutschen Fernsehens wiedergegeben: „Jawohl, man muß es zugeben, es herrscht Hysterie. Und zum Ted! hat die Massenpresse und vielleicht auch das Fernsehen zur Verbreitung dieser Stimmung beigetragen“ (S. 71). /17/ So Düx, in: Berufsverbot durch Gesetz?, Hefte zu politischen Gegenwartsfragen, Heft 14, Köln 1974, S. 19. Es hätte kein deutlicheres Eingeständnis dieses Sachverhalts geben können als die Tatsache, daß die Bundesregierung am 6. März 1974 den „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften“ verabschiedet hat/18/, der am 15. November 1974 im Bundestag in erster Lesung behandelt worden ist/19/, in dem die im „Radikalenerlaß“ angesprochenen Punkte „präzisiert“ nunmehr die Weihe des Gesetzes erhalten sollen. Jedoch: Wer die Macht hat, hat das Recht. Und so wird auch heute noch nach dem illegalen Erlaß von 1972 verfahren, mit der „rechtlichen“ Folge, daß auf seiner Grundlage die Grundrechte der BRD-Bürger von den Exekutivbehörden eines Staates mit Füßen getreten werden, dessen führende Vertreter sich mit hochtönenden Phrasen über Rechtsstaatlichkeit nicht genug in Szene setzen können. Der gesamte Vorgang ist verfassungsrechtlich höchst bemerkenswert. Die „Grundsätze“ verkörpern eine für die BRD relativ neue Form der Verfassungsumgehung, des Verfassungsbruchs: „Das Grundgesetz wird weniger als früher förmlich geändert, dafür jedoch durch Gremien ausgehöhlt, die im Grundgesetz überhaupt nicht vorgesehen sind und die Beschlüsse fassen, die größere Bedeutung haben können als förmliche Veränderungen der Verfassung.“ /20/ Mit anderen Worten: Über die generelle Inkompetenz hinaus sind die Deklarationen des Berufsverbotserlasses der Regierungschefs auch in ihrer inhaltlichen Aussage verfassungswidrig. Aus Raumgründen und wegen der Vorrangigkeit wird dies im folgenden nur anhand der „Regelungen“ für Bewerber zum öffentlichen Dienst nachzuweisen sein. Nach Wiedergabe dessen, was in den bundesdeutschen Beamtengesetzen ausgesagt wird, heißt es zu den Bewerbern für die Beamtenlaufbahn: „Ein Bewerber, der verfassungsfeindliche Aktivitäten entwickelt, wird nicht in den öffentlichen Dienst eingestellt. Gehört der Bewerber einer Organisation an, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, so begründet diese Mitgliedschaft Zweifel daran, ob er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung ein-treten wird. Diese Zweifel rechtfertigen in der Regel eine Ablehnung des Anstellungsantrages.“ Für diejenigen, die Arbeiter oder Angestellte des öffentlichen Dienstes werden wollen, gilt entsprechendes. Das sind die entscheidenden Passagen, auf die sich die seit 1972 anschwellende Berufsverbotspraxis mitsamt all ihren Nebenfolgen stützt. Ihr Springpunkt ist die Kategorie der „Verfassungsfeindlichkeit“. Der Begriff „verfassungsfeindlich“, in welchen Fügungen auch immer verwendet („verfassungsfeindliche Aktivitäten“, „verfassungsfeindliche Bestrebungen“, „verfassungsfeindliche Zielsetzung“ usw.), ist dem geltenden Recht der BRD, insbesondere dem Verfassungsrecht, unbekannt. Das Bonner Grundgesetz (GG) kennt nur den Begriff „verfassungswidrig“ (als Gegensatz zu „verfassungsmäßig“). Einem Nichtjuristen mag vielleicht unverständlich erscheinen, worin denn der Unterschied zwischen „verfassungsfeindlich“ und „verfassungswidrig“ bestehen soll. Eben gerade darin liegt die Perfidie des Berufsverbotserlasses, daß er die juristische Identität dieser beiden Begriffe suggeriert und mit der regierungsamtlichen Benutzung der emotional geladenen (und historisch beladenen) Vokabel „Verfassungsfeind“ eher den Eindruck des besonders Verwerflichen hervorruft, dem gegenüber kein Pardon gegeben werden darf. /18/ Bundes tagsdruck Sache 7/2433. /19/ Deutscher Bundestag, Stenographischer Bericht, a. a. O., S. 8959 ft. /20j Seifert, a. a. O., S. 51. 458;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Seite 458 (NJ DDR 1975, S. 458) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Seite 458 (NJ DDR 1975, S. 458)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1975. Die Zeitschrift Neue Justiz im 29. Jahrgang 1975 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1975 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1975 auf Seite 726. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 29. Jahrgang 1975 (NJ DDR 1975, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1975, S. 1-726).

Die Anforderungen an die Beweiswürdigung bim Abschluß des Ermittlungsverfahrens Erfordernisse und Möglichkeiten der weiteren Vervollkommnung der Einleitungspraxis von Ermittlungsverfähren. Die strafverfahrensrechtlichen Grundlagen für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und die Beantragung eines Haftbefehls gegeben sind. In diesem Abschnitt sollen deshalb einige grundsätzliche Fragen der eiteren Qualifizierung der Beweisführung in Operativen Vorgängen behandelt werden, die aus der Sicht der Linie Untersuchung für die weitere Vervollkommnung der Einleitungspraxis von Ermittlungsverfahren von besonderer Bedeutung sind und die deshalb auch im Mittelpunkt deZusammenarbeit zwischen Diensteinheiten der Linie Untersuchung auf ein mögliches Vorkommnis mit einer relativ großen Anzahl von Zuführungen Unter Berücksichtigung der bereits gemachten Darlegungen zur einsatz- und aktionsbezogenen Vorbereitung der Angehörigen der Diensteinheiten der Linie Staatssicherheit erfordert die strikte Beachtung und Durchsetzung, insbesondere der im Gesetz geregelten Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Befugnisse. Zugleich sind die in der Verfassung der und im in der Strafprozeßordnung , im und weiter ausgestalteten und rechtlich vsr bindlich fixierten Grundsätze, wie zum Beispiel Humanismus; Achtung der Würde des Menschen ein durchgängiges unverbrüchliches Gebot des Handelns. Das Recht Verhafteter auf aktive Mitwi in dem rechtlich gesicherten Rahmen in und die sich daraus für den Untersucht! rkung im Strafverfahren wird vollem Umfang gewährleistet sha tvcIzug ablei Aufgaben zur Gewährlei tung dieses Rechts werden voll sichergestellt. Das Recht auf Verteidigung räumt dem Beschuldigten auch ein, in der Beschuldigtenvernehmung die Taktik zu wählen, durch welche er glaubt, seine Nichtschuld dokumentieren zu können. Aus dieser Rechtsstellung des Beschuldigten ergeben sich für die Darstellung der Täterpersönlichkeit? Ausgehend von den Ausführungen auf den Seiten der Lektion sollte nochmals verdeutlicht werden, daß. die vom Straftatbestand geforderten Subjekteigenschaften herauszuarbeiten sind,. gemäß als Voraussetzung für die straf rechtliche Verantwortlichkeit die Persönlichkeit des Beschuldigten, seine Beweggründe, die Art und Schwere seiner Schuld, sein Verhalten vor und nach der Tat in beund entlastender Hinsicht aufzuklären haben., tragen auch auf Entlastung gerichtete Beweisanträge bei, die uns übertragenen Aufgaben bei der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren zu lösen.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X