Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1975, Seite 428

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Seite 428 (NJ DDR 1975, S. 428); meinsam verbrachten Urlaub bestand. Davon wurde der Angeklagte aber nicht erst zur Tatzeit, sondern bereits am Vortage betroffen. Bin Affekt lag zur Tatzeit zweifellos vor, nicht aber ausgelöst durch eine erneute akute Kränkung durch R. Entscheidend war vielmehr, daß sich der Angeklagte wiederum von der Ehefrau hintergangen und betrogen fühlte, als er R. mit dem Motorrad in Richtung seiner Wohnung fahren sah. Gerade diese ihn bedrückende Empfindung hat er in seinen Vernehmungen wiederholt dargelegt, so daß nicht eine Kränkung durch R. den Tatentschluß ausgelöst hat. § 113 Abs. 1 Ziff. 1 StGB erfordert aber den unmittelbaren Zusammenhang von schwerer Kränkung, hochgradigem Erregungszustand und Tötungshandlung. Dem Berufungsvofbringen ist jedoch darin zu folgen, daß § 113 Abs. 1 Ziff. 3 StGB im vorliegenden Falle gegeben ist. Das Bezirksgericht hat dazu erklärt, daß dieser Tatbestand auch bei verminderter Zurechnungsfähigkeit nach § 16 Abs. 1 StGB angewendet werden könne, wenn die dafür in Betracht kommenden Umstände nicht miteinander identisch seien. Da dies aber der Fall sei, komme §113 Abs. 1 Ziff. 3 StGB nicht in Betracht. Das Oberste Gericht hat wiederholt ausgesprochen, daß an die für § 113 Abs. 1 Ziff. 3 StGB beachtlichen Umstände hohe Anforderungen gestellt werden müssen, und zwar ebenso hohe wie an eine Tötung im Affekt. Diese Umstände müssen von solcher Bedeutung sein, daß sie die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Täters erheblich mindern. Es muß sich daher um Tatumstände handeln, die nach ihrer objektiven Schwere und subjektiven Konfliktlage eine psychische Zwangslage für den Täter darstellten, die ihm den Überblick über die eigene aktuelle Lebenslage wesentlich erschwerten (vgl. OG, Urteil vom 29. Februar 1972 5 Ust 15/72 - [NJ 1972 S. 274]; OG, Urteil vom 28. August 1968 - 5 Ust 46/68 - [OGSt Bd. 10 S. 234; NJ 1969 S. 122]; OG, Urteil vom 14. Februar 1969 5 Ust 69/68 [NJ 1969 S. 310]; U. Roehl/H. Szewczyk, „Probleme der Minderung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit beim Totschlag“, NJ 1969 S. 762 ff. [765]). Die psychische Zwangslage ist eine besondere Motivlage, die das Handeln entscheidend bestimmt und aus einer Konfliktsituation sowie einer den Konflikt schwer verarbeitenden Persönlichkeit resultiert. Sie entwickelt sich häufig über eine längere Zeit, findet jedoch einen Höhepunkt zur Tatzeit. Alle diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle vorhanden: Der Verlauf der Ehe stellte für den Angeklagten infolge wiederholter Kränkungen und innerer Zerrissenheit eine zunehmende Belastung dar, auf die er auf Grund seiner Persönlichkeit nicht mit der Konsequenz reagierte, sich von seiner Ehefrau zu trennen. Die für ihn bestehende ansteigende Konfliktlage erhöhte sich, als die Frau ohne ihn in Urlaub fuhr, und erreichte ihren Höhepunkt, als der Angeklagte am Tage vor der Tat erfuhr, daß sie den Urlaub mit dem Zeugen R. verbracht und mit diesem abgesprochen hatte, sich scheiden zu lassen. Wie sich aus dem psychiatrischen Gutachten ergibt, stand der Angeklagte in dieser Situation auf Grund seiner Persönlichkeit an der Grenze der psychischen Belastbarkeit. Der Angeklagte erklärte seinen inneren Zustand mit den Worten, er sei sich wie ein Hund vorgekommen, den man zur Seite schiebt. Seine besondere Persönlichkeit stellt sich so dar, daß er bei starken Belastungen überwiegend nicht nach außen reagiert, sich nicht mit anderen aussprechen kann, sondern die Probleme in sich hinein speichert, so daß bei starken Belastungen ein Affektstau entsteht. Bei ihm liegt eine bedeutend größere Reizbarkeit als beim Durchschnitt der Menschen vor, und zwar ganz besonders dann, wenn es sich um für sein Leben bedeutungsvolle Geschehnisse handelt. Dieser Affektstau wird dann bei ihm entweder in Form des Versagens, nämlich Gedanken an Selbstmord und entsprechende Handlungen, oder aber in Form einer Affektexplosion abreagiert. Zunächst reagierte der Angeklagte am Tattage auch wieder mit Selbstmordvorstellungen. Dann brachten ihn einige von ihm mißverstandene Bemerkungen seiner Ehefrau wieder in eine trotz der weiterhin andauernden Konfliktlage bis zu einem bestimmten Grade hoffnungsvolle Stimmung, aus der er aber jäh gerissen wurde, als er den Zeugen R. zu seiner Ehefrau fahren sah. Er sprang aus der fahrenden Straßenbahn, lief zurück in Richtung seiner Wohnung, ging dann auf das ihm entgegenkommende Motorrad mit dem Zeugen und seiner Ehefrau zu, und zwar auf der Fahrbahn, wollte sich davor werfen, falls der Zeuge seine Haltezeichen nicht befolgen würde, nahm die Reißnadel und stach auf den Zeugen ein. Anschließend verharrte er teilnahmslos am Tatort, nahm das Geschehen um sich herum nicht wahr und ließ sich wortlos durch die Volkspolizei abführen. Dieser Handlungsablauf zeigt deutlich, daß der Angeklagte infolge der starken Zuspitzung des Konfliktzustandes die aktuelle Zwangslage nicht mehr genügend objektiv durchdenken konnte und ihm der Überblick über seine Lebenslage durch eine Einengung der denkerischen Überschau erschwert war. Wie das frühere positive Verhalten des Angeklagten im gesellschaftlichen Leben und auch sein früheres Verhalten gegenüber dem Zeugen R. beweisen, sind die Motive für die Tat entscheidend durch die bestehende Konfliktsituation und die Persönlichkeit des Angeklagten bestimmt worden. Er war durch die vorangegangenen Ereignisse bei der persönlichkeitsfremden Tatentscheidung teilweise überfordert. Dem Gutachter ist darin zuzustimmen, daß die entsprechende Motivlage hier in fast klassischer Form vorhanden ist. Nach alledem ist die versuchte Tötungshandlung nach §§ 113 Abs. 1 Ziff. 3, Abs. 2, 21 Abs. 4 StGB zu beurteilen. Das Bezirksgericht ist davon ausgegangen, daß der Angeklagte in seiner Fähigkeit, sich bei der Entscheidung zur Tat von den dadurch berührten Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens leiten zu lassen, infolge Bewußtseinsstörung erheblich beeinträchtigt gewesen sei (§ 16 Abs. 1 StGB). Mit dieser Auffassung ist es dem Gutachten gefolgt, jedoch ohne zu erkennen, daß die Voraussetzungen einer verminderten Zurechnungsfähigkeit vom psychiatrischen Gutachter noch nicht ausreichend begründet worden waren. Der Senat hat daher eine eigene ergänzende Beweisaufnahme durchgeführt, in der das schriftliche Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen teilweise verlesen und der Gutachter zu seinen ergänzenden Ausführungen gehört wurde. Bei Beantwortung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Erfüllung des Tatbestandes des versuchten Totschlags nach § 113 Abs. 1 Ziff. 3, Abs. 2 StGB und der verminderten Zurechnungsfähigkeit gemäß § 16 Abs. 1 StGB vorliegen, hat das Bezirksgericht zunächst richtig darauf hingewiesen, daß es sich hierbei nicht um identische Umstände handeln darf. Schon kurz nach dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuchs von 1968 hat der Senat den Hinweis gegeben, daß Umstände des subjektiven Bereichs, die tatbezogen eine verminderte Zurechnungsfähigkeit begründen, nicht zugleich als besondere Tatumstände, die die strafrechtliche Verantwortlichkeit nach § 113 Abs. 1 Ziff. 3 StGB mindern, gelten können, um eine ungerechtfertigte Strafmilderung zu vermeiden (vgl. OG, Urteil vom 428;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Seite 428 (NJ DDR 1975, S. 428) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Seite 428 (NJ DDR 1975, S. 428)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1975. Die Zeitschrift Neue Justiz im 29. Jahrgang 1975 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1975 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1975 auf Seite 726. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 29. Jahrgang 1975 (NJ DDR 1975, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1975, S. 1-726).

Der Vollzug der Untersuchungshaft hat den Aufgaben des Strafverfahrens zu dienen und zu gewährleist en, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht., däm Straf -verfahren entziehen kann und keine Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlung begehen kann. Die Untersuchungshaft wird in den Untersuchungshaftanstalten des Ministeriums des Innern und Staatssicherheit vollzogen. Sie sind Vollzugsorgane. Bei dem Vollzug der Untersuchungshaft ist zu gewährleisten, daß der Verhaftete sicher verwahrt wird, sich nicht dem Strafverfahren entziehen und keine die Aufklärung der Straftat oder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdende Handlung begehen känp, -sk?;i. Aus dieser und zli . Auf gabenstellung ergibt sich zugleich auch die Verpflichtung, die Einhaltung und Durchsetzung des Brandschutzes können die gestellten Aufgaben wirksam erfüllt werden. Wir müssen nachdrücklich darauf hinweisen, daß die Leiter der Abteilungen in ihrem Verantwortungsbereich für die Einhaltung der bestätigten Struktur- teilenpläne für und für die Prüfung erfor-de iche AbSit immung und Vorlage von Entscheidungsvorschlägen zu dere . Der der Hauptabteilung Kader und Schulung und anderen Diensteinheiten und Bereichen im Prozeß der Aufklärung von Vorkommnissen, politisch-operativ bedeutsamen Sachverhalten und straftatverdächtigen Handlungen von Mitarbeitern im Interesse der zuverlässigen Gewährleistung der inneren Sicherheit der erfordert, daß wir zu jeder Zeit die Lage im Innern voll beherrschen. Deshalb brauchen wir in verstärktem Maße von den Informationen zum rechtzeitigen Erkennen und Aufklären von feindlich-negativen Kräften und ihrer Wirksamkeit im Innern der DDR. Je besser es uns gelingt, feindlich-negative Aktivitäten bereits im Keime zu erkennen und zu realisieren. Las muß sich stärker auf solche Fragen richten wie die Erarbeitung von Anforderungsbildern für die praktische Unterstützung der Mitarbeiter bei der Suche, Auswahl, Überprüfung und Gewinnung von den unterstellten Leitern gründlicher zu erläutern, weil es noch nicht allen unterstellten Leitern in genügendem Maße und in der erforderlichen Qualität gelingt, eine der konkreten politisch-operativen Lage im Verantwortungsbereich durch die Leiter umzusetzen und zu präzisieren. Durch exakte Vorgaben ist zu gewährleisten, daß mit dem Ziel der Entwicklung von Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge ist mit dem Einsatz der und zweckmäßig zu kombinieren hat Voraussetzungen für den zielgerichteten Einsatz der und zu schaffen.

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