Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1975, Seite 427

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Seite 427 (NJ DDR 1975, S. 427); §§ 112 Abs. 1 und 113 Abs. 1 Ziff. 1 oder 3 StGB sowie für eine verminderte Zurechnungsfähigkeit gemäß § 16 Abs. 1 StGB zu klären, so haben sich die Prüfung und Entscheidung zunächst auf die Tatbestände und dann darauf zu erstrecken, ob Umstände vorliegen, die eine verminderte Zurechnungsfähigkeit begründen. OG, Urteil vom 18. Februar 1975 5 Ust 1/75. Der 24 Jahre alte Angeklagte heiratete im Jahre 1969. Seine damals 19 Jahre alte Ehefrau empfand die Ehe bereits nach einigen Monaten als belastend und ging häufig allein aus. Im Frühjahr 1972 hatte sie ein Verhältnis zu einem anderen Mann, infizierte sich dabei mit einer Geschlechtskrankheit und steckte den Angeklagten an. Dieser söhnte sich jedoch wieder mit ihr aus. Später kam es zu zum Teil tätlichen Auseinandersetzungen, vor allem, weil sich die Zeugin beim Ausgehen oft mit anderen Männern abgab. Da der Angeklagte sehr an seiner Ehefrau und seinem Sohn hing, zog er eine Scheidung nie in Erwägung, sondern dachte an Selbstmord. Die Ehefrau nahm im März 1974 intime Beziehungen zu dem Zeugen R. auf. Obwohl sie für Juni 1974 einen Ferienplatz für drei Personen erhalten hatte, erklärte sie im Mai, allein mit dem Kind fahren zu wollen. Bei den folgenden Auseinandersetzungen, bei denen sie auch von Scheidung sprach, hatte der Angeklagte den Eindruck, daß sie allein sein wollte, um sich zu entspannen und über alles nachdenken zu können. Er glaubte, daß sie dann von einer Scheidung absehe. Der Angeklagte verzichtete auf die Urlaubsreise. Er renovierte während dieser Zeit die Wohnung, um seiner Ehefrau eine Freude zu bereiten. Als die Ehefrau am 15. Juni 1974 aus dem Urlaub zurückkehrte, wurde der Angeklagte von seinem Kind mit „Onkel Lutz“ angesprochen. Auf seine Frage erfuhr er von seiner Ehefrau, daß sie den Urlaub mit dem Zeugen R. verbracht und mit diesem vereinbart habe, Scheidungsklage einzureichen. Der Angeklagte war davon sehr betroffen, verhielt sich im Gegensatz zu früheren gelegentlich temperamentvollen Auseinandersetzungen jedoch ruhig. Er erklärte, daß er sich nicht scheiden lassen und nicht auf das Kind verzichten wolle. Am Vormittag des 16. Juni 1974 teilte der Angeklagte seiner Ehefrau mit, er werde sich einer Ehescheidung nicht widersetzen und die Wohnung sofort verlassen. Seine Ehefrau erwiderte, er wisse doch gar nicht, wohin er gehen könne, und sie werde zunächst weiter für ihn sorgen. Daraus entnahm er, daß sie noch nicht alles Interesse an ihm verloren habe. Er war, aber so stark deprimiert, daß er sich mit Selbstmordabsichten trug. Vorher wollte er jedoch noch jnit dem Zeugen R. abrechnen, weil dieser seine Ehe zerstört habe. Er steckte deswegen eine Reißnadel von 22 cm Länge in seine Jackentasche, hatte aber noch keine klaren Vorstellungen, ob er den Geschädigten töten werde, weil er auf Grund des Verhaltens seiner Ehefrau immer noch hoffte, die Situation könne sich zu seinen Gunsten wenden. Er wollte sich daher zunächst mit dem Geschädigten aussprechen. Kurz vor 13 Uhr verließ er die Wohnung. Die Reißnadel ließ er in der Jackentasche, um sie eventuell gegen den Zeugen zu verwenden, falls ihn dieser verhöhnen sollte, oder um damit seine Selbstmordabsichten zu verwirklichen. Klare Vorstellungen darüber hatte er auf Grund seines psychischen Zustandes nicht. Die Ehefrau hatte dem Angeklagten gesagt, sie wolle zu ihren Eltern fahren. Der Angeklagte hatte das so verstanden, daß sie gemeinsam fahren würden. Sie verließ jedoch erst nach ihm die Wohnung, um sich mit dem Zeugen R. zu treffen. Der Angeklagte sah von der Straßenbahn aus R. mit 'dem Motorrad in Richtung seiner Wohnung fahren. Er dachte, daß er erneut von seiner Ehefrau belogen worden sei, sprang von der Straßenbahn ab und lief den Weg zurück. Kurz danach kam ihm der Zeuge entgegen. Auf dem Sozius des Motorrades erkannte der Angeklagte seine Ehefrau. Er lief auf der Fahrbahn direkt auf das Motorrad zu und gab mit der Hand Haltezeichen. Ohne ein Wort zu sagen, stach er mit der Reißnadel dem Zeugen R. in die Brust. R. hielt den Angeklagten am Handgelenk fest; dieser riß sich jedoch los und stach ein zweites Mal zu. Daraufhin brach R. zusammen. Der Angeklagte wartete am Tatort, bis ein Funkstreifenwagen eintraf und ließ sich widerspruchslos abführen. Der Zeuge R. wurde sofort untersucht und kurze Zeit später operiert, weil eine schwere Verletzung der inneren Organe des Brustkorbes und somit hohe Lebensgefahr eingetreten war. Es bestand eine Unterblutung der linken Lungenwurzel, eine Blutansammlung im Thorax und eine Herzbeuteltamponade. R. wurde vom 16. Juni bis 5. Juli 1974 stationär und danach ambulant behandelt. Bis zum 3. November 1974 war er arbeitsunfähig. Der derzeitige Körperschaden wird auf 25 Prozent geschätzt. Für Nachfolgeschäden liegen keine Anzeichen vor. Auf Grund dieses Sachverhalts wurde der Angeklagte wegen versuchten Mordes (Verbrechen nach § 112 Abs. 1 und 3 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung wird vorgetragen: Das Bezirksgericht habe teilweise den Sachverhalt unrichtig festgestellt. Es liege bedingter Tötungsvorsatz vor. Neben § 16 Abs. 1 StGB seien auch die Voraussetzungen des § 113 Abs. 1 Ziff. 1 und 3 StGB gegeben. Außerdem sei eine außergewöhnliche Strafmilderung wegen Versuchs zu Unrecht abgelehnt worden. Die Berufung führte zur Abänderung des Urteils des Bezirksgerichts im Schuld- und Strafausspruch. Aus den Gründen: Der Beweisführung des Bezirksgerichts, daß sich der Angeklagte am Vormittag vor der Tat noch nicht fest zur Tötung des Zeugen R. entschlossen hatte, sondern der Tatentschluß bei ihm entstand, als er den Zeugen mit seiner Ehefrau auf dem Motorrad sah, ist zuzustimmen. Der Tathergang und die dazu führenden Vorgänge sind im erforderlichen Umfang in ihren wesentlichen Zusammenhängen aufgeklärt und richtig festgestellt worden. Das Bezirksgericht hat zutreffend zugrunde gelegt, daß der Angeklagte sich bewußt zur Tötungshandlung entschieden hatte (§ 6 Abs. 1 StGB). Der Angeklagte hat bei seiner Tat die Tötung des Zeugen R. angestrebt. Das ergibt sich sowohl aus dem verwendeten Gegenstand und der Lage der Stichwunden als auch aus dem Geständnis des Angeklagten im Ermittlungsverfahren über sein Ziel. Wenn mit der Berufung vorgebracht wird, einem solchen Vorsatz stehe die hochgradige Erregung entgegen, werden die unterschiedlichen Probleme des Vorsatzes, der verminderten Zurechnungsfähigkeit und der Voraussetzungen des § 113 StGB vermengt. Bei der rechtlichen Beurteilung der Tötungshandlung ist zunächst zu prüfen, ob der Tatbestand des versuchten Mordes (§ 112 StGB) oder der des versuchten Totschlags (§ 113 Abs. 1 Ziff. 1 oder 3 StGB) gegeben ist. Erst danach kann dazu übergegangen werden zu prüfen, ob Umstände gemäß § 16 Abs. 1 StGB vorliegen, die die Schuld und damit die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Täters mindern. Es ist im Interesse einer folgerichtigen Entscheidung und Begründung erforderlich, im Urteil ebenso vorzugehen. Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 1 Ziff. 1 StGB liegen im Gegensatz zur Auffassung der Verteidigung nicht vor. Das Bezirksgericht ist richtig zu diesem Ergebnis gelangt. Der Verteidigung ist zwar darin zuzustimmen, daß auch von seiten des Zeugen R. eine schwere Kränkung für den Angeklagten vorlag, die in dem heimlich mit der Ehefrau des Angeklagten ge- 427;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Seite 427 (NJ DDR 1975, S. 427) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Seite 427 (NJ DDR 1975, S. 427)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1975. Die Zeitschrift Neue Justiz im 29. Jahrgang 1975 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1975 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1975 auf Seite 726. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 29. Jahrgang 1975 (NJ DDR 1975, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1975, S. 1-726).

Die Leiter der Bezirksverwaltungen Kreisdienststellen gewährleisten eine ständige Verbindung zum Leiter der Bezirks KreisInspektion der ABI. In gemeinsamen Absprachen ist der Kräfteeinsatz zu koordinieren, um damit beizutragen, die vOn der Partei und Regierung zu sichern. Die erfolgreiche Bewältigung der Aufgaben, die sich daraus für alle Untersuchungskollektive ergaben, erforderte, die operative Lösung von Aufgaben verstärkt in den Mittelpunkt der Leitungstätigkeit gestellt werden. Das erfordert : klare Zielstellungen. exakte Planung. planmäßige Durchführung der Arbeit durch jeden Leitungskader entsprechend seiner Verantwortung. Auch die Arbeit ist in die Lösung der Aufgaben zur Einschätzung der Wiei den einzubeziehen. Den Auswertungsorganen, aufgabenstellung insbesondere Aufgaben zu über der Gewährleistung einer ständigen Übersi Aufwand über die Ergebnisse der zu gewährleisten und sind verantwortlich, daß beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen rechtzeitig die erforderlichen Entscheidungen zum Anlegen Operativer Vorgänge getroffen werden. Die Zusammenarbeit der operativen Diensteinheiten zur Entwicklung von Ausgangsmaterialien und die ständige Information des Leiters der Diensteinheit über den erreichten Stand der Bearbeitung. Die Einleitung und Nutzung der operativen Personenkontrolle zur Entwicklung von Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge genutzt angewandt und in diesen Prozeß eingeordnet wird. Ausgehend von der Analyse der operativ bedeutsamen Anhaltspunkte zu Personen und auf der Grundlage exakter Kontrollziele sind solche politisch-operativen Maßnahmen festzulegen und durchzuführen, die auf die Erarbeitung des Verdachtes auf eine staatsfeindliche Tätigkeit ausgerichtet sind. Bereits im Verlaufe der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens alles Notwendige qualitäts- und termingerecht zur Begründung des hinreichenden Tatverdachts erarbeitet wurde oder ob dieser nicht gege-. ben ist. Mit der Entscheidung über die G-rößenordnur. der Systeme im einzelnen spielen verschiedene Bedingungen eine Rolle. So zum Beispiel die Größe und Bedeutung des speziellen Sicherungsbereiches, die politisch-operativen Schwerpunkte, die Kompliziertheit der zu lösenden politisch-operativen Auf-Isgäben, den damit verbundenen Gefahren für den Schulz, die Konspiration. lind Sicherheit der von der Persönlichkeit und dem Stand der Erziehung und Befähigung der ihm unterstellten Mitarbeiter zur Lösung aller Aufgaben im Raloraen der Linie - die Formung und EntjfidEluhg eines tschekistisehen Kanyko elltive.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X