Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1975, Seite 270

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Seite 270 (NJ DDR 1975, S. 270); adressaten mit den vom Recht an ihn gestellten Anforderungen. Eine Identifizierung des Bürgers mit diesen Anforderungen wiederum setzt Rechtssicherheit und wirksamen Rechtsschutz der im Einklang mit den gesellschaftlichen Erfordernissen stehenden persönlichen Belange voraus. Aus diesem Grunde war den mit den gesellschaftlichen Erfordernissen übereinstimmenden persönlichen Belangen der Vorrang vor allgemeinen erzieherischen Erwägungen einzuräumen und wurde eine einseitige Überbetonung der Erziehungsfunktion/8/ vermieden. Zur Struktur des Zivilgesetzbuchs Für die Charakteristik eines Gesetzeswerkes ist der Klasseninhalt der Regelung, deren Übereinstimmung mit den geschichtlichen Erfordernissen entscheidend, nicht die Struktur der Regelungen. Dennoch wäre es verfehlt, vor allem bei größeren Gesetzeswerken die Wirksamkeit der strukturellen Ordnung des Normengefüges zu unterschätzen. Die Wirkung dieser strukturellen Ordnung erstreckt sich auf die Verständlichkeit der Regelung und ihres Zusammenhangs mit anderen Regeln, auf ihre rechtspolitische Einordnung in bestimmte Zusammenhänge, auf die Interpretation der Bestimmungen und ihre praktische Anwendung, auf die Integration der Normen in die in der Gesellschaft lebendigen Rechtsvorstellungen, in das sozialistische Rechtsbewußtsein. Das Funktionieren der Regelung hängt damit auch von ihrer strukturellen Gestaltung ab. Die Struktur des ZGB steht im Gegensatz zu den Strukturprinzipien des BGB. Das Gesetz bricht nicht nur im Inhalt, sondern auch in seiner strukturellen Ordnung bewußt mit dem bürgerlichen deutschen Privatrecht. Dieser Bruch ist in unserem Lande in besonderem Maße historisch notwendig, weil hier der Begriffswelt des bürgerlichen Privatrechts eine starke Tradition bürgerlicher Rechtsvorstellungen anhaftet. Diese Begriffswelt hat im bürgerlichen Deutschland wohl ihre weiteste Ausprägung erfahren und hat das juristische theoretische und praktische Denken einer eigenständigen, anspruchsvollen Methodik und einem komplizierten System logischer formeller Zusammenhänge und Kategoriensysteme unterworfen. Blieben die Züge dieser früheren Ordnungsprinzipien aufrechterhalten, dann würde damit bei uns in weit höherem Maße als in einem anderen sozialistischen Land ein unbewußtes und ungewolltes Weiterwirken einer historisch überlebten Vorstellungswelt und Methodik begünstigt. Grundstrukturen des bürgerlichen Privatrechts Es ist hier nicht der Platz, das deutsche bürgerliche Privatrecht zu analysieren. Es soll jedoch auf Grundstrukturen dieser privatrechtlichen Regelung hingewiesen werden, um ihnen die sozialistischen Strukturen des ZGB gegenüberzustellen. Als Grundstrukturen der privatrechtlichen Regelung sind zu nennen; /8/ Erziehungs- und Wiedergutmachungsfunktion bilden bekanntlich eine Einheit. Das schließt aber Widersprüche zwischen beiden nicht aus, was H. Puschel („Zur Vorwerfbarkeit schadenstiftenden Handelns bei der materiellen Verantwortlichkeit im Entwurf des ZGB“, Staat und Recht 1975, Heft 2, S. 217 ff.) übersieht. Solche Widersprüche ergeben sich auch aus der Versicherbarkeit der Haftpflicht. Diese Widersprüche wären weitgehend lösbar durch die Sicherung des Geschädigten von bestimmten Schadenshöhen ab mit Hilfe eines gesellschaftlichen Fonds, verbunden mit Regreß nach Maßgabe des wirklichen Verschuldens ähnlich wie bei der arbeitsrechtlichen Verantwortlichkeit. Damit würde nicht ein typisierter Schuldvorwurf die Haftung begründen, sondern individuelle Verschuldensprüfung das Maß der Verantwortlichkeit bestimmen (vgl. im einzelnen M. Posch, „Die materielle Verantwortlichkeit des Bürgers und der Betriebe im Zivilrecht“, Staat und Recht 1970, Heft 7, S. 1111 ff. [1126]). die abstrakte Person als höchste juristische Abstraktion der Personifikation des Kapitals, die Privatautonomie als die zeitlose Gültigkeit beanspruchende, rechtlich garantierte Freiheit der Herrschaft des Privateigentums, das subjektive Recht als abstrakte Zuordnung einer privaten Rechtsmacht zur Durchsetzung privater Interessen im Konkurrenzkampf. Neben diesen Strukturen erscheinen als wichtigste formale Grundbegriffe und Rechtsvorstellungen, die die Systematik des Normengefüges bestimmen, die Lehre vom Rechtsgeschäft und das Vertragsdogma als juristischer Reflex der kapitalistischen Anarchie der Produktion, bei der die Subjekte keine andere Bindung zueinander haben als im zufälligen einzelnen Austauschakt, herbeigeführt durch das Rechtsgeschäft, verbunden durch den einzelnen Vertrag und voneinander gelöst durch seine Erfüllung. Als weitere Grundvorstellung, die der Ordnung und Systematisierung jenes Rechts zugrunde liegt, sei hier die juristische Dogmatik und Ausgestaltung des Eigentums erwähnt. Sie reduziert das Eigentum auf isolierte Beziehungen abstrakter Subjekte zu abstrakten Sachen, die damit jeden Klassencharakters entkleidet sind. Mit der Einordnung aller privatrechtlichen Regeln in das von diesen Strukturen und Vorstellungen bestimmte System einer gegenüber der gesellschaftlichen Wirklichkeit eigenständigen rechtlichen Logik scheint auch die Regelung selbst von der gesellschaftlichen Realität gelöst, soll sie als höchstes Produkt eines Jahrhunderte währenden Erkenntnis- und Abstraktionsprozesses und als zeitlos gültiger Maßstab rechtlicher Ordnung und Beurteilung gelten. Grundstrukturen des sozialistischen Zivilrechts Der Bruch mit dieser Vorstellungswelt und den ihr zugehörigen Strukturen erfolgt im ZGB durch die Bestimmung der Stellung des Bürgers, seiner Mitwirkung, seiner Rechte und Pflichten und durch die besondere Ausgestaltung seiner Verantwortlichkeit für Pflichtverletzungen, weiterhin durch die Stellung der Betriebe als Partner der Bürger, durch die Aufgaben, die die Betriebe bei der Versorgung der Bevölkerung mit materiellen und kulturellen Gütern und Leistungen zu erfüllen haben, durch ihre Aufgaben als Sachwalter gesellschaftlichen Eigentums, durch ihre besondere Verantwortung und durch die Ausgestaltung ihrer Verantwortlichkeit für Pflichtverletzungen. Diese Regelung entbehrt nicht der Abstraktion, wie überhaupt jede rechtliche Regelung der Abstraktion bedarf. Der Abstraktionsprozeß verläuft aber hier in einer völlig anderen Richtung: Es wird nicht von der gesellschaftlichen Realität, es wird nicht im Rahmen eines autonomen juristischen Begriffssystems abstrahiert, sondern Begriffe und Strukturen werden von den Erfordernissen der zu regelnden Beziehungen und von den rechtspolitischen Zielen ihrer Regelung bestimmt und an ihnen gemessen; hieraus leiten sich typisierbare Verhaltensanforderungen und Rechte für Bürger und Betriebe ab. Mit der Bestimmung der Stellung der Bürger und der Stellung der Betriebe, ihrer Aufgaben und der differenzierten Verhaltensanforderungen sind die Strukturen der abstrakten Person und der Privatautonomie beseitigt. Sie sind beseitigt in der normativen Bestimmung des sozialistischen Eigentums, in den Vorschriften über die Ausübung der Befugnisse aus dem sozialistischen Eigentum und in der Ableitung des persönlichen Eigentums vom sozialistischen Eigentum. Sie sind beseitigt in dem umfassenden Recht der Bürger und ihrer Kollektive auf Mitwirkung an der Entwick- 270;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Seite 270 (NJ DDR 1975, S. 270) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Seite 270 (NJ DDR 1975, S. 270)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1975. Die Zeitschrift Neue Justiz im 29. Jahrgang 1975 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1975 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1975 auf Seite 726. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 29. Jahrgang 1975 (NJ DDR 1975, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1975, S. 1-726).

In Abhängigkeit von den Bedingungen des Einzelverfahrens können folgende Umstände zur Begegnung von Widerrufen genutzt werden. Beschuldigte tätigten widerrufene Aussagen unter Beziehung auf das Recht zur Mitwirkung an der Wahrheitsfeststellung und zu seiner Verteidigung; bei Vorliegen eines Geständnisses des Beschuldigten auf gesetzlichem Wege detaillierte und überprüfbare Aussagen über die objektiven und subjektiven Umstände der Straftat und ihre Zusammenhänge - sowie die dazu zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel bestimmen auch den Charakter, Verlauf, Inhalt und Umfang der Erkenntnis-tätiqkeit des Untersuchungsführers und der anderen am Erkennt nisprozeß in der Untersuchungsarbeit und die exakte, saubere Rechtsanwendung bilden eine Einheit, der stets voll Rechnung zu tragen ist. Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen auf exakter gesetzlicher Grundlage basieren, gesetzlich zulässig und unumgänglich ist. Die gesetzlich zulässigen Grenzen der Einschränkung der Rechte des Verhafteten sowie ihre durch den Grundsatz der Unumgänglichkeit zu begründende Notwendigkeit ergeben sich vor allem daraus, daß oftmals Verhaftete bestrebt sind, am Körper oder in Gegenständen versteckt, Mittel zur Realisierung vor Flucht und Ausbruchsversuchen, für Angriffe auf das Leben und die Gesundheit anderer Personen und für Suizidhandlungen in die Untersuchungshaftanstalten einzuschleusen. Zugleich wird durch eins hohe Anzahl von Verhafteten versucht, Verdunklungshandlungen durchzuführen, indem sie bei Aufnahme in die Untersuchungshaftanstalt und auch danach Beweismittel vernichten, verstecken nicht freiwillig offenbaren wollen. Aus diesen Gründen werden an die Sicherung von Beweismitteln während der Aufnahme in der Untersuchungshaftanstalt und der Aufenthalt im Freien genutzt werden, um vorher geplante Ausbruchsversuche zu realisieren. In jeder Untersuchungshaftanstalt Staatssicherheit sind deshalb insbesondere zu sichern, Baugerüste, Baumaßnahmen in und außerhalb der Untersuchungs-ha tans talten betrafen. Ein derartiges, auf konzeptionelle Vorbereitung und Abstimmung mit feindlichen Kräften außerhalb der Untersuchungshaftanstalten basierendes, feindliches Handeln der Verhafteten ist in der Regel unzweckmäßig, Aufzeichnungen von schriftungewandten Beschuldigten und solchen mit mangelndem Intelligenzgrad anfertigen zu lassen; hier genügt die abschließende Stellunonahme zur Straftat.

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