Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1975, Seite 150

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Seite 150 (NJ DDR 1975, S. 150); jektiven Faktoren der Tat besser erkennbar. Es ist dem psychiatrischen Sachverständigen jedoch zuzustimmen, daß dennoch die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bereits so weit eingeschränkt war, um Zurechnungsunfähigkeit nicht sicher ausschließen zu können. Die Tatsache, daß der Angeklagte im Vollrausch gehandelt hat (§ 15 Abs. 3 StGB), war für die Prüfung, nach welchen verletzten Tatbeständen der Angeklagte zu bestrafen war, bedeutungsvoll. Das Bezirksgericht ist zu dem richtigen Ergebnis gelangt und hat den Angeklagten zutreffend wegen versuchten Mordes (Verbrechen gemäß § 112 Abs. 1 und 3 StGB) und Widerstands gegen staatliche Maßnahmen in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (Vergehen gemäß §§212 Abs. 1, 115 Abs. 1 StGB) verurteilt. Zunächst war zu untersuchen, welche subjektiven Momente dem Verhalten des Angeklagten gegen den Geschädigten zugrunde lagen. Das Bezirksgericht hat richtig erkannt, daß es um die Feststellung des natürlichen Verhaltensentschlusses geht, mithin um jene subjektiven Momente, die auch beim Handeln im Vollrausch noch vorliegen und eine gewisse Zielrichtung, einen subjektiven Grund des Verhaltens erkennen lassen. Im Bericht des Präsidiums an die 6. Plenartagung des Obersten Gerichts zu Problemen der strafrechtlichen Schuld vom 28. März 1973 (NJ-Beilage 3/73 zu Heft 9) ist aus den Erfahrungen der Rechtsprechung und zur einheitlichen Orientierung der Gerichte darauf hingewiesen worden, daß ein durch Vollrausch zurechnungsunfähiger Täter durchaus mit seinem Verhalten noch ein gewisses, zumeist unkompliziertes Ziel zu verfolgen vermag. Eine subjektive Grundlage des Verhaltens des Täters im Vollrausch ist der natürliche Verhaltensentschluß, in den bestimmte Wahrnehmungen, Eindrücke, Zielverfolgungen eingehen. Erst durch die Prüfung der noch verbliebenen subjektiven Momente im Handeln des Täters ist es möglich, den strafrechtlichen Tatbestand zu bestimmen, den der Täter verletzt hat, wenn sich die verschiedenen Tatbestände voneinander nur durch die subjektiven Merkmale unterscheiden, wie bei der Abgrenzung von fahrlässigen zu vorsätzlichen Körperverletzungen oder von Körperverletzungen zu Tötungen. Die Frage nach den vom Angeklagten verletzten Tatbeständen läßt sich demnach nicht allein aus dem objektiven Tatgeschehen beantworten. Insoweit ist für den ersten Tatkomplex richtig begründet worden, daß der Angeklagte beim Zustechen mit dem Messer aus maßloser Wut und Verärgerung gehandelt hat. Er nahm durchaus wahr, daß er eine gefährliche Stichwaffe nahm und gegen einen Menschen anwendete. Der Stich erfolgte durchaus nicht als Reflexbewegung oder unkontrolliert. Der Angeklagte stach in Halshöhe auf den Geschädigten ein. Überhaupt war nach den Zeugenaussagen ein zielbestimmtes Verhalten des Angeklagten auch nach seinen Äußerungen erkennbar. Das verbliebene Wahmehmungs- und Erinnerungsvermögen des Angeklagten hat ihm im Ermittlungsverfahren erlaubt, über seine Wahrnehmungen und Eindrücke Aussagen zu machen, wenn er in der Hauptverhandlung auch teilweise Erinnerungslosigkeit behauptet hat. Die Richtigkeit der Angaben zeigt sich darin, daß diese in wichtigen Details mit den Aussagen der Zeugen übereinstimmen. Auch zur Zielrichtung seines Verhaltens hat er Angaben gemacht, die anhand des konkreten Vorgehens als richtig erkennbar sind. Dem Angeklagten war noch bewußt, welche Personen er in der Nachbarwohnung erkannt hatte, daß er Frau und Tochter aufgefordert hatte, in die Wohnung zurückzukommen, daß er der Tochter Schläge angedroht und sich seine Verärgerung gesteigert hatte, weil er jedesmal wieder vom Zeugen R. aus der Wohnung der Nachbarn geschoben worden war. Aus Wut darüber hat er das Messer ge- holt und gezielt auf den Geschädigten eingestochen, der ihn aus der Wohnung schieben wollte und auch schon vorher beruhigend auf ihn eingeredet hatte. Irgendeine Zurückhaltung bei Art und Wucht des Stichs hat er sich nicht auferlegt, weil ihm alles gleichgültig gewesen ist. Dem Bezirksgericht ist zuzustimmen, daß ein solches gefährliches und zielgerichtetes Verhalten mit der dem Angeklagten völlig gleichgültigen Haltung gegenüber den möglichen Folgen einen Tötungsversuch gemäß § 112 Abs. 1 und 3 StGB darstellt. Zur Erfüllung der Tatbestände der §§ 212 Abs. 1 und 115 Abs. 1 StGB hat das Bezirksgericht keine weiteren Ausführungen gemacht. Das Oberste Gericht hat in einer Entscheidung zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 212 Abs. 1 StGB jedoch darauf aufmerksam gemacht, daß der im Vollrausch Handelnde das Einschreiten der Volkspolizisten erkannt haben und sein Verhalten dagegen gerichtet gewesen sein muß (OG, Urteil vom 19. Juli 1972 - lb Zst 5/72 - NJ 1973 S. 117). Insoweit lagen die entsprechenden subjektiven Momente im Vollrausch auch vor, weil der Angeklagte wahrnahm, daß er von Volkspolizisten abgeführt wurde. Die strafrechtliche Schuld des Angeklagten ist bei Vorliegen eines Rauschzustandes, der die Zurechnungsfähigkeit ausschloß, aus Art und Grad der schuldhaften Herbeiführung dieses Zustandes und in der Wechselwirkung mit dem objektiven Geschehen zu begründen (§§ 15 Abs. 3, 5 Abs. 1 und 3 StGB). Der Angeklagte hat sich am Tattage bewußt damit abgefunden, sich wie des öfteren so stark zu betrinken, daß er völlig die Kontrolle über sein Trinkverhalten verliert. Mit Recht hat das Bezirksgericht bedingten Vorsatz für das Sich-in-den-Rausch-Versetzen begründet. Diese Schuld des Angeklagten ist schwerwiegend, da er als langjähriger Alkoholiker die negativen Wirkungen des Alkoholmißbrauchs kennt, immer wieder im Zustand der Trunkenheit in Konflikt mit der Umwelt geraten war und zahlreiche Aussprachen mit ihm darüber geführt worden sind, ohne daß er Anstrengungen gegen den ständigen Alkoholmißbrauch unternommen hat Das Präsidium des Obersten Gerichts hat in einer Entscheidung vom 18. Juni 1969 I Pr 15 2/69 (unveröffentlicht) zum Ausmaß der strafrechtlichen Schuld bei einem Rauschtäter ausgeführt, daß zwischen notorischen Trinkern bzw. Personen, die ab und zu erhebliche Mengen Alkohol trinken, und solchen Bürgern zu unterscheiden ist die nur ausnahmsweise oder aus besonderem Anlaß übermäßig Alkohol zu sich nehmen. Auch von diesem Gesichtspunkt aus ist die Schuld des Angeklagten hoch. Im psychiatrischen Gutachten ist dargelegt worden, daß trotz des chronischen Alkoholismus beim Angeklagten noch keine krankhafte Sucht Vorgelegen hat. Der Angeklagte verfügt über ein ausreichendes Beherrschungsvermögen, den Alkoholgenuß zu unterlassen. Nur nach Beginn des Trinkens ist sein Steuerungsvermögen in bezug auf den weiteren Alkoholgenuß vermindert. Jedoch auch dieser Umstand war ihm bewußt. Das Bezirksgericht hat verkannt, daß Faktoren, die eine verminderte Zurechnungsfähigkeit (§ 16 Abs. 1 StGB) begründen können, in Beziehung zum schuldhaften Sich-in-den-Rausch-Versetzen stehen müssen, weil nur insofern eine Entscheidung im Sinne strafrechtlicher Schuld vorliegt. Der Angeklagte ist nach den überzeugend und mit Fakten begründeten Ausführungen im psychiatrischen Gutachten ein stark vorgealterter Mann, dessen erheblich veränderte Persönlichkeit eine Einschränkung der Kritikfähigkeit erfahren hat. Er kann sich insbesondere 150;
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Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 29. Jahrgang 1975, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1975. Die Zeitschrift Neue Justiz im 29. Jahrgang 1975 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1975 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1975 auf Seite 726. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 29. Jahrgang 1975 (NJ DDR 1975, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1975, S. 1-726).

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