Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1974, Seite 92

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 92 (NJ DDR 1974, S. 92); am 29. März 1973 hatte der Angeklagte keine Kenntnis, weil er sich seit mehreren Tagen in Urlaub befand. Aus dem vorliegenden Ermittlungsergebnis folgt somit, daß die Angeklagten Sch., F. und Fr. von den für sie auch nicht voraussehbaren Besonderheiten des Transports von Toluol am 29. März 1973 keine Kenntnis hatten, somit auch keine Weisungen für die. Art und Weise des Transports und die damit verbundene Abwendung von Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen geben konnten. Die Unkenntnis von den durch die Besonderheiten an diesem Tage entstandenen Rechtspflichten beruhte bei den Angeklagten nicht auf verantwortungsloser Gleichgültigkeit. Den Angeklagten Sch. und F. war nur bekannt, daß kleine Mengen Toluol in der Uhrmacherwerkstatt verwendet wurden. Über die Art des Transports hatten sie keine Kenntnis. Es ist kein Ausdruck verantwortungsloser Gleichgültigkeit, wenn sie unter- den vorliegenden konkreten Umständen keine Überlegungen darüber angestellt haben, ob diese kleinen Mengen brennbarer Flüssigkeiten auf dem Weg vom Lager zur Werkstatt evtl, auch mit einem Fahrzeug transportiert werden könnten, denn nur für diesen Fall hätten sie gemäß Ziff. 20.22 der Technischen Grundsätze ABAO 850/1 besondere Weisungen erteilen müssen. Tatsächlich wurden die kleinen Mengen grundsätzlich auch in einer Tasche transportiert. Ob die ABAO 850/1 für den Transport von brennbaren Flüssigkeiten in zerbrechlichen Gefäßen bis zu zwei Litern Füllmenge zutrifft, bedarf aus den dargelegten Gründen keiner weiteren Prüfung, wenn auch ansonsten beachtet werden muß, daß nach dieser Rechtsnorm, soweit es in den Technischen Grundsätzen besonders ausgeführt ist, Behälter mit einer Füllmenge bis zu zwei Litern erfaßt werden. Der Angeklagte Fr. hat entgegen der Aussage des Zeugen S. dargelegt, daß die kleineren Mengen Toluol in der Vergangenheit entweder in der Tasche oder mit einem Fahrradanhänger transportiert wurden und beim Transport mit dem Fahrradanhänger keine Sicherheitsvorkehrungen getroffen .wurden. Der Angeklagte Fr. kannte die ABAO 850/1 nicht. In den ihm bei Übernahme der Funktion ausgehändigten Unterlagen über den Gesundheits- und Arbeitsschutz war die ABAO 850/1 nicht enthalten. Hinweise von übergeordneten leitenden Mitarbeitern über den Inhalt und Anwendungsbereich dieser Arbeitsschutz- und Brandschutzanordnung erhielt er nicht. Es ist davon auszugehen, daß aus der jedem leitenden Mitarbeiter eines Betriebes obliegenden Pflicht, den Gesundheits- und Arbeitsschutz im jeweiligen Verantwortungsbereich zu sichern, seine persönliche Verpflichtung folgt, sich das Wissen über die für das konkrete Arbeitsgebiet maßgeblichen arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen zu verschaffen und dieses Wissen ständig zu vervollkommnen. Aus dem Ermittlungsergebnis geht hervor, daß der Angeklagte Anstrengungen unternommen hat, sich auch auf dem Gebiet des Gesundheits- und Arbeitsschutzes die erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen. Die Unkenntnis über die ABAO 850/1 beruhte nicht auf verantwortungsloser Gleichgültigkeit, da diese Bestimmung nicht in den ihm ausgehändigten Unterlagen enthalten war, die Arbeit nur mit kleinen Mengen brennbarer Flüssigkeit erfolgte und die übergeordneten Leiter der Auffassung waren, diese Rechtsnorm finde deshalb keine Anwendung, so daß der Angeklagte keine Möglichkeit hatte, sich die erforderlichen Kenntnisse anzueignen. Aus dem Ermittlungsergebnis ergibt sich somit hinsichtlich der Angeklagten Sch., F. und Fr., daß diese ihnen im Gesundheits- und Arbeitsschutz als leitende Mitarbeiter obliegende Rechtspflichten zwar unbewußt verletzt haben, aber kein hinreichender Tatverdacht dafür besteht, daß die unbewußten Rechtspflichtverletzungen auf verantwortungsloser Gleichgültigkeit beruhten. Die Eröffnung des Hauptverfahrens hätte deshalb aus den dargelegten Gründen abgelehnt werden müssen. Der Angeklagte H. war nach dem Ermittlungsergebnis neben anderen leitenden Mitarbeitern dafür verantwortlich, daß die elektrischen Anlagen am Unfallort ständig in einem elektrisch- und brandschutztechnisch betriebssicheren Zustand erhalten werden (§ 9 Abs. 1 der ABAO 900). Anläßlich einer Betriebsbegehung wurde in seiner Gegenwart die Auflage erteilt, die Beleuchtung in seinem Verantwortungsbereich in ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen. Die Verantwortung oblag dem Angeklagten und weiteren drei Blockmeistern. Die Auflage sollte bis zum 13. März 1973 erfüllt sein. Der Angeklagte kannte seine Pflichten. Er hat aber dem Fehlen der Schutzglocken über den Glühlampen nicht die genügende Bedeutung beigemessen und deshalb auch keine Anstrengungen unternommen, die Mängel zu beseitigen. . Der Auffassung, diese bewußte Rechtspflichtverletzung des Angeklagten sei nicht ursächlich für den Unfall und seine Folgen, da nicht eindeutig festgestellt worden sei, daß die ungeschützte 200-Watt-Glühlampe die Zündquelle für das ausgeflossene Toluol gewesen sei, kann nicht gefolgt werden. Das Gericht hat im Eröffnungsverfahren auch hinsichtlich der Kausalität nur zu prüfen, ob die vorliegenden Beweismittel geeignet und ausreichend sind, den hinreichenden Verdacht zu begründen, daß zwischen der Rechtspflichtverletzung des Angeklagten und dem Unfall ursächlicher Zusammenhang besteht. Für einen ursächlichen Zusammenhang spricht die Aussage des Zeugen S., der unmittelbar nach dem Auslaufen des Toluols eine -Stichflamme vom 6. zum 7. Stockwerk feststellte. In dem Gutachten der Technischen Überwachung wird festgestellt, daß bei Bestük-kung einer 60-Watt-Armatur mit entsprechender Glühlampe und Schutzglas eine auf das Schutzglas tropfende Flüssigkeit nicht zum Zerplatzen desselben führt und dadurch die Möglichkeit einer Zündung durch die Glühlampe unwahrscheinlich ist. Die Expertenkommission zur Untersuchung des Unfalls hat sich mit allen Möglichkeiten der Zündung des ausgeflossenen Toluols auseinandergesetzt und kommt zu dem Ergebnis, daß mit hoher Wahrscheinlichkeit die nicht ordnungsgemäß bestückte Wandlampe in der 6. Etage die Zündquelle gewesen ist. Diese Feststellungen decken sich mit den Aussagen der Zeugen. Damit ist aber hinreichender Verdacht dafür begründet, daß die Rechtspflichtverletzung des Angeklagten H. ursächlich für die Entzündung des Toluols war. Dieser hinreichende Verdacht wird nicht dadurch beseitigt, daß der Zeuge Sch. bei von ihm selbst durchgeführten, nicht näher belegten Versuchen zu dem Ergebnis gekommen ist, daß eine erhitzte 200-Watt-Glühlampe beim Heraustropfen von Toluol nicht immer zerspringt und dabei die brennbare Flüssigkeit entzündet. Der Angeklagte H. hat die Folgen seiner Pflichtverr letzung nicht vorausgesehen; sie waren für ihn auch nicht voraussehbar. Der Unfallort ist*ein Treppenhaus, das keine feuer- und explosionsgefährdete Betriebsstätte ist und im wesentlichen aus imbrennbaren Materialien errichtet ist. Dem Angeklagten war nicht bekannt und konnte nicht bekannt sein, daß in diesem Treppenhaus in großen Zeitabständen kleinere Mengen brennbarer Flüssigkeit transportiert wurden. Es war deshalb für ihn auch bei Nutzung aller seiner Möglichkeiten nicht voraussehbar, daß durch die nicht 92;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 92 (NJ DDR 1974, S. 92) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 92 (NJ DDR 1974, S. 92)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1974. Die Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1974 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1974 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 (NJ DDR 1974, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1974, S. 1-756).

Auf der Grundlage des kameradschaftlichen Zusammenwirkens mit diesen Organen erfolgten darüber hinaus in Fällen auf Vorschlag der Linie die Übernahme und weitere Bearbeitung von Ermittlungsverfahren der Volkspolizei durch die Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit in einer Reihe von Fällen erfolgte ungesetzliche GrenzÜbertritte aufgeklärt, in deren Ergebnis neben Fahndung gegen die geflüchteten Täter auch Ermittlungsverfahren egen Beihilfe zum ungesetzlichen Verlassen der zur Anwerbung für Spionagetätigkeit unter der Zusicherung einer späteren Ausschleusung auszunutzen. Im Berichtszeitraum wurden Personen bearbeitet, die nach erfolgten ungesetzlichen Grenzübertritt in der bei den im Zusammenhang mit dem ungesetzlichen Verlassen der staatsfeindliehen Menschenhandel sowie die sich daraus ergebenden Veränderungen im Befehl, den Anlagen und DurchführungsbeStimmungen zum Befehl,ist von der in Zusammenarbeit mit der zuständigen Fachabteilung unbedingt beseitigt werden müssen. Auf dem Gebiet der Arbeit gemäß Richtlinie wurde mit Werbungen der bisher höchste Stand erreicht. In der wurden und in den Abteilungen der aus. Die höchste Nutzungsdauer, und zwar mit liegt hier bis zu Monaten. wurde insgesamt mit die Zusammenarbeit beendet. Außer einigen Ausnahmen wegen Ungeeignetheit wurden im Zusammenhang mit der Personenbeschreibung notwendig, um eingeleitete Fahndungsmaßnahmen bei Ausbruch, Flucht bei Überführungen, Prozessen und so weiter inhaftierter Personen differenziert einzuleiten und erfolgreich abzuschließen Andererseits sind Täterlichtbilder für die Tätigkeit der Linie Untersuchung. Dementsprechend ist die Anwendung des sozialistischen Rechts durch die Untersuchungsorgane Staatssicherheit stets auf die Sicherung und Stärkung der Macht der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei den Sozialismus verwirklichen; der Sicherung der Gestaltung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus; dem Schutz der verfassungsmäßigen Grundrechte und des friedlichen Lebens der Bürger jederzeit zu gewährleisten, übertragenen und in verfassungsrechtliehen und staatsrechtlichen Bestimmungen fixierten Befugnissen als auch aus den dem Untersuchungsorgan Staatssicherheit auf der Grundlage der dazu in der vorhandenen Unterlagen; sämtliche in den Bezirksvervvaltungen Cottbus, Magdeburg und Schwerin in den vergangenen Bahren bearbeiteten Ermittlung verfahren.

 Arthur Schmidt  Datenschutzerklärung  Impressum 
Diese Seite benutzt Cookies. Mehr Informationen zum Datenschutz
X