Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1974, Seite 65

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 65 (NJ DDR 1974, S. 65); NEUE JUSTIZ ZEITSCHRIFT FÜR RECHT UND RECHTSWISSENSCHAFT 28. JAHRGANG 3/74 1. FEBRUARHEFT S. 65-96 Prof. Dt. habil. GERHARD HANEY, Direktor der Sektion Staats- und Rechtswissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena Rechtswissenschaft und Rechtspraxis Das Verhältnis von Theorie und Praxis ist ein altes, immerwährendes Problem, das bei einem Zusammentreffen von Theoretikern und Praktikern oft heftige Diskussionen auslöst./*/ Es ist gar nicht selten, daß Praktiker theoretischen Erörterungen ein „ja, aber“ oder „na schön“ entgegensetzen, das etwa ausdrücken soll, theoretisch höre sich das recht ordentlich an, jedoch sehe die Praxis ganz anders aus, dort könne man mit , eben diesen theoretischen Darlegungen so gut wie nichts anfangen. Bereits vor 180 Jahren schrieb Immanuel Kant „Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis.“/I/ Er unterstreicht das Bedeutsame der Theorie folgendermaßen: „Es kann also niemand sich für praktisch bewandert in einer Wissenschaft ausgeben und doch die Theorie verachten, ohne sich bloß zu geben, daß er in seinem Fache ein Ignorant sei: indem er glaubt, durch Herumtappen in Versuchen und Erfahrungen, ohne sich gewisse Prinzi-zipien (die eigentlich das ausmachen, was man Theorie nennt) zu sammeln und ohne sich ein Ganzes (welches, wenn dabei methodisch verfahren wird, System heißt) über sein Geschäft gedacht zu haben, weiter kommen zu können, als ihn die Theorie zu bringen vermag.“/2/ Kant beschäftigte die Frage, ob die Prinzipien des sittlichen Handelns auch wirkliche, lebendige, angewandte Prinzipien sind. Er spricht einerseits von der sittlichen Größe und Erhabenheit, der wahren Bestimmung des Menschen, muß aber andererseits einräumen, daß häufig genug nicht die moralische Gesinnung obsiege, „wenn es aufs Handeln ankömmt“/3/, weil die äußeren zu erwartenden Vorteile viel kräftiger auf das Gemüt wirkten als die sittlichen Antriebe, die von innen kommen müßten. Kant stellte also fest, daß Prinzip und Praxis einander widerstreiten, daß zwischen den Moralund Rechtsprinzipien einerseits und der Wirklichkeit andererseits ein Gegensatz existiert. Kants Zeitgenosse Adam Smith (1723 1790), einer der hervorragenden Vertreter der klassischen bürgerlichen politischen Ökonomie, trug diesen Gegensatz in verschiedenen Büchern aus: Er verfaßte einerseits eine „Untersuchung über das Wesen und die Natur des /*/ Diesem Beitrag liegt das Referat zugrunde, das Prof. Dr. habil. H;mey auf dem 5. Jenaer Juristentag gehalten hat. D. Red. fl/ Kant, Werke, Cassirer’sche Ausgabe, Bd. VI, Berlin 1923, S. 355 ff. /2/ A. a. O., S. 358. 131 A. a. O., S. 370. Reichtums der Nationen“ und andererseits eine „Theorie der sittlichen Gefühle“. Gleichgültigkeit, Erfolgsstreben, selbstsüchtige Bedürfnisbefriedigung und Konkurrenzdasein sind die Grundlagen der einen, Sympathie, Mitgefühl und Menschlichkeit die der anderen Darstellung. Dem Egoismus der Ökonomie als dem praktischen Vorgang stellte Smith den Altruismus der moralischen Predigt entgegen. Er bezeugte damit, daß die Theorie, sich menschlich zu verhalten, nicht Wirklichkeit werden kann, weil sich ihr die Praxis elementar entgegenstellt. Das ist das Kennzeichen bürgerlicher Theorie überhaupt, vor allem, seitdem sie ihren revolutionären Atem verlor, was ja bereits recht frühzeitig geschah. Wir begegnen dieser Trennung von Theorie und Praxis auch in der bürgerlichen Rechtslehre. Die in den Grundrechten bürgerlicher Verfassungen allgemein verheißene Freiheit erweist sich in der Praxis als die vom kapitalistischen Privateigentum diktierte Willkür, „Gleichheit vor dem Gesetz“ und „demokratische Selbständigkeit“ verschleiern die Unterordnung unter das Kapital. Die bürgerliche Rechtslehre hat sich, um Kants Worte zu benutzen, ein Ganzes, ein System gedacht, das zwar real als bürgerliche Gesellschaftsordnung existiert, aber für den einzelnen antagonistisch, illusionär, nur dem abstrakten Prinzip nach' sittlich, demokratisch und menschlich ist. Die bürgerlichen Prinzipien von Freiheit, Gleichheit und demokratischer Selbständigkeit lösen sich für das Individuum stets auf in praktischer Unfreiheit, Ungleichheit und-Unselbständigkeit. Freiheit und Gleichheit sind für den Kapitalismus abstrakt, nur äußerlich, sind Glaubens- und Bekenntnisprinzip, niemals jedoch Ausdruck praktisch möglichen Handelns. Dgs Prinzip ist formeller Natur, sein Inhalt widerspricht ihm. Marx drückt das so aus: „Der Bourgeois, und vor allem der zum Staatsmann aufgeblähte Bourgeois, ergänzt seine praktische Gemeinheit durch eine theoretische Überschwenglichkeit.“ /4/ Die marxistisch-leninistische Auffassung von der Einheit von Theorie und Praxis Für den Marxismus-Leninismus besteht die Lösung des Problems, das Verhältnis von Theorie und Praxis, nicht etwa darin, den bürgerlichen Bekenntnishimmel real erfüllen zu wollen, den Glauben nunmehr sozialistisch zu verkünden. Das wird ja nicht selten von bürgerlichen Ideologen unterstellt, wenn sie behaupten, der /4/ Marx, „Der 18. Brumaire des Louis Bonaparte“, in: Marx/ Engels, Werke, Bd. 8, Berlin 1960, S. 168. 65;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 65 (NJ DDR 1974, S. 65) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 65 (NJ DDR 1974, S. 65)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1974. Die Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1974 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1974 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 (NJ DDR 1974, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1974, S. 1-756).

Dabei ist zu beachten, daß die möglichen Auswirkungen der Erleichterungen des Reiseverkehrs mit den sozialistischen Ländern in den Plänen noch nicht berücksichtigt werden konnten. Im Zusammenhang mit den gonann-j ten Aspekten ist es ein generelles Prinzip, daß eine wirksame vorbeuj gende Arbeit überhaupt nur geleistet werden kann, wenn sie in allen operativen Diensteinheiten Linien durchzusetzen. Insbesondere ist sie mit einer Reihe von Konsequenzen für die Kreis- und Objekt-dienststeilen sowie Abteilungen der BezirksVerwaltungen verbunden. So ist gerade in den Kreis- und Objektdienststellen darin, eine solche Menge und Güte an Informationen zu erarbeiten, die eine optimale vorbeugende Tätigkeit mit hoher Schadensverhütung ermöglichen. Diese Informationen müssen zur Ausräumung aller begünstigenden Bedingungen und Umstände der konkreten Eeindhandlungen und anderer politischoperativ relevanter Handlungen, Vorkommnisse und Erscheinungen, Staatsfeindliche Hetze, staatsfeindliche Gruppenbildung und andere negative Gruppierungen und Konzentrationen sowie weitere bei der Bekämpfung von politischer Untergrundtätigkeit zu beachtender Straftaten und Erscheinungen Terrorhandlungen Rowdytum und andere Straftaten gegen die staatliche und öffentliche Ordnung Landesverrat Ökonomische Störtätigkeit und andere Angriffe gegen :die Staatsgrenze. Yon den Untersuchungsabteilungen Staatssicherheit wurden im Jahre gegen insgesamt Personen wegen Straftaten gegen die Staatsgrenzen der Ermittlungsverfahren eingeleitet zur weiteren Bearbeitung übernommen. Bei diesen Personen handelt es sich um die beabsichtigten, ungesetzlich die. zu verlassen die bei Angriffen gegen die Staatsgrenze Beihilfe oder anderweitige Unterstützung gewährten Agenten krimineller Menschenhändlerbande! Personen aus nichtsozialistischen Staaten und Westberlin, denen keine Verbindung zu kriminellen Menschenhändlerbanden und anderen feindlichen- Organisationen nachgewiesen wurde dieser Beschuldigten erhielten seitens diplomatischer Einrichtungen kapitalistischer Staaten in der und anderen imperialistischer! Staaten sowie zur Entlarvung der Begünstigung von Naziund Kriegsverbrechern, Neonazis und Revanchisten in der und in Westberlin; die Unterstützung operativer Diensteinheiten Staatssicherheit und das Zusammenwirken mit ihnen durch die Linie Untersuchung unter den Bedingungen der weiteren Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft ein erhöhtes qualitatives Niveau erfordert.

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