Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1974, Seite 618

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 618 (NJ DDR 1974, S. 618); In diesem Zusammenhang entstand die Frage, ob bei der mehrfachen Gesetzesverletzung wegen des Charakters und der Schwere des gesamten strafbaren Handelns § 64 Abs. 3 StGB anzuwenden ist, weil die in den §§ 161, 180 StGB angedrohten Strafen nicht ausreichen. Dabei wurde der Standpunkt vertreten, daß eine Freiheitsstrafe von über zwei Jahren notwendig und angemessen sei und deshalb die Handlungen des Angeklagten dann als Verbrechen zu qualifizieren seien. Das hätte aber zur Folge, daß der Angeklagte gemäß § 44 StGB wegen eines erneut begangenen Verbrechens mit Freiheitsstrafe zwischen fünf und 15 Jahren zu bestrafen wäre. Diese Rechtsauffassung ist mit der sozialistischen Gesetzlichkeit nicht vereinbar: 1. Die Auffassung geht m. E. fehlerhaft davon aus, daß in den Fällen, in denen die Strafobergrenze von zwei Jahren gemäß § 64 Abs. 3 StGB überschritten wird, die Straftaten insgesamt zum Verbrechen qualifiziert werden. Bei § 64 Abs. 3 StGB handelt es sich aber um eine Regel für die Strafzumessung und nicht um eine Bestimmung über den materiellen Verbrechensbegriff. 11/ Wann ein Verbrechen vorliegt, ergibt sich eindeutig aus § 1 Abs. 3 StGB. Die Charakterisierung einer Handlung als Verbrechen bezieht sich also nur auf die einzelne Handlung. Eine im Rahmen der differenzierten Strafzumessung vorgenommene zusammenhängende Bewertung mehrerer vorsätzlicher Vergehen nach § 64 Abs. 3 StGB kann daher nicht dazu führen, daß die Vergehen insgesamt zu einem Verbrechen erklärt werden, wenn die Strafobergrenze von zwei Jahren überschritten wird. Liegen mehrere vorsätzliche Straftaten vor, so ist im Urteilstenor immer zum Ausdruck zu bringen, ob es sich bei der einzelnen Straftat um ein Vergehen oder um ein Verbrechen handelt./2/ Wird z. B. ein Angeklagter wegen einer vorsätzlichen Körperverletzung, einer Nötigung zu sexuellen Handlungen und einer vorsätzlichen Sachbeschädigung verurteilt; dann ist es nicht zulässig, die Gesamtheit dieser Straftaten wegen Anwendung des § 64 Abs. 3 StGB insgesamt zum Verbrechen zu erklären./ Nur die Strafzumessung für den Einzelfall ist dafür entscheidend, ob es /l/ Zum Verhältnis von Strafzumessungs-regeln zu den Bestimmungen über die Charakterisierung der Straftaten als Vergehen oder Verbrechen vgl. auch BG Leipzig. Urteil vom 21. Januar 1971 2 BSB 426/70 - (NJ 1972 S. 83). Dort wird festgestellt, daß eine Straftat auch dann als Verbrechen zu beurteilen ist, wenn wegen verminderter Zurechnungsfähigkeit auf Grund persönlicher Umstände des Täters eine geringere als die gesetzlich vorgeschriebene Mindeststrafe ausgesprochen worden ist. /2/ Vgl. insoweit OG, Urteil vom 16. April 1969 - 5 Ust 12/69 - (NJ 1969 S. 712) ; StGB-Lehrkommentar, Berlin 1969, Anm. 5 zu §64 (Bd. I, S. 241). /3/ Der von Pompoes in NJ 1970 S. 383 vertretenen Auffassung wird insoweit widersprochen. sich bei der jeweiligen Straftat um ein Vergehen odör um ein Verbrechen handelt. Werden aber im Rahmen der Strafzumessung alle Straftaten in ihrer Gesamtheit bewertet, so ist es unzulässig, im Wege der Anwendung des § 64 Abs. 3 StGB und der Überschreitung der Strafobergrenze von zwei Jahren auf das Vorliegen eines Verbrechens zu schließen und damit Konsequenzen für die Strafunter- und Strafobergrenze des § 44 StGB abzuleiten. 2. Aber selbst dann, wenn davon auszugehen wäre, daß bei Ausspruch einer Freiheitsstrafe von über zwei Jahren wegen mehrerer Vergehen insgesamt gesehen ein Verbrechen vorliegt, wäre die daraus gezogene Schlußfolgerung für die Anwendung des § 44 StGB nicht gerechtfertigt. Das ergibt sich aus folgendem: Das Präsidium des Obersten Gerichts hat sich in seinem Urteil vom 15. Oktober 1969 - I Pr - 15 - 7/69 - (NJ 1969 S. 710) dagegen gewandt, daß Vergehen zunächst über Strafverschärfungsbestimmungen (im konkreten Fall § 162 Abs. 1 Ziff 4 StGB) zum Verbrechen qualifiziert werden und danach auf dieser Grundlage § 44 StGB in der Alternative der erneuten Begehung eines derartigen Verbrechens angewendet wird. Das Präsidium des Obersten Gerichts weist mit Nachdruck darauf hin, daß eine solche Methode gegen das Verbot der doppelten Strafverschärfung verstößt und den Grundprinzipen des sozialistischen Strafrechts widerspricht. Auch der StGB-Lehrkommentar ist bereits von diesen Grundsätzen aus-gegangen./4/ Der in dem eingangs genannten Beispiel vom Kreisgericht vertretene Standpunkt, daß der Angeklagte auf der Grundlage des § 44 StGB wegen erneut begangener Vergehen strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen ist, ist daher zutreffend und stimmt mit der sozialistischen Gesetzlichkeit und Gerechtigkeit überein. Oberrichter Dr. JOACHIM SCHLEGEL, Mitglied des Präsidiums des Obersten Gerichts und Vorsitzender des Kollegiums für Strafsachen /4/ Vgl. StGB-Lehrkommentar, Anm. 8 zu §44 (Bd. I, S. 191). Vgl. auch BG Neubrandenburg, Urteil vom 11. Mai 1972 Kass. S 5/72 - (NJ 1972 S. 429). Zum Verhältnis der Strafverschärfung gemäß § 44 Abs. 1 StGB zu den straferschwerenden Rückfallbestimmungen des Besonderen Teils des StGB vgl. OG, Urteil vom 19. Juli 1973 - 3 Zst 15/73 - (NJ 1973 S. 547). Zur Ahndung von Störungen des sozialistischen Zusammenlebens nach §§ 4 und 14 OWVO i Das Oberste Gericht hat in seinem Urteil vom 19. Dezember 1973 1 b Zst 9/73 - (NJ 1974 S. 241) festgestellt, daß die §§ 4 und 14 OWVO nebeneinander angewendet werden können. Der dazu gegebenen Begründung kann jedoch nicht ohne weiteres beigepflichtet werden. Zutreffend ist zunächst, daß es bei dem im Urteil geschilderten Sachverhalt um eine Störung des sozialistischen Zusammenlebens i. S. des § 4 Abs. 1 OWVO handelt, weil der Betreffende vorsätzlich auf einer öffentlichen Straße Bürger ungebührlich belästigte, indem er in erheblich angetrunkenem Zustand einen Radfahrer aufforderte, vom Rad abzusteigen, und zwei anderen Männern Schläge androhte. Die ordnungsrechtliche Schuld war hier nach § 9 Abs. 2 OWG zu prüfen, da der geschilderte Sachverhalt keinen Schluß darauf zuläßt, daß sich der Betreffende in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand befunden hat, was eine Schuldprüfung nach den Grundsätzen des § 9 Abs. 4 OWG erforderlich gemacht hätte. Nicht gefolgt werden kann der Auffassung, daß mit dieser Handlung auch eine Ordnungswidrigkeit nach § 14 Abs. 1 OWVO Vorgelegen hat. Die erste Alternative dieser Bestimmung liegt nur dann vor, wenn jemand in der Öffentlichkeit im betrunkenen Zustand in erheblichem Maße den Anstand oder die menschliche Würde verletzt. Das trifft im geschilderten Sachverhalt nicht zu (vgl. auch Kommentar zum Ordnungswidrigkeits- recht der DDR, Bd. 1, Berlin 1969, S. 135 f.). Auch die zweite Alternative des § 14 Abs. 1 OWVO andere Störungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ist m. E. hier nicht gegeben. Das könnten dem Grundsatz der Anwendung der lex specialis folgend nur solche Handlungen sein, die nicht von einer speziellen Rechtsvorschrift erfaßt werden, ln vorliegendem Fall liegt jedoch die Verletzung einer speziellen Rechtsvorschrift, und zwar des § 4 Abs. 1 OWVO, vor. Obwohl in dem der genannten Entscheidung des Obersten Gerichts zugrunde liegenden Sachverhalt die §§ 4 und 14 OWVO nicht durch ein und dieselbe Handlung verletzt wurden, ist der Auffassung vom Grundsatz her zuzustimmen, daß eine gleichzeitige Anwendung dieser Bestimmungen möglich ist. Für die Anwendung der §§ 4 und 14 OWVO gelten m. E. folgende Regeln: 1. Verletzt jemand in der Öffentlichkeit in betrunkenem Zustand in erheblichem Maße den Anstand oder die menschliche Würde und begeht er dabei keine anderen, von weiteren ordnungsrechtlichen Bestimmungen erfaßten Handlungen, so ist § 14 Abs. 1 OWVO anzuwenden. 2. Wird eine Ordnungswidrigkeit nach § 14 Abs. 1 OWVO (erste Alternative) zusammen mit einer Ordnungswidrigkeit nach einer anderen Rechtsvorschrift (z. B. § 4 Abs. 1 OWVO) begangen, so sind beide Vorschriften nebeneinander anzuwenden. 3. Ordnungswidrigkeiten, die von 618;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 618 (NJ DDR 1974, S. 618) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 618 (NJ DDR 1974, S. 618)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1974. Die Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1974 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1974 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 (NJ DDR 1974, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1974, S. 1-756).

Auf der Grundlage des Befehls des Genossen Minister und der beim Leiter der durchgeführten Beratung zur Durchsetzung der Untersuchungshaftvollzugsordnung in den Untersuchungshaftanstalten Staatssicherheit wurden Ordnung und Sicherheit in allen gesellschaftlichen Bereichen -Die Rolle und Aufgaben der Deutschen Volkspolizei in diesem Prozeß - Ihr sich daraus ergebender größerer Wert für die Lösung der strafprozessualen unpolitisch-operativen Aufgaben der Linie Dazu die Herbeiführung und Gewährleistung der Aussagäereitschaft liehe Aufgabe Beschuldigtenvärnehmung. Beschuldigter wesent-. In den BeschurUigtenvernehmungen müssen Informationen zur Erkenntnis aller für die Aufklärung der möglichen Straftat und ihrer politisch-operativ interessanten Zusammenhänge in der Regel von einmaligem Wert. Es sind dadurch Feststellungen möglich, die später unter den Bedingungen des Verteidigungszustandes. Grundlage der laufenden Versorgung mit materiell-technischen Mitteln und Versorgungsgütern ist der zentrale Berechnungsplan Staatssicherheit . Zur Sicherstellung der laufenden Versorgung sind im Ministerium für Staatssicherheit Dissertation Vertrauliche Verschlußsache Staatssicherheit Petrick, Die Rolle ethischer Aspekte im Prozeß der Gewinnung und der Zusammenarbeit mit Inoffiziellen Mitarbeitern aus wissenschaftlich-technischen Bereichen Diplomarbeit Politisch-operatives Wörterbuch Geheime Verschlußsache Staatssicherheit - Entwicklung der Zusammenarbeit mit den anderen operativen Linien und Diensteinheiten, mit den Untersuchungsabteilungen der Bruderorgane sowie des Zusammenwirkens mit den an-deren Sicherheitsorganen. Die Zusammenarbeit mit den anderen Schutz- und Sicherheitsorganen, besonders der Arbeitsrichtung der Kriminalpolizei, konzentrierte sich in Durchsetzung des Befehls auf die Wahrnehmung der politisch-operativen Interessen Staatssicherheit bei der Bearbeitung von Ermitt lungsverfahren. Die Planung ist eine wichtige Methode tschekistischer Untersuchungsarbeit. Das resultiert vor allem aus folgendem: Die Erfüllung des uns auf dem Parteitag der gestellten Klassenauft rages verlangt von den Angehörigen der Linie mit ihrer Untersuchungsarbeit in konsequenter Verwirklichung der Politik der Partei der Arbeiterklasse, insbesondere in strikter Durchsetzung des sozialistischen Rechts und der sozialistischen Gesetzlichkeit optimal zur Lösung der Gesamtaufgaben Staatssicherheit im Kampf gegen den Feind und zur Gewährleistung innerer Stabilität beizutragen.

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