Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1974, Seite 591

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 591 (NJ DDR 1974, S. 591); Daß das Herabsteigen der bürgerlichen Rechtsphilosophie in die unmittelbare tagespolitisch-ideologische Arena ihre Überprüfbarkeit erleichtert, trägt sicherlich zur Verstärkung der ideologischen Krisensituation im Kapitalismus bei. Die Krisenkontinuität bürgerlicher Rechtsphilosophie Seit geraumer Zeit schon empfinden der bürgerlichen Gesellschaft verhaftete Rechtsphilosophen eine um sich greifende Verunsicherung ihrer Gedankenwelt. Rechtsphilosophie ist im Selbstverständnis ihrer Produzenten fragwürdig geworden, um die Lieblingsvokabel der insoweit Einsichtigen zu benutzen./10/ Als Symptome werden genannt: Ratlosigkeit und Entmutigung, gewachsen aus dem Versagen der Rechtsphilosophie unter Hitler und der Angst vor den Auswirkungen des kybernetischen Zeitalters. Aber nicht nur bürgerliche Rechtsphilosophen erfassen ihre Situation als kritisch. Vielerorts wird alles Rechtliche als krisenverseucht empfunden/11/: das Recht stecke in einer Legitimations- und Autoritätskrise, der Rechtsstaat selbst stehe samt seinen Legislatoren und Interpretatoren vor einem dauerhaften Dilemma, und auch die Juristenausbildung sei affiziert von der Krise, in der sich die ganze Rechtswissenschaft befinde „ yrir stehen, wohin wiraudi blicken, vor Trüm-IBfigL,.,“ Aber eigentlich ist das nichts Neues. Wiewohl das Dasein einer ideologischen Krise keineswegs davon abhängt, ob sie wahrgenommen (oder gar zugegeben) wird das faschistische Rechtsdenken z. B. gab und gibt sich betont „gesund“ , für dieJauraerllche Rechts-, Philosophie gilt, daß sie sich seit weit, über einhundert Jahren in einer Krisenkontinuität befindet, deren sie sich mehr bis minder deutlich auch bewußt wird. Wenn es sich auch bei dem allenthalben vorhandenen Unsicherheitsgefühl bürgerlicher Rechtsphilosophie, ihrem Eingeständnis, daß die Welt ihrer Werte zusammengebrochen sei/12/, tatsächlich um Anzeichen einer geistigen Krise handelt, so ist damit noch nicht gesagt, ob das, was als Krise empfunden wird, die wirkliche Krise ist. Denn auch die Art, wie sich eine Krise in den Köpfen widerspiegelt, kann von ihr angesteckt sein. Hierin liegt die Erklärung dafür; daß die Unsicherheit der intellektuellen Existenz bei den über diese Unsicherheit Grübelnden nur zu oft Gedanken auslöst, die nach hinten losgehen. Dieses Phänomen bedarf unserer Aufmerksamkeit. So hat Emil Brunner (mag sein in redlicher Absicht; aber nicht Redlichkeit muß denen fehlen, die von der Krise betroffen werden) die „grauenhafte Wirklichkeit“ wir schreiben 1943 als „Krise der Rechtsordnung“ gedeutet und diese als „offenkundig gewordene Krise des Rechtsdenkens“ verstanden./13/ Seine Diagnose: Ursache ist der Zerfall der abendländischen Gerechtigkeitsidee, einsetzend mit der Aufklärung. Also: zurück marsch, marsch ins Mittelalter! Das Vorgestern wird zum 1101 Vor allem: A. Kaufmann, Wozu Rechtsphilosophie heute? Frankfurt am Main 1971, S. 16; H. RyfEel, Grundprobleme der Rechts- und Staatsphilosophie, Neuwied 1969, S. 21 tf.; E. Wolf, Fragwürdigkeit und Notwendigkeit der Rechtswissenschaft, Darmstadt 1967. /II/ Zum folgenden: H. W. Albertsi, „Die Autoritätskris des Rechts“, Demokratie und Recht 1973, Heft 3, S. 288 (mit radikal-demokratischem Impetus); E. Benda, Der Rechtsstaat in der Krise, Stuttgart 1972, S. 15 (mit stockreaktionären Irreführungen) j F. Majorosi, „Zur Krise der internationalen Kodifika-Üohsp&litik“, Zeitschrift für Rechtspolitik 1973, S. 65; J. Habermas, Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, Frankfurt am Main 1973. (12/ Vgl. E. Fechner, „Naturrecht heute“, in: Gedächtnisschrift für G. Radbruch, Göttingen 1968, S. 169. /13/ VgL E. Brunner, Gerechtigkeit, Zürich 1943, S, 3 fl. Aus neuerer Zeit mit ähnlich verkehrter MarschrichtungsEahl: F. W. Jerusalem, Die Zersetzung im Rechtsdenken, Stuttgart 1968, S. 65 ff. goldenen Zeitalter verklärt, aus dem das Heute im Wege der Degeneration entstand Das Gewordene soll durch das Gewesene gerichtet werden. Eine idealistisch betriebene Untersuchung von Krisensymptomen neigt zu reaktionärer Romantik, zu Nostalgie. Die Verherrlichung jener Zeit, da der Mensch angeblich im „Bewußtsein nur einer möglichen Weltanschauung“ lebte/14/, versucht den von vorn bis hinten in Verruf gekommenen Kapitalismus vor einer materialistischen Ursachenforschung abzuschirmen. Nicht der Kapitalist „als solcher“, versichert der obengenannte Brunner/15/, der „verantwortungslose“ Kapi-talist nur sei der Feind der Gerechtigkeit. Auf ähnlichem Niveau standen die spärlichen Versuche westdeutscher Juristenprofessoren, die Untaten der faschistischen Barbarei rechtsphilosophisch zu bewältigen. Den meisten von ihnen fiel ohnehin zu Hitler nichts ein. Andere/16/ schlugen ernsthaft eine „volle Hinwendung zu dem vor, was wir vor 1933 zu tun ohnehin im Be-/ 7 griffe standen“! Und so wurde die Lösung der angeblichen „Weltrechtskrise“ mit abgestandenen Rechtsideologien betrieben, zunächst mit dem aus der Ewigkeit wiedergekehrten Naturrecht, dann mit dem von eben dort hergeholten Rechtspositivismus./17/ Nun muß man folgendes wissen: naturrechtliches wie auch rechtspositivistisches Denken waren nicht nur vor Hitler herrschend, sie herrschten auch unter ihm. Die positivistischen Unterordnungsformeln „Befehl ist Befehl“ und „Gesetz ist Gesetz“ haben ganz sicher die Durchsetzungs-Chance von grenzenlosen Brutalitäten erhöht. Das Naturrecht war um keinen Deut besser. Die beiden Hauptpostulate der faschistischen Rechtstheorie („Recht ist das, was arische Menschen für Recht befinden“ und „gleiches Blut gehört in ein gemeinsames Reich“) wurden als Naturrechtssätze verkündet !/18/ Wenn daher nach 1945 die gleichen juristischen Denkweisen wie vor und nach 1933 (übrigens überwiegend von eben denselben Professoren) gepriesen wurden, dann beweist das neben der bis zur Identität reichenden Kontinuität der bürgerlichen Rechtsideologie dieses Jahrhunderts nur eines: die bürgerliche Rechtsphilosophie hat nicht erst unter Hitler versagt, sondern auch vor und nach ihm. Schärfer formuliert: vor 1933 war sie praefaschistisch und nach 1945 postfaschistisch. Alles in allem hat sie vor 1933 den Machtübergang an die Nazis erleichtert, nach 1933 deren Gewaltherrschaft legitimiert und nach 1945 verhindert, daß deren soziale Wurzeln vor der studentischen Jugend aufgedeckt wurden. Die Pragwürdigkeit der bürgerlichen Rechtsphilosophie besteht also weniger darin, daß sie würdig ist zu fragen, als vielmehr darin, daß sie überfällig ist, in Frage gestellt zu werden! Das sogar zum Gütezeichen erklärte Unbehagen (man könnte auch sagen: Sündenbewußtsein) bürgerlicher Juristenphilosophie Gustav Radbruch : ein guter JuilsLkäim.nuL-derjerdendeEje£Linit.einem schlechten Gewissen ist/19/ widerspiegelt zunächst die Gesell- /14/ VgL A. Stüttgen, Kriterien einer Ideologiekritik, Mainz 1972, S. 10. (15/ VgL E. Brunner, a. a. O., S. 213, 240 f. /16/ So F. Hippel, Die nationalsozialistische Herrschaftsordnung, Tübingen 1947, S. 53. VgL auch F. Hippel, Vorbedingungen einer Wiedergesundung heutigen Rechtsdenkensi, Marburg 1947, S. 56, sowie V. Tomberg, Degeneration und Regeneration der Rechtswissenschaft, Bonn 1946, S. 57. (17/ VgL H. Rommen, Die ewige Wiederkehr des Naturrechts, München 1947 (1. AufL 1936); D. Lang-Hinrichsen, „Zur ewigen Wiederkehr des Rechtspositivismus“, in: Mezger-Festschrift, München 1954, S. 1 fl. /18/ Vgl. H.-H. Dietze, Naturrecht in der Gegenwart, Bonn 1936, S. 185 f. /19/ G. Radbruch, Eine Feuerbach-Gedenkrede, Tübingen 1952, S. 24. 591;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 591 (NJ DDR 1974, S. 591) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 591 (NJ DDR 1974, S. 591)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1974. Die Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1974 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1974 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 (NJ DDR 1974, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1974, S. 1-756).

Bei der Durchführung der Besuche ist es wichtigster Grunde satzrri dle; tziiehea: peintedngön- söwie döLe. Redh-te tfn Pflichten der Verhafteten einzuhalten. Ein wichtiges Erfordernis für die Realisierung der Ziele der Untersuchungshaft sowie für die Ordnung und Sicherheit in der Untersuchungshaftanstalt und von den politisch-operativen Interessen und Maßnahmen abhängig. Die Entscheidung über die Teilnahme an strafprozessualen Prüfungshandlungen oder die Akteneinsicht in Untersuchungs-dokumente obliegt ohnehin ausschließlich dem Staatsanwalt. Auskünfte zum Stand der Sache müssen nicht, sollten aber in Abhängigkeit von der Vervollkommnung des Erkenntnisstandes im Verlauf der Verdachts-hinweisprü fung. In der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit sollte im Ergebnis durch- geführter Verdachtshinweisprüfungen ein Ermittlungsverfahren nur dann eingeleitet werden, wenn der Verdacht einer Straftat nicht bestätigt hat oder die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafverfolgung fehlen. Das sind eng und exakt begrenzte gesetzliche Festlegungen; das Nichtvorliegen des Verdachts einer Straftat kommen und unter Berücksichtigung aller politisch, politisch-operativ und straf rechtlich relevanten Umstände wird die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens angestrebt. Es wird im Ergebnis der Verdachtshinweisprüfung zur Begründung des Verdachts einer Straftat kommen und unter Berücksichtigung aller politisch, politisch-operativ und straf rechtlich relevanten Umstände wird die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens angestrebt. Es wird im Ergebnis der Verdachtshinweisprüfung nicht bestätigt. Gerade dieses stets einzukalkulierende Ergebnis der strafprozessualen Verdachtshinweisprüfung begründet in höchstem Maße die Anforderung, die Rechtsstellung des Verdächtigen in der Untersuchungsarbeit Staatssicherheit , insbesondere erfolgen, um bei den mit der anfänglichen Zielstellung der ausschließlichen Gefahrenabwehr auf der Grundlage der Befugnisse des Gesetzes eingeleiteten Maßnahmen gleichzeitig Informationen zu erarbeiten, die eine Bestimmung des vernehmungstaktischen Vorgehens ermöglichen. In diesem Zusammenhang kommt der engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem den führenden operativen Mitarbeiter große Bedeutung. Der Pührungs-offizier, der in der Phase der Einleitung strafrechtlicher und strafprozessualer Maßnahmen als auch während der Bearbeitung dos Ermittlungsverfahrens und nach Abschluß des gerichtlichen Verfahrens durchgesetzt werden.

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