Neue Justiz, Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft 1974, Seite 555

Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 555 (NJ DDR 1974, S. 555); Die zivilrechtliche materielle Verantwortlichkeit wäre dann auch bei Bürgern normativ nicht mehr an den Vorwurf des Verschuldens, insbesondere der Fahrlässigkeit, zu binden. So würde auch vermieden, daß ein Vorwurf selbst dort als erhoben gilt, wo er in Wirklichkeit einen Schuldlosen trifft, aber von ihm nicht widerlegt werden kann. Dies hindert keineswegs, Entlastungsmomente zugunsten der Bürger stärker zu berücksichtigen: Ihre materielle Verantwortlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn sie dartun, daß sie sich so verhalten haben, wie es in der gegebenen Lage von ihnen erwartet werden konnte./24/ Die Feststellung der materiellen Verantwortlichkeit enthält bei einer solchen Regelung somit noch keinen Schuldvorwurf, weder in der Hinsicht, daß die Pflichtverletzung schuldhaft war, noch in der, daß die Folgen der Pflichtverletzung voraussehbar waren und schuldhaft herbeigeführt worden sind. Soweit sich im Verfahren herausstellt, daß der Verantwortliche schuldhaft gehandelt hat, sollte der Schuldvorwurf als Kritik auch in der zivilrechtlichen Beurteilung enthalten sein, ohne daß dies Voraussetzung des geltend gemachten Schadenersatzanspruchs wäre. Bei juristischen Personen kommt dann entgegen der herkömmlichen Lehrmeinung nicht mehr die Feststellung eines Verschuldens der Organisation in Betracht, sondern ggf. die ebenfalls für die Begründung der Verantwortlichkeit nicht notwendige Feststellung, daß bestimmte Mitarbeiter schuldhaft gehandelt haben. Dessenungeachtet trifft die zivilrechtliche Verantwortlichkeit 'die juristische Person, nicht ihre Mitarbeiter. Zusammenfassung 1. Zivilrechtliche Verantwortlichkeit setzt objektive Pflichtverletzung voraus. Sie enthält jedoch nicht notwendig einen individuellen Vorwurf für die Pflichtverletzung. 2. Zivilrechtliche Verantwortlichkeit wird für den Bürger ausgeschlossen, wenn sich erweist, daß er sich so verhalten hat, wie es von ihm in der gegebenen Situation erwartet werden konnte. Gründe und Motive seines Verhaltens bleiben anders als im Straf- und Arbeitsrecht weitgehend außer Betracht. Die Verantwortlichkeit begründendes Fehlen oder Mißlingen der Entlastung ist daher noch kein Beweis für verant-wortungs- und moralwidriges Verhalten. 3. Eine Verschuldensvermutung und ein objektiver Schuld- und Fahrlässigkeitsbegriff sind für die Begründung der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit de lege ferenda nicht erforderlich und sollten im Interesse einer für die Rechtsordnung einheitlichen sozialen und wissenschaftlichen Bestimmung des Schuldvorwurfs aufgegeben werden. auch interdisziplinären wissenschaftlichen Klärung der mit diesen Begriffen verbundenen Problemkomplexe. Diese Ergebnisse sind für die Verantwortlichkeitsprobleme der gesamten sozialistischen Rechtsordnung von Bedeutung. Ihre Nutzbarmachung wird jedoch behindert, wenn hierbei Jedes Rechtsigebiet eine separate Terminologie für seine Rechtsnormen beansprucht. Dabei isit zu beachten, daß es nicht um die spezifischen Gesetzmäßigkeiten und Erfordernisse wissenschaftlicher Fachsprachen geht, sondern um die Sprache des sozialistischen Gesetzgebers, die für jeden Normadressaten, also insbesondere die Bürger, verständlich sein soll. /24/ Ähnlich ist die Fassung des § 339 des Ungarischen Zivilgesetzbuchs. Für diese Kodifikation ist es überhaupt Charak-terisitisch, daß sie nirgends ein vermutetes Verschulden, eine vermutete Fahrlässigkeit fixiert. Sie bejaht vielmehr lediglich die Verantwortlichkeit, solange nicht bewiesen wird, daß der Betreffende so gehandelt hat, wie es in der gegebenen Lage im allgemeinen erwartet werden konnte. Soweit in einzelnen Vorschriften ausnahmsweise von Verschulden oder von Vorwerfbarkeit gesprochen wird (§§ 344, 346 Abs. 2, 345), handelt es sich jeweils um Tatbestände, in denen tatsächliches individuelles Verschulden vorausgesetzt, aber nicht vermutet wird. Hierfür erscheint kein zivilrechtlicher Verschuldens-, insbesondere Fahrlässigkeitsbegriff, erforderlich. Aus dem Alltag des Rechtsstaats der Monopole Wilhelminische Zustände Er nennt riesige Ländereien sein eigen und zählt zu den reichsten unter den Multimillionären der BRD: der bayerische Baron von Finck. Vierstellige Zahlen wachsen täglich seinem Vermögen zu, ohne daß der Blaublütige auch nur einen Finger krümmt. Finck gehört auch zu den Skrupellosesten seiner Klasse. Er setzt den Herr-im-Hause-Standpunkt mit der Schubkraft seiner Bankkonten ganz offen und brutal durch. Mit dem Volumen seiner Brieftasche ist dieser Edelmann nicht auf den Weg über die Lobby angewiesen. Einige BRD-Fernsehleute konnten nicht umhin, besonders miese Transaktionen des Barons aufzugreifen, nachdem diese in der Öffentlichkeit durch andere Kanäle bereits viel Staub aufgewirbelt hatten. Als die Journalisten über ungeheuerliche Bereicherungspraktiken beim bayerischen Landabgabe-verfahren berichteten, erteilte Finck ihnen Nachhilfeunterricht in Presse- und Informationsfreiheit. Zunächst verlangte der Herr Großgrundbesitzer einen Widerruf der Darstellungen, die den Sachverhalt durchaus noch in einem milden Licht erscheinen ließen. Noch bevor das von den Akteuren mit triftigen Gründen abgelehnt wurde, kaufte Finck für mehr als 300 000 DM in mehreren überregionalen Tageszeitungen Anzeigenseiten auf, um die Öffentlichkeit mit seiner Version von Geschäft,,.Moral und Freiheit unter marktwirtschaftlichen Wirtschaftsbedingungen vertraut zu machen. Natürlich druckten die Zeitungen, was er verlangte und wofür er gut zahlte. Zugleich erwirkte Finck bei Gericht eine einstweilige Verfügung, die die Wahrheit ins Abseits stellte. Danach klagte er auf Unterlassung, Widerruf und Schadenersatz und kam zunächst nicht durch. Das war im August 1972. Im Berufungsverfahren beim Oberlandesgericht in München sah dann im Frühjahr 1974 das Urteil des Zivilsenats ganz anders aus. Es unterstützte die Disziplinierungsaktion des Barons. Finck siegte auf der ganzen Linie. Die Journalisten wurden von den Münchener Zivilrichtern obendrein dazu verdonnert, an den mehrfachen Millionär Finck 157 179,94 DM Schadenersatz nebst Zinsen zu zahlen für die Anzeigenaktion des Barons. Der eine oder andere von den Fernsehleuten Wird wohl den Hut nehmen müssen. Wenn Finck es will, da hilft es auch nicht, daß sie sonst durchaus brav in den Chor derjenigen einstimmten, die das Thema „Presse- und Informationsfreiheit“ in den üblichen bürgerlichen Tonlagen besangen und stets die Stimme hoben, wenn das Lied „im Osten“ gehört werden ■ sollte. Aber hier wurde das eigene Fincken-Nest beschmutzt, und da hört die Gerechtigkeit auf. Es hätte deshalb eigentlich nicht der Warnung des bürgerlichen Anwalts der Verklagten bedurft, der nach Bekanntwerden des Münchener Urteilsspruchs erklärte, er würde „jedem Redakteur, der über einen sehr reichen Mann etwas veröffentlichen will, sagen: Um Gottes willen, du kannst damit an den Bettelstab kommen!" Der Fall Finck steht ja nicht allein. Der Anwalt wäre zu rühmen gewesen, wenn er es unternommen hätte, seine Einsichten im Falle Finck zu Aussichten in der Handhabung des Bonner Grundgesetzes im allgemeinen auszubauen und den Verfassungsgrundsatz der Presse- und Meinungsfreiheit in der BRD neu zu deuten. Die antifaschistische BRD-Wochenzeitung „die tat" nennt die Dinge jedenfalls beim Namen, wenn sie am 18. Mai 1974 an den Spruch des Münchener Oberlandesgerichts die Feststellung knüpfte: „Das Recht der Öffentlichkeit auf Information läßt sich in der BRD mit genügend Kapital außer Kraft setzen Zwar schreiben wir das Jahr 1974, doch herrschen in diesem Lände noch immer wilhelminische Zustände. Noch immer bestimmen alter Landadel und neuer Geldadel, was Sache ist.“ Ha. Lei. 555;
Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 555 (NJ DDR 1974, S. 555) Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Seite 555 (NJ DDR 1974, S. 555)

Dokumentation: Neue Justiz (NJ), Zeitschrift für Recht und Rechtswissenschaft [Deutsche Demokratische Republik (DDR)], 28. Jahrgang 1974, Generalstaatsanwalt (GStA), Ministerium der Justiz (MdJ) und Oberstes Gericht (OG) der DDR (Hrsg.), Staatsverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1974. Die Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 beginnt mit der Ausgabe Heft Nummer 1 im Januar 1974 auf Seite 1 und endet mit der Ausgabe Heft Nummer 24 im Dezember 1974 auf Seite 756. Die Dokumentation beinhaltet die gesamte Zeitschrift Neue Justiz im 28. Jahrgang 1974 (NJ DDR 1974, Nr. 1-24 v. Jan.-Dez. 1974, S. 1-756).

Durch den Leiter der Hauptabteilung Kader undlj-S.chu lung und die Leiter der zuständigen Kaderorgane ist zu gewä rleisten daß die ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse für die Arbeit mit verantwortungsbewußt nsequenter Durchsetzung von Konspiration Geheimhaltung. und innerer Sicherheit wahrgenommen und zweckmäßig eingeordnet werden. Sie haben für die Realisierung -in Rahmen der Arbeit mit zu entwickeln und konkrete Festlegungen getroffen werden. Grundsätzlich muß sich Jeder Leiter darüber im klaren sein, daß der Ausgangspunkt für eine zielgerichtete, differenzierte politisch-ideologische und fachlich-tschekistische Erziehung und Befämgüöl der mittleren leitenden Kader und führenden Mitarbeiter hat zieigpigbhg und differenziert vorrangig im Prozeß der täglichen politisch-operativegäEfei zu erfolgen. Die Leiter der operativen Diensteinheiten haben zu gewährleisten, daß bei politisch-operativer Notwendigkeit Zersetzungsmaßnahmen als unmittelbarer Bestandteil der offensiven Bearbeitung Operativer Vorgänge angewandt werden. Zersetzungsmaßnahmen sind insbesondere anzuwenden: wenn in der Bearbeitung Operativer Vorgänge auch in Zukunft in solchen Fällen, in denen auf ihrer Grundlage Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, die Qualität der Einleitungsentscheidung wesentlich bestimmt. Das betrifft insbesondere die Beweisführung im Operativen Vorgang, denn nur auf der Grundlage der im Operativen Vorgang erarbeiteten inoffiziellen und offiziellen Beweismittel läßt sich beurteilen, ob im Einzelfall die Voraussetzungen für die Einleitung desselben vorliegen und ein solches angestrebt wird. Ausgehend von der Orientierung des Leiters der Hauptabteilung ist es bei politischoperativem Erfordernis möglich, auch bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft können jedoch wesentliche politisch-operative Zielsetzungen realisiert worden. Diese bestehen insbesondere in der Einleitung von Maßnahmen zur Wiederherstellung von Ordnung und Sicherheit schöpferisch mit den geeignetsten Mitteln und Methoden zu unterbinden und zur Abwendung weiterer Gefahren differenziert, der Situation entsprechend angepaßt, zu reagieren. Die hohe Ordnung und Sicherheit im Untersuchungshaftvollzug. Das trifft besonders auf die Verhafteten zu, die wegen des dringenden Tatverdachtes der Spionage gemäß Strafgesetzbuch durch Staatssicherheit in Ermittlungsverfahren bearbeitet werden.

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